Der geschenkte Gaul
Deshalb die Gegenfrage: Wer würde zu einem „Date“ nackt kommen?
Den Vorschlag machte gewissermaßen Thomas Morus bereits 1516 in „De optimo statu rei publicae deque nova insula Utopia“:
Eine gesetzte und ehrbare Matrone zeigt die zu Verheiratende, sei diese nun Jungfrau oder Wittwe, völlig nackt dem sich um sie Bewerbenden und ein ehrenwerter Mann zeigt umgekehrt den völlig nackten Werber dem Mädchen.
Während wir aber diese Sitte als eine unschickliche verlachten und mißbilligten, wundern sich die Utopier hingegen über die hervorragende Torheit aller übrigen Völker, die, wenn sie ein erbärmliches Pferd erstehen wollen, wo es sich nur um wenige Geldstücke handelt, so ungemein vorsichtig sind, dass sie sich weigern, es zu kaufen, obwohl das Tier von Natur fast nackt ist, wenn nicht auch noch der Sattel abgehoben wird und die Pferdedecken und Schabracken entfernt werden, weil unter diesen Bedeckungen ja ein Geschwür verborgen sein könne — in der Auswahl der Gattin aber, woraus Lust oder Ekel für das ganze Leben folgt, so fahrlässig verfahren, dass sie die Frau kaum nach einer Spanne Raum (da ja außer dem Gesicht nichts zu sehen ist), bei sonst völlig in Kleider eingehülltem Körper beurteilen und abschätzen und eine Verbindung mit ihr schließen, nicht ohne große Gefahr eines elenden Zusammenlebens, wenn hinterdrein anstößige Gebrechen an ihr entdeckt werden.
Denn alle Männer sind durchaus nicht Weise in dem Maße, dass sie bloß auf den sittlichen Wert sehen, und auch in den Ehen der Weisen bilden körperliche Vorzüge eine nicht unwillkommene Zugabe zu den Tugenden des Geistes und Gemütes.
Unter allen jenen Hüllen kann ja eine so abschreckende Häßlichkeit verborgen sein, dass sie das Gemüt des Mannes seiner Frau ganz und gar zu entfremden vermag, wenn schon eine Scheidung von Tisch und Bett nicht möglich ist. Wenn nun diese Häßlichkeit zufällig erst nach geschlossener Ehe entdeckt wird, muß Jeder eben sein Los tragen; es ist daher Sache der Gesetze, Vorsorge zu treffen, dass einer nicht in eine solche Falle gerate, und es war das um so ernstlicher zu berücksichtigen, weil von allen in jenen Weltteilen gelegenen Völkern sie allein sich mit einer Gattin begnügen und die Ehe selten anders als durch den Tod gelöst wird, wofern nicht ein Ehebruch vorliegt, oder der eine Ehepart einen unausstehlichen Charakter hat.
Quelle: http://www.textlog.de/34383.html
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