Großeltern ziehen sich zurück – nur noch Krankheit

Hallo ihr Lieben,

ich würde mich über eure Erfahrungen freuen. Meine Großeltern gehen auf die 80 zu. In der letzten Zeit setzt eine starke Veränderung ein. Psychische Aspekte rücken in den Vordergrund. Es werden allerhand Ärzte aufgesucht, auch weiter entfernt, was meiner Großmutter psychischen Stress verursacht und der wiederum weitere Krankheiten. Salopp gesagt, wird es ein Gemisch aus wahrer Krankheit und „eingebildeter“ Krankheiten sein, aber Genaueres erfahren wir nicht, weil die beiden uns ausklammern. Gespräche drehen sich nahezu ausschließlich um Krankheiten – für die nahe Familie ist das kaum noch auszuhalten. Dazu gab es auch schon klärende Gespräche.

Eine Angehörigenberatung riet, die beiden in Ruhe zu lassen, damit sie von selbst kommen und sich die Situation eingestehen. Das funktionierte teilweise. Gleichzeitig schwelen Vernachlässigungsvorwürfe seitens der beiden gegen die Familie. Bietet die Familie aber Hilfe an, wird diese abgelehnt. Ich vermute, da die beiden nun wissen, dass die Familie einige Dinge nicht gutheißt (z.B. dass zu einem Heilpraktiker gegangen wird, der „sogar Ferndiagnosen machen kann“), ziehen sie sich deshalb zurück und machen ihr Ding.

Ich merke jetzt, wie ich in einem Dilemma stecke: Ich will nicht zusehen, wie die beiden die Ursachentherapie bewusst umgehen, und diesen Zirkus auch nicht mitmachen. Andererseits sind es meine Großeltern, und ich mag sie sehr und möchte helfen, sehe aber keinen Willen, sich helfen zu lassen. Ich befürchte, dass da viel mehr hintersteckt, als wir ahnen können.

Bisher meisterten sie den Alltag in ihrer 90 qm-Wohnung vorbildlich. Aber mein Opa muss jetzt fast alles allein machen: den Hund ausführen, kochen, einkaufen etc. und sieht schon etwas ungepflegter aus. Eigentlich finde ich, dass die beiden in einer Wohneinrichtung mit Beschäftigungsangeboten und medizinisch-psychischer Betreuung besser aufgehoben wären. So einen Vorschlag würde er aber erbost von sich weisen. Kann man ihnen das irgendwie schmackhaft machen?

Dank für eure Zeit, diesen Roman zu lesen.

Gruß sgw

Hi

Es werden allerhand Ärzte aufgesucht, auch weiter
entfernt,

immerhin sind sie schon 80 - der menschliche Körper ist eigentlich nur bis 40 gedacht, da darfs auch mal zwicken und wenn man die tägliche Panikmache in der Zeitung so sieht, was man alles haben könnte, ist es kein Wunder wenn ältere Leute da verunsichert sind

aber Genaueres erfahren wir nicht, weil die
beiden uns ausklammern. Gespräche drehen sich nahezu
ausschließlich um Krankheiten – für die nahe Familie ist das
kaum noch auszuhalten.

die zwei sind knapp über 18 und anscheinend doch noch ziemlich im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte - es bleibt euch nichts anderes übrig als ihren Willen zu akzeptieren :wink: auch wenn es schwer fällt

Eine Angehörigenberatung riet, die beiden in Ruhe zu lassen,
damit sie von selbst kommen und sich die Situation
eingestehen.

yep sehe ich auch so - lasst sie machen, wie sie wollen - es ist ihr Leben

Gleichzeitig schwelen Vernachlässigungsvorwürfe seitens der beiden gegen
die Familie.

Nun, könnt ihr nicht Kontakt halten und das Thema Krankheit dabei ausklammern? Ich lasse mich auch nicht gern bevormunden - weder von meinen Eltern noch von meinem LAG noch von seinem Sohn :wink:

(z.B. dass zu einem
Heilpraktiker gegangen wird, der „sogar Ferndiagnosen machen
kann“)

lass sie machen, es ist ihr Geld und wenn sie daran glauben, kann es sogar sein, dass es ihnen hilft (p.s. meinem Kater wurde so geholfen und ich glaube nichtmal an sowas :wink: aber er anscheinend)

ziehen sie sich deshalb zurück und machen ihr Ding.

klar :wink:

ich mag sie sehr und möchte helfen

nein, du möchtest ihnen deinen Willen aufzwingen - Hilfe wäre, sie in ihren Wünschen zu unterstützen, damit sie da bleiben können wo sie sind (evtl. eine Haushaltshilfe organisieren, das würde ja schon reichen)

sehe aber keinen Willen, sich helfen zu lassen.

weil das aus ihrer Sicht keine Hilfe, sondern eine Bevormundung ist

Bisher meisterten sie den Alltag in ihrer 90 qm-Wohnung
vorbildlich.

bestens

Aber mein Opa muss jetzt fast alles allein
machen: den Hund ausführen, kochen, einkaufen etc. und sieht
schon etwas ungepflegter aus.

das wird ihm die Oma schon irgendwann sagen und wenn es ihm zuviel wird wird er es auch sagen … er ist erwachsen :wink: und sie auch - wenn sie nicht miteinander darüber reden, ist es ebenfalls ihre Sache

Eigentlich finde ich, dass die
beiden in einer Wohneinrichtung mit Beschäftigungsangeboten
und medizinisch-psychischer Betreuung besser aufgehoben wären.

Das finden sie nicht und deswegen kannst du sie nicht dazu zwingen, das zu tun was DU für richtig hältst - sie tun was SIE für richtig halten :wink:

mir wäre auch lieber, meine Eltern (81, 78) wären in einer Pflegeeinrichtung (Vater beinamputiert, Pflegestufe 1 - Mutter zunehmend dement - leben auf einem Popeldorf - beide sehr schlecht zu Fuss - wohnen in einem Haus das quasi aus Treppen besteht … ) aber sie wollen nicht *schulterzuck* ist ihre Wahl - SIE müssen damit zurecht kommen, nicht ich

So einen Vorschlag würde er aber erbost von sich weisen. Kann
man ihnen das irgendwie schmackhaft machen?

nein

Gruß Hex

Hallo Hexerl,

danke für deine Antwort. Ich versuche mal, ein paar Sachen besser zu erklären. :wink:

immerhin sind sie schon 80 - der menschliche Körper ist
eigentlich nur bis 40 gedacht, da darfs auch mal zwicken

Nein, das geht leider tiefer als die typischen Alterswehwehchen. Das würde ich aber ungern weiter ausführen.

Niemand drängt sie oder will sie bevormunden (jedenfalls nicht absichtlich), auch wenn das vielleicht so durchklingt.

Das Thema Krankheit ausklammern geht nicht, weil jedes(!) Gespräch dazu genutzt wird, ausführlich über die Befindlichkeit zu klagen. Immer erhält man einen detaillierten Bericht über sämtliche Arztbesuche, Diagnosen etc., egal, ob der Schwiegersohn Geburtstag hat oder jemand gestorben ist. Andere Familienmitglieder sind auch sehr krank und wollen nicht dauernd auf das Krankheitsthema gestoßen werden. Es deprimiert sie.

lass sie machen, es ist ihr Geld und wenn sie daran glauben,

Jeder soll das nutzen, von dem er glaubt, dass es ihm hilft, da gebe ich dir Recht. Ferndiagnosen aber halte ich für gefährlich, und auch den Heilpraktiker, der dazu rät, die Blutdrucktabletten abzusetzen. Langsam entsteht zudem der Eindruck, dass die Rente für Arztrechnungen draufgeht und an allem anderen gespart wird.

nein, du möchtest ihnen deinen Willen aufzwingen - Hilfe wäre,
sie in ihren Wünschen zu unterstützen, damit sie da bleiben
können wo sie sind (evtl. eine Haushaltshilfe organisieren,
das würde ja schon reichen)

Ich zwinge niemanden meinen Willen auf. Im Gegenteil, ich bin diejenige, die in diesem Fall vermittelnd wirkt. Allerdings beschäftigt mich das Thema genau wegen dieser Vermittlerposition so sehr. Aber die Idee mit der Haushaltshilfe ist gut. Nur wüsste ich nicht, wie man das anbringt.

das wird ihm die Oma schon irgendwann sagen und wenn es ihm
zuviel wird wird er es auch sagen

Könnte sein, dass dem nicht so ist. :frowning:

Ich möchte einen Denkprozess anstoßen können. Ich weiß, dass beide versuchen, die Gespräche oberflächlich zu halten, ein sanftes Vordringen zum tatsächlichen Befinden bzw. ein ehrliches Gespräch ist seit Monaten nicht mehr möglich. Verwahrlosung setzt aber schleichend ein, irgendwann sind die Menschen überfordert und schämen sich dafür. Meine Großeltern könnten in die Kategorie fallen. Ich möchte ihnen zu verstehen geben können, dass es gute Alternativen gibt, wenn der Alltag zu anstrengend wird, dass sie sich nicht „quälen“ müssen.

wohnen in einem Haus das quasi aus Treppen
besteht … ) aber sie wollen nicht *schulterzuck* ist ihre
Wahl - SIE müssen damit zurecht kommen, nicht ich

Ich frage mich, inwiefern die Lebensqualität darunter leidet. Die Oma eines Freundes sagte, nachdem sie jahrelang allein zuhause gelebt und hatte und in Kurzzeitpflege in einem Seniorenheim war: „Hier will ich bleiben! Zuhause ist es mir langweilig, hier hab ich Gesellschaft, hab was zu tun und brauche nicht mehr dauernd abwaschen.“ Sie war wirklich glücklich in dieser Einrichtung, zuhause war sie es aber nicht mehr. Meine Großeltern sollten ihren sauer verdienten Lebensabend mit Lebensqualität verbringen können.

Viele Grüße
sgw

Liebe sgw,

das erinnert mich etwas an zwei alte Threads bezüglich der grundsätzlichen Gratwanderung zwischen Hilfe/Unterstützung und Bevormundung.

/t/grosseltern-streiten-sich-oft-usw/6721437

/t/eltern-werden-alt-umgang-damit/6665664/8

Lass sie laufen, aber wenn sie fallen, kannst Du ihnen auch ohne Diskussionen aufhelfen!

Und Du hast auch ein Recht, klar zu sagen, dass Dich diese Themen bei Familienbesuchen nerven und diese andere eben auch verletzt.

Mit meiner Oma (91 Jahre) rede ich immer Tacheles - damit fühlt sie sich auch ernst genommen - aber ich schaue z.B. eben auch schon, dass sie abends ihre Medikamente nimmt resp. stelle sie ihr hin.

Liebe Grüße

Kathleen

Hallo Kathleen,

besonders der erste Link erinnert mich sehr an meine Großeltern. Vielen Dank dafür. Ich kann jetzt nur schnell reinschauen, werde aber nachher ausführlich lesen.

Lass sie laufen, aber wenn sie fallen, kannst Du ihnen auch
ohne Diskussionen aufhelfen!

Ich denke, das würde ich tun. Ich biete aktuell auch immer wieder meine Hilfe an und sage, dass ich da bin, wenn sie etwas brauchen sollten. Aber wenn ich nicht anrufe, meldet sich auch niemand bei mir. Ohne diese Anrufe wüsste ich nie, wie es ihnen geht.

Und Du hast auch ein Recht, klar zu sagen, dass Dich diese
Themen bei Familienbesuchen nerven und diese andere eben auch
verletzt.

Ich befürchte nur, dass sie dann furchtbar beleidigt wären und sich noch mehr zurückziehen, wenn man ihnen quasi das einzige Thema, das sie interessiert, nun auch noch verbietet… Meine Mutter hat schon einmal versucht, Tacheles zu reden. Seitdem ist das Verhältnis sehr gespannt.

-(

Liebe Grüße
Silke

Hallo,

was die Krankheiten betrifft: An irgendetwas werden deine Großeltern in nicht allzuferner Zukunft sterben. Und das ist niemandem mehr bewusst, als ihnen selbst. Ich erlebe das gerade bei meinen Eltern, die beide Anfang 80 sind.

Als ehemalige Kinderärztin und ehemaliger Tierarzt verfügen beide - besonders natürlich meine Mutter - über ein gutes medizinisches Wissen. Und während Krankheiten in früheren Zeiten nie ein Thema waren, sondern eher etwas, was eben zum Leben gehört, nehmen sie nun zunehmend Raum ein.

Auch sie treffen ihre eigene Wahl, was sie an medizinischer Intervention für sinnvoll halten. Das schließt alternativmedizinische Therapien nicht nur ein, sondern widmet diesen einen deutlich größeren Raum, als es die Schulmedizin tut. Wir „Kinder“ vermuten, dass ihre Wahl bewusst auf Methoden abzielt, die insgesamt eine höhere Lebensqualität mit sich bringt. Dafür nehmen sie eine möglicherweise kürzere Lebenserwartung in Kauf.

Während mein Vater das mit sich ausmacht (was er zeitlebens getan hat), leidet meine Mutter eher öffentlich. Auch bei uns vergeht kein Treffen, gibt es kein Telefongespräch, an dem sie nicht detailliert ihre Wehwehchen kundtut. Sie möchte von uns Mitgefühl - aber Einmischung lehnt sie ab. Sie tut das auf ihre ihr eigene Weise, indem sie unseren Ratschlägen beiläufig zustimmt, dabei aber keinen Zweifel daran lässt, dass sie sie nicht befolgen wird.

Wir haben beschlossen, es dabei zu belassen. Wir hören zu, fühlen mit und geben natürlich auch immer wieder den einen oder anderen Rat - aber wir verfolgen dessen Umsetzung nicht. Gelegentlich stellen wir (meist zufällig) fest, dass der eine oder andere Tipp tatsächlich doch angenommen wurde. Damit leben wir alle gut.

Nur in Bezug auf eine Putzhilfe waren wir ein wenig penetranter: Nachdem unsere Eltern kategorisch jegliche Fremdhilfe in ihrem Haus verweigert haben, habe wir uns nach und nach alle eine Putzfrau engagiert und bei allen passenden und unpassenden Gelegenheiten über die Erleichterung geschwärmt. Meine jüngere Schwester hat eigens eine solche für sich erfunden :smile:. Nach 6 Monaten hielt dann tatsächlich eine hilfreiche Putzfee Einzug im Elternhaus :smile:.

Schöne Grüße
Jule

Danke!
Vielen Dank euch allen für eure Antworten.

Ich denke, die Situation ist schon ein wenig schwierig und sensibel, so dass ich gar nicht alles schreiben kann, was ich gern würde.

Aber durch eure Kommentare konnte ich gestern die „Wut“ besser kanalisieren und weiß, dass es besser ist, die Situation zu akzeptieren, auch wenn es schwerfällt.

Vielen Dank dafür!

Liebe Grüße
sgw