Klar doch
Hi Fast-Namensvetter
mit der Frage im Titel meine ich: Gibt es ein überprüfbares
oder wiederkehrendes oder sich wiederholendes Phänomen, das
bisherigen wissenschaftlichen Erklärversuchen widerspricht und
trotzdem nicht zu leugnen ist? (einigermaßen klar?!?)
Du bringst hier gerade eine mögliche Definition von Grundlagenforschung, die vom Experiment ausgeht. Da ist irgendein Effekt(Phänomen), der bei einem wissenschaftlichen Experiment (d.h. wiederholbar und überprüfbar) festgestellt wurde und gleichzeitig der vorhandenen Theorie widerspricht. Sofort macht sich eine Horde Theoretiker dran, dieses Phänomen zu erklären.
Nettes und typisches Beispiel ist der fraktionierte Quanten-Hall-Effekt (z.B. http://www.tu-berlin.de/presse/pi/1996/pi168.htm, http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~aernst/physik98…): Zuerst wurde eine Beobachtung (=Messung) gemacht, die zu den bisherigen Modellen in Widerspruch stand. Es sah so aus, als ob es halbe, drittelte usw. usf. Elementarladungen gäbe. Es gab daraufhin einige Leute, die das für Unfug und eine schlechte Messung hielten und es gab andere, die nach einer theoretischen Erklärung gesucht haben. Heute haben wir eine gute Theorie für diesen Effekt.
Ich erinnere mich z. B. an einen TV-Bericht über eine Straße
(in Italien?), an der auf unerklärliche Weise Gegenstände wie
Bälle oder Flaschen bergaufrollen - jeder kann hin und es
ausprobieren, aber eine wissenschaftliche Erklärung fehlt.
Vielleicht fehlt ja teilweise auch die Wiederholbarkeit? Oft fehlt schlicht und einfach das Geld, um soetwas genauer unter die Lupe zu nehmen. D.h. ganz banal, man kennt die Erklärung nicht. Das ist aber keine Schande, das ist bei vielen Phänomenen so.
Oft ist es aber auch so, dass so ein Phänomen bereits längst geklärt ist, das Ergebnis in irgendeiner wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht wurde, aber die Öffentlichkeit (=Medien) davon keine Notiz nehmen (will?).
Auch wird immer wieder von schwebenden tibetanischen Mönchen
berichtet; hiervon gibt es aber keine Fotos, Filmmaterial oder
Demonstrationen vor Mißtrauischen, die einen ernstzunehmenden
Konflikt zwischen der Parawissenschaft und der
Nichtparawissenschaft hervorgebracht hätte.
Ich hatte in meiner Karate-Zeit einmal das Vergnügen einer Vorführung von sogenannten Ki-Kräften beizuwohnen. Ich hatte aber eher das Gefühl Zeuge einer Massenhysterie und Massensuggestion geworden zu sein. Die Anwesenden, die daran glaubten, schworen Stein und Bein etwas gesehen und gespürt zu haben, die anderen schworen das glatte Gegenteil. Ähnlich ist es mit Marienerscheinungen und anderen Massenphänomenen.
Diese Konflikte werden sich nie lösen lassen, sie sind das Ergebnis unserer menschlichen Psyche: Unsere sinnlichen Wahrnehmungen können niemals objektiv sein.
Umgangssprachlich wird „Parawissenschaft“ oft auch in dem Sinn von „nach Erklärungen für unerklärte Phänomene suchen“ verstanden. Dabei stellt sich aber die Frage, was die „normale“ Wissenschaft dann tut?
Insofern will ich die Grenze zwischen Parawissenschaft und Wissenschaft aufgrund der Arbeitsweise verstanden haben. Der Versuch, Para- und Wissenschaft aufgrund der Arbeitsfelder zu trennen, muss scheitern.
Erschwerend kommt hinzu, dass sich Untersuchungen unerklärter Phänomene durch sog. Parawissenschaftler sich meistens durch eine „unwissenschaftliche“ oder besser „unakademische“ Vorgehensweise auszeichnen. Da fehlen Laborprotokolle, Versuchsbedingungen sind nicht exakt definiert, der Stand der Wissenschaft wird nicht hinreichend rezipiert usw. usf. Am wichtigsten: Oft fehlen überprüfbare (d.h. falsifizierbare) Hypothesen. Wenn es nichts zu falsifizieren gibt, gibt es genaugenommen nichts zu forschen. Naja, fast nichts. Der Fokus der Forschung sollte dann sein, aus den nichtüberprüfbaren Hypothesen falsifizierbare Voraussagen abzuleiten.
D.h. auch Wissenschaft zur Parawissenschaft degenerieren, umgekehrt ist es möglich, dass ein ursprüglich parawissenschaftliches Projekt sich in ein ernstzunehmendes wissenschaftliches Projekt wandelt.
Um noch explizit auf deine Frage einzugehen:
Der wissenschaftliche Blätterwald ist auch heute voll von solchen „allgemein anerkannten und noch unerklärten“ Phänomenen.
Ich habe oben ein altes Beispiel aus der Physik gebracht. Aber z.B. in der Biologie oder Medizin ist es nicht anders.
Grüsse Rossi