Angst essen Seele auf
Hallo,
ich muss gestehen: Ich sorge mich um dein Kind. Allerdings nicht wegen einer konstruierten Bildungsbenachteiligung, sondern wegen des Drucks, der jetzt schon von deiner Seite aus entsteht.
Das beginnt damit, ein komplettes Jahr vor der Einschulung bereits alle Schulsachen beisammen zu haben. Damit nimmst du einen großen Teil der Vorfreude auf die Schule zum richtigen Zeitpunkt - nämlich dann, wenn die Schule tatsächlich anfängt - weg. Mag sein, dass deine Tochter sich kurzzeitig auch jetzt gefreut hat, als ihr die Sachen eingekauft hat - zumindest, wenn sie selbst bei der Auswahl beteiligt war und nicht der mütterlichen Übersorge zum Opfer gefallen ist.
Für den Zeitraum kurz vor der Einschulung bedeutet das aber, dass es nichts mehr zum Vorbereiten und Freuen gibt, während die anderen Erstklässler in spe mit Feuereifer mittendrin sind.
Fatal ist aber auch der Nebeneffekt: Dein Kind kriegt jetzt schon mit, welche Bedeutung Schule hat. Im schlimmsten Fall wird es bereits jetzt auf Teufel-komm-raus „gefördert“, um nur ja eine erfolgreiche Bildungsbiografie hinzukriegen. Dabei fallen die wesentlichen Dinge, die ein Kind in diesem Alter braucht, ganz schnell hinten runter: Sich spielerisch die Welt erobern, neugierig bleiben und vor allem unbefangen und fröhlich aufs (Schul-)Leben zuzumarschieren.
Dieser Druck wird sich verstärken, sobald das Kind tatsächlich in der Schule ist. Von wachsamer Hausaufgabenüberwachung bis hin zu ausgesprochenen und (viel schlimmer) unausgesprochenen Leistungserwartungen von deiner Seite, wäre die Weichenstellung für ein Schulversagen perfekt.
Und das alles aufgrund diffuser Ängste, denen du dich hingibst, anstatt deinem Kind das Beste zukommen zu lassen, was es gibt: Vertrauen in seine Fähigkeiten. Wenn das vorhanden ist, geraten auch Schwierigkeiten und Krisen nicht zu Katastrophen, sondern ermöglichen dem Kind, an ihnen zu wachsen. Unter Leistungsdruck passiert genau das Gegenteil.
Deshalb: Schalte mal ein paar Gänge zurück. Dein Kind wird es dir danken.
Schöne Grüße,
Jule