irrige Vorstellungen über Gottesbeweise
Hallo Ralf,
wie von dir nicht anders zu erwarten, einmal wieder ein hervorragend zusammenfassender Überblick über die Voraussetzungen einer sinnvollen Fragestellung.
Daher dies nur als Ergänzng:
Leute, die das Eine oder Andere versuchen, haben schlicht die Aufklärung und damit die geistesgeschichtliche Entwicklung des letzten Vierteljahrtausends irgendwie verpasst.
Nicht nur das. Verpaßt ist vielmehr die gesamte Geschichte und Motivation von Gottesbeweisen. Von den Anfängen an: Anaxagoras, Aristoteles, Avicenna, Averroes, Abaelard, Anselm, Duns Scotus, Thomas, Descartes bis Kant und letzlich Hegel war es niemals - um es einmal paradox zu formulieren - die Intention von Gottesbeweisen, Gott zu beweisen. Zumindest nicht zu dem Zweck, Nicht-Gottesgläubige zu überzeugen. Auch die Widerlegungen hatten nicht den Zweck, zu beweisen, daß „Gott nicht existiert“ oder daß „Kein Gott existiert“, sondern eben nur, daß der jeweilige Beweis widerlegbar war. Auch generellere Bemühungen um einen Beweis, daß es einen unwiderlegbaren Beweis nicht geben könne (wie etwa Kant), hatten nicht die Intention des Beweises der Nichtexistenz. Als ob ein Kant sich so eines logischen faux pas je hätte entblöden könen.
Das wäre trivialerweise schon daran zu erkennen, daß fast immer diejenigen, die die Beweise zu widerlegen unternahmen, ebenso gottgläubig waren, wie die, die die Beweise zur Diskussion stellten. Deutlichstes Beispiel ist die berühmte Auseinandersetzung zwischen zweien der scharfsinnigsten Denker solcher Unternehmen: Anselm v.Canterbury (mit einem seiner bekanntesten Argumentationen im Proslogion - er hatte ja mehrere) und sein diesbezüglicher Gegner Gaunilo v.Marmoutiere: Gaunilo war Mönch! Und ebenfalls ein anderer, der Anselm trefflich widerlegte: Thomas v.Aquin.
Ein anderes Beispiel: Eine der bedeutendsten Schriften des 13. Jhdts, der Liber vigintiquattuor philosphorum unbekannter, wahrscheinlich arabischer Herkunft, mit seiner späteren Kommentarsammlung, in dem 24 Gottes-„Definitionen“ gesammelt sind aus den unterschiedlichesten Denktraditionen.
Die generelle Intention solcher Beweisverfahren war vielmehr in der mittelalterlichen Intellekttheorie begründet, der wir - in Weiterentwicklung der aristotelischen Grundsteinlegungen - die Kriterien unserer heutigen, als selbstverständlich empfundenen Vernunft-Argumente verdanken, sozusagen des „gesunden Menschverstandes“.
Literaturen zu dem Thema bei Dominik Perler, Alain de Libera, Ruedi Imbach, Loris Sturlese, Burkhard Mojsisch und natürlich Kurt Flasch.
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Schöne Grüße
Metapher