Goethe: Lyrik-Statistik

Hallo,

ich hätte auch unter „Literatur“ posten können, aber hier scheint es mir besser zu passen: Ich suche eine Aufstellung über die Lyrik Goethes, aus der hervorgeht, wann er seinen Höhepunkt in der Lyrikproduktion gehabt hat. Besonders interessiert mich das Verhältnis zwischen der Anzahl der Gedichte im Frühwerk (bis 1805/06) und dem Spätwerk (ab diesem Zeitpunkt). Konkret möchte ich wissen, ob Goethe die meisten seiner Gedichte vor 1806 oder nach 1806 geschrieben hat - wenn möglich mit Beleg.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hallo, Thomas,

nur bis in die 90er Jahre gehen die Angaben des folgenden
Abschnittes. Aber vielleicht ist das ein Anfang.

_Nur in der Lyrik kam es zunächst nicht zu spürbarem Nachlassen der Produktivität. Rein numerisch ausgedrückt: die Gesamtzahl der 1776 in Weimar entstandenen Gedichte (etwa 34) war ebenso groß wie die des Jahres 1774, und auch zum lyrischen Blütejahr 1775 (etwa 54) bestanden angemessene Relationen. 1777 ging die Zahl auf etwa 15 Gedichte zurück und hielt sich von nun an ungefähr auf dieser Höhe. Die Zahl der von Goethe veröffentlichten Gedichte allerdings nahm rapide ab: von 40 im Jahre 1775 und 23 im Jahre 1776 auf 3 im Jahre 1777. Diese Zahl wurde bis 1787 kaum noch überschritten.

aus, Hans-Heinrich Reuter, Johann Wolfgang Goethe, Bildbiographie, VEB Bibliographisches Institut Leipzig 1982_

Gruß Fritz

Hallo Fritz,

nur bis in die 90er Jahre gehen die Angaben des folgenden
Abschnittes. Aber vielleicht ist das ein Anfang.

ja, das ist ein Anfang.

> 1776 (etwa 34)  
> 1774 (etwa 34)  
> 1775 (etwa 54) 40 gedruckt  
> 1776 23 gedruckt  
> 1777 (etwa 15) 3 gedruckt  
> Diese Zahl wurde bis 1787 kaum noch überschritten.

Hast du eine Ahnung, wie der letzte Satz zu interpretieren ist:
Heißt das: von 1778-1787 nur 3 gedruckte Gedichte pro Jahr, insgesamt also 30?
Weißt du vielleicht auch, wieviele Goethe insgesamt geschrieben hat? Dann könnte man bis 1787 zusammenrechnen und von Gesamtzahl abziehen. Das würde mir sehr helfen.

Danke!

Herzliche Grüße

Thomas

Hallo, Thomas,

Hast du eine Ahnung, wie der letzte Satz zu interpretieren
ist:
Heißt das: von 1778-1787 nur 3 gedruckte Gedichte pro Jahr,
insgesamt also 30?

So habe ich es verstanden. Eine fast gedichtlose Zeit also.

Weißt du vielleicht auch, wieviele Goethe insgesamt
geschrieben hat?

Also in meiner Ausgabe umfasst das Inhaltsverzeichnis der beiden Gedichtbände 72 Seiten, auf jeder Seite sind im Schnitt 50 Gedichtanfänge und Überschriften zu lesen.
Also muss man die Zahl halbieren und kommt so auf 1800 Gedichte.
Weiter ist zu berücksichtigen, dass allein die Zahmen Xenien etwa 400 davon ausmachen, dass auch kleine Sinnsprüche und Widmungen dabei sind und sonstiges Kleinzeug, und so denke ich, dass man mit gut 1000 „richtigen“ Gedichten rechnen kann.

Ab 1814 entstand der 1819 erschienene „West-Östlichen Divan“, der samt dem aus dem Nachlass hinzugekommenen Gedichten etwa 300 Gedichte umfasst.

Danach gab es noch einige Altersweisheiten und die Marienbader Elegie und damit hat es sich wohl.

Genaueres weiß man wohl erst, wenn jemand die Gedichtebände durchblättert und alles penibel zählt. Hast du keinen Hiwi, der das für dich tun könnte?:smile:

Gruß Fritz

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Hallo Fritz,

1800 Gedichte.
mit gut 1000 „richtigen“ Gedichten rechnen

das hatte ich befürchtet :smile:

Bei

1776 (etwa 34)
1774 (etwa 34)
1775 (etwa 54)
1776 23 gedruckt
1777 (etwa 15)

  • etwa 30

also insgesamt etwa 200, vielleicht 250 oder 300 Gedichten bis 1787 müsste man für die Zeit nach 1800 etwa 500 oder mehr Gedichte schätzen. Ist die Rechnung richtig? Egal, auf jeden Fall kann man wohl schließen, dass die Zahl der Gedichte nach 1806 erheblich höher liegen muss als vorher, oder? Dieses Ergebnis würde mir gar nicht ins Konzept passen :frowning:

Schließe (schätze) ich richtig?

Herzliche Grüße

Thomas

Hallo, Thomas,

für die Zeit nach 1800 etwa 500 oder mehr Gedichte schätzen. Ist die Rechnung richtig?

Meiner Ansicht, ja!

Egal, auf jeden Fall kann man wohl schließen, dass die Zahl der Gedichte nach 1806 erheblich höher liegen muss als vorher, oder?

Dessen bin ich eigentlich gewiss! Und zwar etwa doppelt so hoch!

Dieses Ergebnis würde mir gar nicht ins Konzept passen :frowning:

Schade, aber nichts zu ändern!

Herzliche Grüße
Fritz

1 Like

Hallo Fritz,

ganz herzlichen Dank für deine Hilfe!

Thomas

Eine info am Rande.
Hallo Thomas.
Wenn Du Infos über Goethes Gesamtwerk sammelst, interessiert es Dich vielleicht auch - wenn Du es nicht schon ohnehin weißt - daß G. im Alter seine wissenschaftlichen Arbeiten als bedeutender einschätzte als sein literarisches Schaffen, welches er vernichten wollte. Die Wissenschaft und die Literatur haben Glück gehabt, daß es anders gekommen ist!
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Berresheim

Hallo Alexander,

Wenn Du Infos über Goethes Gesamtwerk sammelst

eher nicht mir ging es nur darum, ob man die Lyrik Goethes eher seinem Frühwerk zuordnen kann - die Bestätigung dieser These hätte meine Arbeit erleichtert - oder nicht (was der Fall ist, wie sich aufgrund der Recherchen von Fritz gezeigt hat).

interessiert es Dich vielleicht auch - wenn Du es nicht schon ohnehin weißt

  • daß G. im Alter seine wissenschaftlichen Arbeiten als
    bedeutender einschätzte als sein literarisches Schaffen,
    welches er vernichten wollte. Die Wissenschaft und die
    Literatur haben Glück gehabt, daß es anders gekommen ist!

Ja, das wusste ich, aber das macht ja nichts. Ich halte übrigens die naturwissenschaftlichen Schriften Goethes nicht für so unbedeutend, wie man sie immer darstellt. Die Farbenlehre ist ein interessanter Ansatz (wenn auch nicht richtig), der Zwischenkieferknochen ist eine interessante Entdeckung etc. etc.
Die Lektüre auch dieser Teile des Goetheschen Oeuvres kann ich sehr empfehlen. Man kann viel davon lernen.

Danke trotzdem für den Hinweis!

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hallo, Thomas,

wo liegt bei dir die Grenze zwischen Frühwerk und Spätwerk?
1796 oder 1805? Vor Italien und nach Italien?

Ich habe jetzt noch ein chronologisches Verzeichnis gefunden.
Es hat 18 1/2 Seiten. Acht Seiten für die Gedichte bis 1803, zehneinhalb Seiten für die bis 1833 (Zwei posthum erschienene sind dabei).

Wenn du mir das von dir angenommen Grenzjahr angibst, setz ich mich hin und zähle genau!

Fritz

Hallo Fritz,

wo liegt bei dir die Grenze zwischen Frühwerk und Spätwerk?
1796 oder 1805? Vor Italien und nach Italien?

die für mich interessante Grenze liegt eigentlich so gegen 1806, ließe sich aber auch im Zweifel bis 1815 verschieben. Es müsste - um für mich nutzbar zu sein - herauskommen, dass sozusagen „die lyrische Zeit“ Goethes (oder wie man das immer nennen will) vor 1815 gelegen hat, dass also die Lyrikproduktion Goethes hauptsächlich vor diesem Jahr (bzw. einschließlich) liegt. Der Zweck ist, Goethe wegen seines spät liegenden Todesjahres aus der Statistik der dreißiger Jahre hinauszukomplementieren, seine entscheidende Leistung also zurückzudatieren, wenn du weißt, was ich meine. Es soll also eine Art statistischer Trick sein, der die Berücksichtigung Goethes für den späteren Zeitraum als unnötig erscheinen lässt. Sollte das nicht möglich sein, muss ich mir etwas anderes ausdenken, was mich in Zeitprobleme bringen könnte.

Wenn also herauskäme, dass Goethe etwa 1800 Gedichte geschrieben hätte, davon
aber etwa 1500 oder auch nur 1200 vor 1816 gelegen hätten, wäre mir sehr geholfen (wenn du mir die Quelle dieses Verzeichnisses nennen könntest, wäre es sehr gut, damit ich mich darauf berufen kann) - oder du sagst mir halt: 18 Seiten zwischen 1770 und 1832 mit insgesamt 1800, davon für die Jahre 1816-1832 nur - meinetwegen - 400 Gedichte - oder so ähnlich … Das könnte ich schon verwenden.

Dabei kommt es nicht auf ein oder zwei Gedichte an, sondern das grobe Verhältnis genügt: 2/3 - 1/3 oder 3/5 - 2/5.

Herzliche Grüße (und nochmals Danke)

Thomas

Hallo, Thomas!

Meine Quelle ist der Band 2, der Artemis-Gedenkausgabe, dtv-Dünndruck, S. 759 - 776.
1757: 2
1762: 1
1764: 1
1765: 18
1766: 19
1767: 20
1768: 11
1769: 1
1770: 16
1771: 13
1772: 7
1773: 18
1774: 34
1775: 41
1776: 23
1777: 11
1778: 10
1779: 9
1780: 25
1781: 13
1782: 23
1783: 7
1784: 10
1785: 9
1786: 7
1787: 2
1788: 9
1789: 11
1790: 72
1791: 4
1792: 3
1793: 4
1794: 5
1795: 6
1796: 15
1797: 24
1798: 12
1799: 5
1800: 9
1801: 8
1802: 12
1803: 3
1804: 12
1805: 5
1806: 17
1807: 21
1808: 5
1809: 5
1810: 14
1811: 3
1812: 19
1813: 23
1814: 58
1815: 68
1816: 25
1817: 19
1818: 20
1819: 23
1820: 61
1821: 34
1822: 29
1823: 26
1824: 11
1825: 17
1826: 41
1827: 79
1828: 24
1829: 8
1830: 8
1831: 18
1832: 5
1833: 2

Genug gezählt für heut! Und: Ohne Gewähr!

Deine These!?!? Oioioi! Ich glaube, dass du mit einer rein quantitativen Bewertung nicht auskommst.

Gruß Fritz

2 Like

Klasse, Fritz!
Hi,

allerherzlichsten Dank für die Auflistung (muss ja ziemlich Mühe gemacht haben …).

Deine These!?!? Oioioi! Ich glaube, dass du mit einer rein
quantitativen Bewertung nicht auskommst.

Nach meiner Rechnung ergibt sich:
1857-1819: = 891
1820-1833: = 363

Meinst du nicht, ich könnte jetzt (in etwa) schreiben: „Weil Goethe mehr als zwei Drittel seiner Lyrik vor 1820 verfasst hat, kann man ihn eigentlich nicht mehr zu dieser späteren Generation (der zwischen 1820 und 1850 Gestorbenen) zählen. Seine Produktion ist ja ohnehin in jeder Hinsicht unvergleichbar mit anderen Lyrikern.“ oder so ähnlich …

Klingt doch gut, oder hättest du Einwände?

Herzliche Grüße

Thomas

nachgefragt
Hallo,

Meinst du nicht, ich könnte jetzt (in etwa) schreiben: „Weil
Goethe mehr als zwei Drittel seiner Lyrik vor 1820 verfasst
hat, kann man ihn eigentlich nicht mehr zu dieser späteren
Generation (der zwischen 1820 und 1850 Gestorbenen) zählen.
Seine Produktion ist ja ohnehin in jeder Hinsicht
unvergleichbar mit anderen Lyrikern.“ oder so ähnlich …

man entschuldige, daß ich mich als Unkundiger der klassischen Literatur einmische, aber warum ist Dir denn eine zeitliche Einordnung so wichtig? Normalerweise schubladisiert man doch eher nach Stil, Epoche etc.

Gruß,
Christian

und beantwortet
Hallo,

warum ist Dir denn eine zeitliche Einordnung so wichtig?

das ist leicht zu erklären: Ich schreibe gerade ein Gutachten, um Fördergelder für die Erforschung eines bestimmten „Phänomens“ (genauer: eine bestimmte Art der Rezeption) zu bekommen. Aus ihm sollte naturgemäß klar und einfach zu erkennen sein, warum dieses Vorhaben förderungswürdig ist.

Meine Schablone zeigt im Prinzip, dass dieses „Phänomen“ vor 1820 und nach 1850 gegeben ist (dort also nicht unbedingt gefördert werden muss), in der Zwischenzeit von 1820 bis 1850 aber fehlt (und daher gefödert werden solle).

Einziges Problem ist Herr Goethe, bei dem eben dieses „Phänomen“ gegeben ist (mehr als bei allen anderen!), seine Lebenszeit aber in die dreißiger Jahre hineinragt. Ich kann natürlich immer Goethe als Ausnahmeerscheinung darstellen, aber das wird von den Kommissionen, die die Förderung zu entscheiden haben, nicht gerne gesehen, weshalb ich mich um andere Wege der „Ausgrenzung“ Goethes bemühe.

Alles klar?

Herzliche Grüße

Thomas

Hi,

allerherzlichsten Dank für die Auflistung (muss ja ziemlich
Mühe gemacht haben …).

Deine These!?!? Oioioi! Ich glaube, dass du mit einer rein
quantitativen Bewertung nicht auskommst.

Nach meiner Rechnung ergibt sich:
1857-1819: = 891
1820-1833: = 363

Hallo,

pardon wenn ich mich hier mal einmische.
Ich glaube nicht das Du so argumentieren kannst.
Schließlich beträgt der erste Zeitraum 62 Jahre, der zweite nur 13.
Die durchschnittliche „Gedichteproduktionsdichte“ beträgt 14,4 Gedichte/Jahr in der frühen, aber 27,9 Gedichte/Jahr in der späteren Zeit.
Goethe war also offenbar zum Ende seiner Schaffenszeit erheblich produktiver als zu Beginn.

Liebe Grüße,

Max

1 Like

Hallo Maximilian,

Nach meiner Rechnung ergibt sich:
1857-1819: = 891
1820-1833: = 363

pardon wenn ich mich hier mal einmische.

ach, warum denn? Gegenargumente sind doch wichtig zur Kontrolle.

Ich glaube nicht das Du so argumentieren kannst.
Schließlich beträgt der erste Zeitraum 62 Jahre, der zweite nur 13.
Die durchschnittliche „Gedichteproduktionsdichte“ beträgt 14,4
Gedichte/Jahr in der frühen, aber 27,9 Gedichte/Jahr in der
späteren Zeit.
Goethe war also offenbar zum Ende seiner Schaffenszeit
erheblich produktiver als zu Beginn.

Ja, das ist wahr. Aber andererseits ist der Unterschied zwischen 62 und 13 vielleicht doch ein Argument. Denn mir geht es ja insbesondere um die Jahre zwischen 1820 und 1850. …

Mh … naja, mal sehen, was ich mache, ich werde wohl doch nicht umhin kommen, ihm einen Sonderstatus (den er ja verdient hat) einzuräumen. Ich hoffe nur, es stößt bei der Kommission nicht auf, die hat sich zwar prinzipiell schon bereit erklärt zur Förderung, aber eben nur unter der Bedingung, dass die Sache ganz klar dargelegt wird. Und da Herr Goethe die Sache zwar nicht unklar, wohl aber unübersichtlicher macht, möchte ich eigentlich das Risiko nicht eingehen. Schließlich ist das Gutachten eine Auftragsarbeit und nicht nur „just for fun“.

Danke schön für den Einwand!

Herzliche Grüße

Thomas Miller

alternativ …

… kannst du natürlich ebenso gut argumentieren:

„Weil Goethe fast 30% seiner Lyrik nach 1820 verfasst hat, muß man ihn eigentlich nicht mehr zu dieser späteren Generation (der zwischen 1820 und 1850 Gestorbenen) zählen,
seine Produktion ist ja ohnehin in jeder Hinsicht unvergleichbar mit anderen Lyrikern .“

oder so ähnlich …

:smile:)

aber das ist ja nicht, was du haben willst :stuck_out_tongue:

Gruß

Metapher

sehr richtig …
Hi,

genau DAS ist mein Problem …

Herzliche Grüße

Thomas

Oh, Thomas,

ich habe gestern vorzeitig abgebrochen. Du musst noch für die Zeit von 1814 bis 1819

280 Gedichte aus dem West-östlichen Divan dazurechnen.

Das ändert deine Rchnung:

Nach meiner Rechnung ergibt sich:
1857-1819: = 891 + 280 = 1254
1820-1833: = 363

Das könnte deine Formulierung:

„Weil Goethe mehr als zwei Drittel seiner Lyrik vor 1820 verfasst
hat, kann man ihn eigentlich nicht mehr zu dieser späteren
Generation (der zwischen 1820 und 1850 Gestorbenen) zählen.
Seine Produktion ist ja ohnehin in jeder Hinsicht
unvergleichbar mit anderen Lyrikern.“ oder so ähnlich …

verstärken und untermauern.

Klingt doch gut, oder hättest du Einwände?

Also ich würde auf jeden Fall ein dickes Fragezeichen an den Rand machen.:wink:

Gruß Fritz

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