In altorientalischer Mythologie finde ich da wenig zu verorten, aber was ´vorchristliche Gnosis´ oder besser: nicht-christliche Gnosis betrifft, sind gewisse Anklänge natürlich unübersehbar. Philo hat bei den Essenern starke Parallelen zu den Pythagoräern vermutet, wie auch zu den Therapeuten. In seinem Text über Asketen schreibt er über die Therapeuten u.a.:
And they are accustomed to pray twice a day, at morning and at evening; when the sun is rising entreating God that the happiness of the coming day may be real happiness, so that their minds may be filled with heavenly light, and when the sun is setting they pray that their soul, being entirely lightened and relieved of the burden of the outward senses, and of the appropriate object of these outward senses, may be able to trace out trust existing in its own consistory and council chamber.
Daraus geht hervor, dass das Göttliche in der ´Seele´ gesucht und als ´himmlisches Licht´ wahrgenommen wurde. Das korrespondiert, auch in Anbetracht der laut Philo pythagoräischen Ausrichtung der Essener, mit der Aussage in Punkt 3 in der Liste des Rosenkreuzer-Autors. Bekanntlich hielt Pythagoras die Seele für ein Lichtgebilde. Ebenso ist Punkt 1 mit der ´mystischen´ Gottesvorstellung der Pythagoräer und Therapeuten kompatibel. Punkt 2 ist eigentlich eine theologische Selbstverständlichkeit und als solche überflüssig. Punkt 4 ist nicht gerade typisch essenisch, da Frauen bei ihnen einen eher negativen Status hatten, während sie bei den Therapeuten und Pythagoräern gleichberechtigt waren; pythagoräische Frauen galten sogar als besonders hochkultiviert. Punkt 5 geht von der positiven Formulierung her wohl kaum mit pythagoräischen, therapeutischen und essenischen Prinzipien konform, denen schon aufgrund ihrer Sexualfeindlichkeit der Leib nicht unbedingt als „Tempel“ galt. Punkt 6 ist sehr pathetisch formuliert, steht aber sicher nicht im Widerspruch zu den Lehren besagter Gruppen. Das gilt natürlich auch für Punkt 9.
Ein Problem ist die unterschiedliche Sicht von Philo und Josephus auf den essenischen Gott. Philo berichtet, dass dieser als Schöpfer nur des Guten, nicht aber des Bösen galt, während Josephus - vermutlich korrekter - den essenischen Gott als Schöpfer auch des Bösen darstellt.
Im übrigen ist die Darstellung von Harvey Lewis Spencer in Bezug auf die historische Herkunft der „Großen Weißen Bruderschaft“ natürlich sehr spekulativ und mit großer Vorsicht zu genießen. Fakt ist aber, dass das ägyptische Alexandria der bedeutendste religiös-philosophische Schmelztiegel jener Zeit war, wo Lehren aus aller Herren Länder, auch aus dem Iran (Zoroastrismus) und aus Indien (Brahmanismus, Buddhismus) kennengelernt und studiert werden konnten (Bibliothek). Dass diese Lehren auch auf die Therapeuten und Essener einwirkten, ist stark zu vermuten.
Chan