Gute und schlechte Ängste

Hi,
ich wundere mich gerade über die Berichterstattung im Fernsehen. Kaum ein Kanal auf dem nicht die potentiellen Probleme eines Brexits thematisiert werden. Es wird sogar vorgerechnet, was es kosten könnte.

Ich nehme in etwa diese Aussage wahr:
„EU bricht bei einem Brexit weiter auseinander, Konflikt zwischen Nord- und Südirland könnte wieder eskalieren, Investitionsstop und ökonomischer Stillstand in ganz Europa! Wirtschaft in D bricht um 3% ein, Deutschland muss dann mehr an Brüssel zahlen“

Vorteile gibt es anscheinend für niemanden. Mit jedem Beitrag müsste man eigentlich mehr Angst bekommen!

Wenn ich jetzt mal den Vergleich zum letzten großen politischen Ereignis vor rund einem halben Jahr -Deutschlands offene Grenzen und die weitestgehend ungeregelte Zuwanderung- ziehe, wundere ich mich über das hier völlig konträre Verhalten der Medien.
Bezüglich der Zuwanderung, hatte ich das Gefühl, dass die Medien durchgängig beruhigen wollten.

Ich habe damals etwa diese Aussage wahrgenommen:
"Alles halb so schlimm, wer sich Sorgen macht, gibt damit nur zu, dass er wenig politischen Verstand hat, über Zahlen darf man nicht reden, man muss die Chancen sehen! Eine Vielzahl der Migranten sei hochqualifiziert "

Mir kommt das so konträr vor. Vor rund einem halben Jahr gab es im Fernsehen die Beruhigungspille für jeden, der Angst vor politischer Veränderung in Europa hatte. Jetzt aber wird fast eine Hysterie geschürt, was die mögliche Veränderung in Europa betrifft?!

Habe ich das so falsch wahr genommen? Oder gibt es gute und schlechte Ängste?

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Deine Wahrnehmung teile ich. Der Brexit scheint wesentlich eher den Untergang des Abendlandes nach sich zu ziehen als die massenhafte Zuwanderung von zumeist islamischen Migranten.

Servus,

Du hast vergessen zu erwähnen, dass es in UK Anhänger der vielbösen anglikanischen Kirche gibt, die dem Vernehmen nach zu Ostern römisch-katholische Jungfrauen schlachten, um mit deren Blut ihre Hostien zu backen.

Schöne Grüße

MM

Bei welcher Gelegenheit hätte ich das erwähnen sollen?

Hallo,

Deine Einschätzung über die Berichterstattung teile ich weitgehend.

Allerdings sind auch 1 Mio. „Flüchtlinge“ in D gegenüber einem Brexit ein deutlich kleinere Liga für das Projekt EU. Ein Brexit wäre in zweierlei Hinsicht sehr fatal. Erstens könnte es einen Dominoeffekt auslösen und zweitens könnte es den Druck auf D erhöhen, Forderungen nach einer Transferunion nachzugeben. Das sind wirkliche politische „Schicksalsfragen“. 1 Mio. Flüchtlinge im Vergleich eine vernachlässigbare Größe.

Natürlich. Die der AfD sind böse und die der Grünen, SPD und CDU sind gut. Jedenfalls will man uns das so verkaufen.

Gruß
vdmaster

Der liebe Fisch bekommt mittlerweile schnell „guten“ (Empörungs)Schaum vor dem Mund, wenn er eine Formulierung wie „zumeist islamische Migranten“ liest. Das treibt den Blutdruck in den Gräten auf Beißreflexniveau. :grin:

Und für das „Projekt Deutschland“? Sind da die 1,1 Millionen Migranten aus dem letzten Jahr denn gemäß der Berichterstattung kein wirkliches Problem, während der Brexit eine Katastrophe wäre?

Sie sind ein ganz grosses Problem. Der Brexit könnte sich aber - so es denn zu ihm kommt - längefristig als richtige Katastrophe erweisen.

Von den geschätzten 1,1 Mio. ist der Verbleib von ca. 150.000 nach wie vor unklar. Eventuell sind die längst nicht mehr im Land. Viele werden wieder abreisen, andere werden abgelehnt werden und dann zurückreisen. Die Mehrheit bleibt vorerst. Aber wieviele genau das sind, ist unklar. Entscheidend wird aber sein, wieviele nach drei Jahren wieder gehen müssen und ob sie es tun.

Und ab dem Zeitpunkt werden Vor- oder Nachteile dauerhaft sowie gegeneinander aufgerechnet werden können.

Gruß
vdmaster

Warum das?

Das geht aus meiner ersten Antwort hervor.

Meinst Du diese Punkte:

??

Ein Brexit könnte doch wohl kaum die Ursache für ein Auseinanderbrechen der EU sein?! Der Brexit ist da wohl vielmehr eines der Symptome.
Und warum würde der Brexit den Druck auf Deutschland erhöhen, Forderungen nach einer Transferunion nachzugeben?

Nein, der Brexit wäre („Domino“) dann nur der erste Stein, der fällt. Er wäre ja zwangsläufig die Folge einer Ablehnung der gegenwärtigen (und angedachten) EU. Natürlich kann man darin ein Symptom für eine Fehlentwicklung oder aber Stagnation in der EU sehen. Wir wissen ja nicht, ob der einzelne Brexitbefürworter prinzipiell gegen eine pol. Union ist oder austreten will, weil er seit vielen Jahren vergebens hofft, dass die Union sich demokratisch entwickelt (weniger Macht für Kommission, mehr für das Europ. Parlament) und dann auch einheitliche Aussenpolitik betreibt.

Der Druck in Richtung Transferunion könnte dadurch entstehen, dass GB bei Abstimmungen zukünftig ausfällt. Damit bekämen die südl. Länder zzgl. Frankreich ein grösseres Gewicht. Alles Länder mit hohen Schuldenquoten und mieser Wirtschaftskraft. Seit Jahren wird der Versuch unternommen, nach der Währungsunion auch mehr Sozialunion zu erhalten. Unterm Strich würde dies bedeuten, dass der dt. Michel dann kräftig in die Sozialsysteme dieser Länder einzahlen darf. Hurra, so könnten sie darauf verzichten, ähnliche Reformen wie unsereins ertragen zu müssen. Im Vergleich zu D sind die franz. Sicherungssysteme überreich ausgestattet (z.B. Rente ab 60). Allerdings durch Schuldenmacherei finanziert. Da wäre es doch „prima“, wenn man sich bei fremden Geld bedienen könnte, oder? :angry:

Gruß
vdmaster

Ach, hier hab ich noch ein Thema für „gute“ Ängste http://www.taz.de/Diskussion-um-TTIP-und-Ceta/!5310900/

Damit meine ich TTIP und CETA, die in D (und A) geradezu hysterisch bekämpft werden. Wobei ich nicht unterschlagen will, dass man der Kommission in einem Punkt scharf entgegenarbeiten muss. Es ist für mich ein „NO GO“, dass die Entscheidung nur in Brüssel fallen soll und bspw, der Bundestag aussen vor bleibt. Er muss zustimmen oder die EU-Verträge (der Mitgliedsstaaten) müssen geändert werden. Dann aber ohne Institutionenpfusch wie derzeit.

Gruß
vdmaster

Obwohl ich die Berichterstattung im Fernsehen aufmerksam verfolge, kann ich mich nicht erinnern, dass das Argument „Ohne GB droht uns die Schuldenunion“ in dieser Klarheit genannt worden wäre?!
Hat nicht unser Finanzminister behauptet, dass die EU-Verträge eine derartige Schuldenunion verbieten?!

Hallo,

die können verändert werden und wurden es auch schon oft.

Schuldenunion und Transferunion sind auch nicht deckungsgleich. Der Transfer findet ja bereits statt. D ist Nettozahler im EU-Haushalt. Aber die Sozialversicherungssysteme sind noch außen vor.

Schuldenunion würde die Übernahme der Staatsverbindlichkeiten bedeuten. Oder die Ausschüttung einheitlicher Staatsschuldverschreibungen (Kreditaufnahme).

Gruß
vdmaster

Die EU hat über eine halbe Mrd. Einwohner. Wieviel Flüchtlinge erwartest du denn bitte, dass es solche Folgen haben könnte?
Viele Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak, die ich kenne, sind Christen, Kurden oder Jesiden. Außerdem sind viele (auch muslimische) Syrer deutlich „westlicher“ eingestellt, als so mancher Deutschtürke in 3. Generation…

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Vor allem innerhalb von Großbritannien. Genau die gleichen Argumente, die die Brexit-Befürworter jetzt bringen, könnten später 1:1 von den schottischen Separatisten übernommen werden. Und das Totschlagargument, Schottland wäre ohne GB nicht mehr in der EU, wäre auch vom Tisch. Wenn mich als Brite schon sonst keine Argumente für einen Verbleib überzeugen könnte, würde mich zumindest dieser Punkt nachdenklich machen.

Lg,
Penegrin

per Abstimmung???

Jedenfalls gibt es gute und schlechte Antworten auf Ängste.
Nationalismus ist ein denkbar schlechte, sowohl bei der einen wie der anderen Problemlage.
Insofern kommt mir das, was dir so konträr vorkommt, durch und durch konsistent vor.

Gruß
F.

Natürlich. Im Europäischen Parlament, im Europäischen Rat und je nach nationaler Gesetzeslage auch im Parlament eines Mitgliedsstaates oder ggf. per Referendum.

Gruß
vdmaster