Luxemburg und Brecht revisited
das gedicht von brecht kenn ich, aber in welchem zusammenhang
steht denn das zitat von rosa luxemburg?
Rosa Luxemburg hat mit ihrem Ausspruch nur die Andersdenkenden innerhalb des kommunistischen Blocks gemeint. Sie selber hat dem Satz, der ja inzwischen vielfach aufgegriffen wurde, nie viel Bedeutung beigemessen und ihn nur in einem unvollendeten Manuskript über die Russische Revolution verwendet.
Daß sie mit Toleranz nicht viel am Hut hatte, ergibt sich auch aus einem Aufruf vom 24.11.1918: „Der Diktatur des Proletariats gehört der Tag und die Stunde. Wer sich dem Sturmwagen der sozialistischen Revolution entgegenstellt, wird mit zertrümmerten Gliedern am Boden bleiben.“
Um es vollständig zu machen, hier noch für alle anderen der Hintergrund zu der Brechtgeschichte:
Der vielzitierte Satz „Stell´ Dir vor, es gibt Krieg und keiner geht hin“ stammt in Wirklichkeit nicht von Brecht, sondern wurde in den 70er Jahren von einem unbekannten Lektor dem Gedicht „Wer zu Hause bleibt“ vorangestellt. In der Originalfassung von Brecht steht genau das Gegenteil von dem, was die meisten Leute, die sich dieses „Zitates“ bemächtigen, aussagen wollen:
„Wer zu Hause bleibt, wenn der Kampf beginnt, und läßt andere kämpfen für seine Sache, der muß sich vorsehen, denn: Wer den Kampf nicht teilt, wird teilen die Niederlage. Nicht einmal den Kampf vermeidet, wer den Kampf vermeiden will: Denn er wird kämpfen, für die Sache des Feindes, wer für seine eigene Sache nicht gekämpft hat.“
Und wo isch schon dabei bin, einer fällt mir gerade noch ein: „Erst wenn der letzte Baum gefällt ist …“ ein. Dieser stammt angeblich aus einer Rede des Indianerhäutlings Seattle aus dem Jahre 1854. Diese Rede wird auch in dem Film „Söhne der Erde“ (1972) aufgegriffen bzw. nachgespielt. Dem Drehbuchautor Ted Perry reichte die Dramatik der echten Rede wohl nicht aus, so daß er es vorzog einige Sätze ganz im Sinne seiner eigenen Weltanschauung hinzuzufügen, unter anderem eben die quasi-Hymne der Umweltschützer aus den 70er und 80er Jahren.
Was insofern interessant ist, als daß damit eigentlich drei der entscheidenden Phrasen der Weltverbesserer das Ergebnis von Geschichtsfälschern sind und beileibe nicht aus so edlen Quellen stammen, wie das immer behauptet wurde.
Was natürlich nichts daran ändert, daß das durchaus markige Sprüche sind. Nur sind sie eben so bzw. diesem Sinne nicht gesagt worden.
Gruß
Christian