Heilige Mütter-Trias

Hallo!
Eine Notiz über die Restauration und Öffnung der Kirche S. Maria Antiqua auf dem Forum Romanum in Rom in den ersten Novembertagen rief in mir eine alte Frage wieder zutage.
Vor einigen Jahre sah ich in einer apsisartigen Nische in dieser allgemein nicht zugänglichen Kirche ein Fresko mit einer Art - ich möchte sagen: - Anna-Selbdritt- Darstellung:
in der Mitte Maria mit dem Jesuskind in einem mandorlaartigen Madaillion, flankiert links von ihrer Mutter Anna mit Maria als Kind und rechts von Elisabeth mit dem Johannesknaben.
Es gibt viel Zufälliges und man muss nicht hinter allem uralte Bezüge vermuten. Aber weil Frauen-Dreieinigkeiten nicht ganz so selten sind, wäre ich dankbar, wenn jemand mitteilen könne, ob solche Darstellungen von drei Müttern alte Vorbilder haben.
Ps.: Dass wir hier schon einmal über die alpenländische Trias der heiligen Libet-Houbet-Quäret beschrieben haben, habe ich noch in Erinnerung.

Freundlichen Gruß!
H.

Hallo Hannes,

Aber weil Frauen-Dreieinigkeiten nicht ganz so selten sind, wäre ich dankbar, wenn jemand mitteilen könne, ob solche Darstellungen von drei Müttern alte Vorbilder haben.

Tatsächlich ist der gesamte europäische Raum vor- und außerchristlich mit weiblichen Triaden gut versorgt. Und die Mutter-Kind-Idylle findet sich speziell im Mittelmeerraum in zahlreichen Varianten - sowohl synkretistisch (wie z.B. der Marienkult ja ebenfalls) als auch originär. Aber eine Mutter+Kind-Trias ist mir noch nicht begegnet.

Ist nicht die Trias in Maria Antiqua selbst auch ein Unikum? Gibt es ähnliches aus späterer Zeit? Zumals es ja auch gemogelt ist, denn Maria ist ja doppelt enthalten …

Gruß
Metapher

Parzen / Matronae
Hi Hannes.

Es gibt viel Zufälliges und man muss nicht hinter allem uralte
Bezüge vermuten.

Aber man könnte. Es gab im keltisch-germanischen Bereich einen Drei-Mütter-Kult, bei dem (Reliefbildern zufolge) drei Frauen mit Fruchtkörben auf ihrem Schoß als Fruchtbarkeitsgöttinnen (suleviae) verehrt wurden. Als die Römer das Terrain eroberten, vermischten sie dort diesen Kult mit einem eigenen, dem Kult um die Parzen Nona, Decima und Parca, welche in der ursprünglichen römischen Religion Geburtsgöttinnen (pario = gebären) waren, denen man später Merkmale der griechischen Moiren gab.

Es gab also einen in den Nordprovinzen verbreiteten Mischkult aus römischen und keltisch-germanischen Elementen, siehe

http://journeyingtothegoddess.files.wordpress.com/20…

und

http://theses.univ-lyon2.fr/documents/getpart.php?id…

Chan

Hallo,

Tatsächlich ist der gesamte europäische Raum vor- und
außerchristlich mit weiblichen Triaden gut versorgt.

ist zwar schon leicht ot (es geht nicht um ‚Mütter‘), aber in diesem Zusammenhang möchte ich auf den Eintrag über die ‚Beden‘ verweisen, die mir als ehemaligem Wormser da natürlich als erstes einfallen. Auch, weil der Artikel ein paar interessante Anmerkungen zur kürzlich diskutierten Ausrichtung von Kirchen enthält: http://www.heiligenlexikon.de/BiographienW/Warbede.html

Bei S. Maria Antiqua ist sicher eher an einen Bezug zum (im verlinkten Artikel ebenfalls erwähnten) römischen Matronenkult zu denken.

Freundliche Grüße,
Ralf

Urd, Verdani und Skuld
Hallo Hannes,

aus der nordischen Mythologie sind uns die drei Nornen Urd, Verdani und Skuld überliefert. Erst mit der Christianisierung etwa um die 1000 Jahres-Wende gingen die Kenntnisse darüber großteils verloren.

Gruß,
FraLang

St. Maria Antiqua

Vor einigen Jahre sah ich in einer apsisartigen Nische in dieser allgemein nicht zugänglichen Kirche ein Fresko mit einer Art - ich möchte sagen: - Anna-Selbdritt- Darstellung: in der Mitte Maria mit dem Jesuskind in einem mandorlaartigen Madaillion, flankiert links von ihrer Mutter Anna mit Maria als Kind und rechts von Elisabeth mit dem Johannesknaben.

Hier sind die 5 Hübschen: http://fe.fondazionezeri.unibo.it/foto/40000/6000/56…

die Matronen

möchte ich auf den Eintrag über die ‚Beden‘ verweisen

Diese und andere weibliche Triaden hierzulande waren auch hier im Brett schon zahlreich Thema.

die mir als ehemaligem Wormser da natürlich als erstes einfallen.
http://www.heiligenlexikon.de/BiographienW/Warbede.html

Klar, und mir als Ur-Rheinländer liegen ähnlich die Matronen näher: Ihr sog. „Kult“ hatte ja - neben Süditalien - gerade hier im Raum Köln, Bonn und Eifel sein Zentrum. Fünfe von ihren zahllosen Beinamen waren allein in meiner Stadt zu Hause (Andrusteihiae, Atufrafinehae, Ineae, Renahenae) und eine der berühmtesten Stelen der Aufaniae fand man unter dem Bonner Münster: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:AUFAN1.jpg

Die Frauen-Triaden, die ich als eine indoeuropäische Tradition ansehe, haben ja eine große Vielfalt des mythischen Themas: Schicksalsweberinnen, Rache- und Glücksgöttinnen, Dämoninnen, und vor allem die Alterstriade: Jungfrau, die reife Frau mit entweder Erotik- oder Mutter-Signatur, die alte Frau mit Weisheits-Signatur.

Triaden, die mir gerade so einfallen:
Parcae(Parzen)
Moirai(Moiren)
Nornir(Nornen)
Gorgonen
Erinyen
Charites(Chariten)
Gratiae(Grazien)
und dann natürlich die schon genannten Bethen alias Beden
und nicht zu vergessen die drei Göttinnen Athena, Aphrodite und Hera, die um den Titel der Miss Universum streiten und damit einen Weltkrieg auslösen …

Von allen aber scheinen mir die Matronen-Triaden dem von Hannes erwähnten Fresco am nächsten zu kommen: Die Trade besteht aus deine Jungfrau in der Mitte, begleitet von der gebährfähige bzw verheirateten Frau und der alten Frau. Es ist also eine Altersstufentriade, und sie halten allerlei unterschidliche Typen von vegtarischen Symbolen in den Händen.

Aber ein weiteres Beispiel einer Altersstufen-Triade, bei denen alle drei mitsamt einem Kind dargestellt werden - und danach fragte Hannes ja, soweit ich ihn verstand - findet sich weit und breit nicht, weder früher noch später.

Gruß
Metapher

Keltische Göttinnen

aus der nordischen Mythologie sind uns die drei Nornen Urd,
Verdani und Skuld überliefert. Erst mit der Christianisierung
etwa um die 1000 Jahres-Wende gingen die Kenntnisse darüber
großteils verloren.

Die Nornen gehören natürlich nicht direkt in die mütterliche Kategorie. Sie sind Teil der nordischen, also germanischen Mythologie, die sich vermutlich später entwickelte als die keltische. Die meisten Forscher neigen zur Ansicht, dass der Drei-Mütter-Kult ein ursprünglich keltischer Brauch war, der von den Germanen und später von den Römern übernommen wurde. Es gibt also weder einen rein germanischen noch einen rein römischen Drei-Mütter-Kult. Von „Matronenkult“ spricht man nur, weil die Römer diesen Brauch weit verbreitet hatten.

Ob die keltische Dreier-Konstellation durch den nordischen Nornenmythos beeinflusst wurde, ist unwahrscheinlich, da die keltischen Mythen, wie gesagt, älter sind.

Ihren Ursprung dürften die keltischen Muttergottheiten (Fruchtbarkeitsgöttinnen) in den Kulten der archaischen matriarchalischen Gesellschaften haben, welche eine Muttergottheit (die Große Göttin) verehrten. Von dieser übernahmen sie auch die Vielfalt ihrer Funktionen (Fruchtbarkeit, Schutz, Segen).

Dass der keltisch/germanisch/römische Mutterkult zu späteren christlichen Verarbeitungen des Themas führte (z.B. Verehrung der „Drei Marien“ Maria Magdalena, Maria Salome und Maria Jacobi im mittelalterlichen Frankreich), wird von der Wissenschaft nicht bezweifelt.

Chan

Die meisten Forscher neigen zur Ansicht, dass der

Drei-Mütter-Kult ein ursprünglich keltischer Brauch war, der
von den Germanen und später von den Römern übernommen wurde.

Hi Ch’an,
ich bin ziemlich raus aus der Keltologie, könntest du mir hier vielleicht eine Quelle nennen ?

thx, sober

Suleviae

ich bin ziemlich raus aus der Keltologie, könntest du mir hier
vielleicht eine Quelle nennen ?

Wie ich schon in meiner erster Antwort schrieb, hießen besagte keltische Göttinen suleviae. Info über sie erhältst du hier:

http://de.wikipedia.org/wiki/Suleviae

Die Suleviae oder Suleiviae sind eine Gruppe von Göttinnen, die von den Kelten verehrt wurden. Von ihnen sind etwa 40 epigraphische Zeugnisse bekannt, vor allem vom östlichen Gallien, aber auch von Britannien, in den beiden Provinzen Niedergermanien und Obergermanien, dann Noricum und auch in Rom.

Chan

Guten Abend!

Hier sind die 5 Hübschen:
http://fe.fondazionezeri.unibo.it/foto/40000/6000/56…

Sollten wir nicht die Sechse grade sein lassen?
Mir will scheinen, es sind 3x2. Auch Maria hält ein Kind: das in der Mandorla. Vielleicht sitzt sie sogar (das wär dann die Thron-Allegorie), wie man wegen der etwas ausgebeult erscheinenen Knie vermuten könnte.

Oder wo siehst du 3 x 2 - 1?

Die Erklärung mit den drei Matronae verschiedenen Alters ist einleuchtend. Ich hatte bei den Fresken auch an die Seherin Hanna gedacht; aber dazu müsste es dann doch irgendeinen Anhaltspunkt geben.
Ob man in einer apokryphen Schrift einen Hinweis findet?

Mit bestem Dank für den ungewöhnlichen Fund! Ich konnte damals nicht fotographieren, abhängig von einer Sondererlaubnis und dem Kustoden mit der Schlüsselgewalt.
H.

http://fe.fondazionezeri.unibo.it/foto/40000/6000/56…

Sollten wir nicht die Sechse grade sein lassen?
Auch Maria hält ein Kind: das in der Mandorla.

Ja, klar. Und die Kleine Tochter der Anna ist ebenfalls Maria. Also sind es nur 5 verschiedene Personen. Maria 2 mal.

Übrigens auch bei den von mir erwähnten Matronae (die btw., was ich zu erwähnen versäumte, mit den Matrae nicht identisch sind, wie z.B. Wiki behauptet) trägt in manchen Votivtafeln ebenfalls einen Säugling. Die begleitenden älteren Frauen aber nicht.

Ich hatte bei den Fresken auch an die Seherin Hanna gedacht; aber dazu müsste es dann doch irgendeinen Anhaltspunkt geben.

Ob man in einer apokryphen Schrift einen Hinweis findet?
Die Seherin Hanna ist wohl in Lukas 2.36 eine singuläre Erwähnung. Wo Lukas das her hat, wird bei Lukas-Kommentatoren als unbekannt betrachtet. Die ebenfalls hochbetagte Maria-Mutter (H)anna ist jedoch Thema in dem rührigen „Protoevangelium des Jakobus“.

Interessant in diesem Zusammenhang ist ja, daß „Hanna“ bzw. „Anna“ die griech.-lat. Form der hebräischen „Channah“ ist.

Gruß
M.

Matronae vs. Suleviae

Übrigens auch bei den von mir erwähnten Matronae (die btw.,
was ich zu erwähnen versäumte, mit den Matrae nicht identisch
sind, wie z.B. Wiki behauptet)…

Wenn du damit meinst, dass die Matronae mit den keltisch-germanischen Mutergottheiten, den Suleviae, nichts zu tun haben, was meiner bescheidenen Darstellung natürlich widerspricht, dann wäre ich für eine Begründung der Nicht-Identität dankbar.

Ich zitiere aus einem in meiner ersten Antwort verlinkten Text sowie aus zwei Artikeln (Uni-Protokolle, Wiki):

http://theses.univ-lyon2.fr/documents/getpart.php?id…

_The ‘ Mothers’ are also equated with the Roman Parcae, Fatae or Fatae. Two dedications from Britain exemplify this connection. The first one was found on the shore at Skinburness, near Silloth (Cumbria): Matribu[s] Par(cis) […], ‘To the Mothers the Fatae’,457 and the other in Carlisle (Cumbria): Matrib(us) Parc(is) pro salut(e) Sanctiae Geminae, ‘To the Mother Goddesses, the Fatae, for the welfare of Sanctia Gemina’ (fig. 19).458 Another noteworthy example is that of the Matronae Dervonnae ‘Mother Goddesses of the Oak’, venerated in Milan (Italy): Matronis Dervonnis C(aius) Rufinus Apronius vslm, ‘To the Matronae Dervonnae, C(aius) Rufinus Apronius paid his vow willingly and deservedly’,459 who are given the title of Fatae in an inscription from Brescia (Italy): Fatis Dervonibus vslm M(arcus) Rufinius Severus, ‘To the Fatae Dervonnae Marcus Rufinus Severus paid his vow willingly and deservedly’.460 This example shows that the terms Matronaeand Fatae are connected with one another and that the Mothers’were believed to share some of the functions of the Roman female deities.

http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Matrone.html

Eine Matrone (von lat: Matronae Matres Matrae: Mütter ) ist eine Muttergottheit welcher zwischen dem ersten und fünften Jahrhundert Votivsteine und Altäre errichtet wurde. Über 1100 Matronennamen sind bekannt etwa die Hälfte von germanischen Inschriften. Dennoch ist der Matronenkult nichts ausschließlich germanisches sondern im ganzen keltischen Bereich vertreten._

http://de.wikipedia.org/wiki/Keltische_Gottheiten

Der Typus der Muttergottheiten (Matres, Matrae, Matronae)[22] ist im gesamten Celticum verbreitet. Vor allem in den keltisch besiedelten Gebieten des Römischen Reiches sind vom 2. bis zum 4. Jahrhundert n. Chr. über 1000 entsprechende Funde registriert. Diese Göttinnen sind alte Fruchtbarkeits-, Heil- und Lokalgottheiten, die vermutlich bereits in vorkeltischer, eventuell schon vorindogermanischer Zeit ihren Ursprung haben, wie einige Menhir-Statuen andeuten könnten.

Chan

Hallo Chan,
inwiefern nun zwischen Matrae oder Matres und Matronae zu differenzieren ist, ist auch mir nicht bekannt. Dass jedenfalls Parcae und Matronae nicht schlicht gleichzusetzen sind, ist allerdings eine andere Sache. Ich fühle mich jetzt nicht animiert, nach den frühesten Belegen für einen Kult der Parcae / Fatae zu suchen; zumindest ein Kult der Nona (damals noch Neuna genannt) ist schon um 300 v.u.Z. in der Gegend von Lavinium epigraphisch (durch drei beschriftete Altäre) belegt. In der Literatur werden sie von Marcus Terentius Varro (116 - 27 v.u.Z.) erwähnt, überliefert durch Aulus Gellius Noct. Att. III, 16, 9-10, wobei Gellius in Noct. Att. III, 16, 11 noch auf den zwar deutlich jüngeren Caesellius Vindex verweist, der seinerseits jedoch Lucius Livius Andronicus (gest. um 200 v.u.Z.) zitiert.

"Antiquos autem Romanos Varro dicit non recepisse huiuscemodi quasi monstruosas raritates, sed nono mense aut decimo neque praeter hos aliis partionem mulieris secundum naturam fieri existimasse, idcircoque eos nomina Fatis tribus fecisse a pariendo et a nono atque decimo mense. „Nam „Parca““ inquit „inmutata una littera a partu nominata, item „Nona“ et „Decima“ a partus tempestivi tempore.“ Caesellius autem Vindex in lectionibus suis antiquis: „tria“ inquit „nomina Parcarum sunt: „Nona“, „Decuma“ „Morta“, et versum hunc Livii, antiquissimi poetae, ponit ex Odysseiai: quando dies adveniet, quem profata Morta est. Sed homo minime malus Caesellius „Mortam“ quasi nomen accepit, cum accipere quasi Moeram deberet.“

Das alles ist deutlich älter als jeder greifbare Beleg für den germano-keltischen Matronenkult, auch wenn dessen territoriale Verbreitung einen Zusammenhang mit der La-Tène-Kultur als nicht unwahrscheinlich erscheinen lässt. Nichtsdestotrotz gehört das in den Bereich der Spekulation.

Was das hier angeht:

The ‘Mothers’ are also equated with the Roman Parcae

… so ist dazu anzumerken, dass so, wie in der interpretatio romana Parcae und Moiren „gleichgesetzt“ (equated) wurden, eben auch beispielsweise keltische Götter mit römischen identifiziert wurden, so etwa von C. Iulius Caesar Lugh mit Mercurius. Von „Identität“ ist das aber weit entfernt.

Aber Du bist mit Deinem Irrtum in guter Gesellschaft - auch Bischof Burchard von Worms bezeichnete im 11. Jahrhundert den in seiner Diözese sich vor allem bei Frauen hartnäckig haltenden Matronenkult (als Bethen / Beden christianisiert) als heidnischen Glauben an die „Parcae“…

Freundliche Grüße,
Ralf

2 Like

Suleviae, Matronae, Parcae
Hi Ralf.

inwiefern nun zwischen Matrae oder Matres und Matronae zu differenzieren ist, ist auch mir nicht bekannt. Dass jedenfalls Parcae und Matronae nicht schlicht gleichzusetzen sind, ist allerdings eine andere Sache.

Meine Frage an Metapher betraf den Zusammenhang von Matres und Matronae. Er meint, sie seien nicht identisch. Mehrere Internetquellen aber betonen die Identität.

Hier z.B. werden Matres und Matronae gleichgesetzt. Es wird auch auf den von mir schon erwähnten keltischen Ursprung des Drei-Mütter-Kultes hingewiesen:

http://www.livius.org/man-md/matronae/matronae.html

The cult of the three matres or matronae (both words mean ‚mothers‘) is known from Gaul (including Germania Inferior and Superior), northern Spain, and northern Italy. This region is more or less identical to that of the La Tène-culture (the Celts), which suggest a Celtic origin of this cult, which is only known from the Roman age.

Ich fühle mich jetzt nicht animiert, nach den frühesten Belegen für einen Kult der Parcae / Fatae zu suchen; zumindest ein Kult der Nona (damals noch Neuna genannt) ist schon um 300 v.u.Z. in der Gegend von Lavinium epigraphisch (durch drei beschriftete Altäre) belegt.

Du hast mich anscheinend dahingehend missverstanden, dass ich den Parzenkult für den Ursprung des Matronenkultes halte, was ich aber nicht tue. Auf den Zusammenhang zwischen Parzen- und keltischem Drei-Mütter-Kult habe ich in meiner ersten Antwort ebenfalls schon hingewiesen. Der Parzenkult spielt in der Herkunftsfrage des Matronenkultes eigentlich nur eine sekundäre Rolle, d.h. die Römer fanden in den Nordprovinzen den keltisch-germanischen Drei-Mütter-Kult um die Suleviae vor und vermischten ihn mit dem Parzenmythos, was nicht nur wegen der 3-Zahl passte, sondern auch wegen der ursprünglichen Funktion der Parzen als Geburtsgöttinnen (parcio = gebären, erzeugen).

Die Herkunft der Matronae aus den Suleviae wird auf dieser Seite belegt:

http://www.rid24.de/inschriften/weihinschriften/deta

Die Suleviae sind Göttinnen, die wohl mit den Matronen gleichzusetzen sind, ohne explizit als solche bezeichnet zu werden.

Inschrift auf einem römischen Altar:

Den Suleviae gesetzt von Gaius Iulius Severus.

Wie es zu den christlichen Drei-Mütter-Variationen kam, kann man also so rekonstruieren:

  1. keltischer Drei-Mütter-Kult, dann
  2. Übernahme durch die Germanen, dann
  3. Übernahme durch die Römer, welche den Kult mit ihrem Parzenmythos kombinierten, dann
  4. (thematische) Übernahme durch die Christen (frz. Drei-Marien-Kult usw.)

Hinweise auf die Schritte 1-3 gibt es im Net zuhauf. Nur ein weiteres Beispiel:

http://www.kreis.aw-online.de/kvar/VT/hjb1960/hjb196

_Matronenkult im Rheinland

Die römischen Eroberer fanden in unserer Heimat den uralten kelto=germanischen Kult der Dreimütter vor. Tolerant, wie sie waren, ließen sie ihn bestehen und machten ihn sich zu eigen. Ganz fremd war er ihnen nicht. Die immer in der Dreizahl erscheinenden Suleviae, von den Römern als Matronae bezeichnet, entsprachen in etwa den römischen Parzen._

Das alles ist deutlich älter als jeder greifbare Beleg für den germano-keltischen Matronenkult, auch wenn dessen territoriale Verbreitung einen Zusammenhang mit der La-Tène-Kultur als nicht unwahrscheinlich erscheinen lässt. Nichtsdestotrotz gehört das in den Bereich der Spekulation.

Ich denke, dass zitierte Inschriften-Seite zeigt, dass ein unmittelbarer Zusammenhang von keltischem und römischem Kult besteht und dass keine Notwendigkeit gegeben ist, den Matronenkult auf den Parzenkult zurückzuführen, was ich ja auch nie behauptet habe.

Aber Du bist mit Deinem Irrtum in guter Gesellschaft - auch Bischof Burchard von Worms bezeichnete im 11. Jahrhundert den in seiner Diözese sich vor allem bei Frauen hartnäckig haltenden Matronenkult (als Bethen / Beden christianisiert) als heidnischen Glauben an die „Parcae“…

Ob diese Gesellschaft nun gut wäre oder nicht - sie besteht nicht. Ich sage (und habe es begründet), dass der Matronenkult primär auf den keltischen Drei-Mütter-Kult zurückgeht, nicht auf den Parzenkult.

Chan

Korrigierte Links
Zwei korrigierte Links aus dem unteren Artikel:

http://www.rid24.de/inschriften/weihinschriften/deta…

http://www.kreis.aw-online.de/kvar/VT/hjb1960/hjb196…

eigentlich dachte ich an eine andere Quelle als Wiki. Dort habe ich mich selbstverständlich selbst schon erkundigt. Egal.

grüße, sober

weibliche Triaden

Matronae (die btw. … mit den Matrae nicht identisch sind

Wenn du damit meinst, dass die Matronae mit den keltisch-germanischen Mutergottheiten, den Suleviae, nichts zu tun haben, was meiner bescheidenen Darstellung natürlich widerspricht, dann wäre ich für eine Begründung der Nicht-Identität dankbar.

Nein. Damit war gemeint, daß die Regionen, in denen die Inschriften der gefundenen Reliefstelen jeweils auf Matrae oder auf Matronae verweisen, sehr deutlich separiert sind. Das gilt auch für alle anderen Benennungen der Triaden-Funde im keltischen und germanischen Raum. M.a.W. die Suleviae als „_ die _ keltisch-germanischen Muttergottheiten“ zu bezeichnen, ist ganz und gar abwegig.

Da gibt es nämlich nicht nur die Suleviae: Matronae, Matrae, Nymphae, Proxumae, Junones, Macha … sie alle haben andere Fundverteilungskarten, die sich nur teilweise überlappen, und sie sind, der Signatur der Figuren und dem Text der Inschriften nach nicht unbedingt lediglich synonym. Sie haben auch jeweils zu unterscheidende Zuständigkeiten: Erdgöttinnen, Quellgöttinnen, Schützerinnen des Hausse bzw. Hausherdes, direkte „Mutter“-Signaturen, die sich auf Schutz und Bestand der Familie und des Nachwuchses beziehen, und Schicksalsgöttinnen (bei denen die Konnotation als Schickslsweberinnen mutmaßlich eindeutig aus römischen und griechischen Assoziationen stammen).

Auf einige ganz andere weibliche Triaden-Traditionen aus dem indoeuropäischen Raum habe ich ja unten hingewiesen.

Wer jeweils Aufsteller der Stelen war, ob autochthone Bevölkerung, Besatzungssoldaten usw. muß dann zusätzlich noch berücksichtigt werden. Dabei sind keltische und germanische Inschriften, auch im Kontext der jeweiligen Fundorte, gut trennbar. Römische Inschriften dagegen nicht unbedingt. Und diese lassen auch nicht immer den Schluß zu, daß bei ihnen mit den Triaden die römischen Parcae bzw Fatae gemeint sind.

Auf diese Komplikationen in der Traditions-Deutung hat bereits Jan de Vries hingewiesen („Altgermanische Religionsgeschichte“, 1957; „Keltische Religion“, 1961). Vor allem die ungeheure Vielfalt der Beinamen der in den Inschriften vermerkten Frauengruppen - zusätzlich zu den slawischen, römischen und griechischen Triaden, die neben den oben genannten Konnotationen noch ganz andere haben, z.B. Dämonen oder Inbegriffe von Schönheit, Weisheit oder Glück - lassen die starke Vermutung nahelegen (ich würde das nicht unbegingt „Spekulation“ nennen), daß dem

  1. eine allgemeine (zumindest west-)indoeuropäische Konzeption weiblicher Triaden zugrunde liegt, und daß
  2. auch schon eine autochthone vor-indogermnanische Kultform diese Art existierte.
    Auf Letzteres findet man Hinweise unter anderem darin, daß viele der Beinamen weder aus keltischen, noch aus germanischen Sprachen zu erschließen sind und viele auf Orts- und Regionsnamen verweisen, die mit keiner historisch nachweisbaren Namensgebung identifizierbar sind.

Jedenfalls gibt es keinen Hinweis darauf, daß die Kelten die „Erfinder“ solcher Triaden sind, zumal die historischen Dokumente, wie die Ausführung von Ralf ja auch zeigen, bei den italischen Völkern viel älter sind, und bei den Griechen ja ebenfalls.

Wer sich für den aktuellen Forschungsstand in diesen Fragen interessiert, sei auf die fleißige Dissertation 2009 von Noémie Beck an der Université Lyon verweisen:
Goddesses in Celtic ReligionCult and Mythology: A Co….

Aus der hast du (Chan) übrigens auch bereits einen Link gesetzt (Chap.1 VI B), vermutlich ohne es zu wissen.

Gruß
Metapher

1 Like

Hallo,

für die Behauptung

Die meisten Forscher neigen zur Ansicht, dass der Drei-Mütter-Kult ein ursprünglich keltischer Brauch war, der von den Germanen und später von den Römern übernommen wurde.

gibt es keinen ernstzunehmenden Beleg. das „Die meisten Forscher …“ ist lediglich ein von diesem Poster gern gebrauchtes Dictum.

Ansonsten siehe mein Literaturhinweis im Artikel /t/heilige-muetter-trias/7031799/6

Gruß
Metapher

Hallo Chan,
erwartungsgemäß hat es nicht lange gedauert, bis diese Diskussion anfängt, mir auf die Nerven zu gehen.

inwiefern nun zwischen Matrae oder Matres und Matronae zu differenzieren ist, ist auch mir nicht bekannt. Dass jedenfalls Parcae und Matronae nicht schlicht gleichzusetzen sind, ist allerdings eine andere Sache.

Meine Frage an Metapher betraf den Zusammenhang von Matres und
Matronae.

Und was sollte dann genau diesem Zusammenhang bitteschön das von Dir beigebrachte Zitat:

The ‘Mothers’ are also equated with the Roman Parcae, Fatae or Fatae.

usw. usf. ??? Also - entweder hast Du da willkürlich irgend ein Fundstück zitiert, das zur Klärung der „Identität“ oder Nichtidentität von Matres und Matronae nicht das Geringste beiträgt oder aber Du hast das als Beleg dafür gebracht, dass die Parcae / Fatae mit wem auch immer zu „identifizieren“ seien - matres oder matrae oder sulevia, whatever.

Das ist natürlich Unsinn, aber dass man Dir solchen unterstellt, liegt ausschließlich an Dir. Es passt ja auch dazu, wie Du das alles auch noch völlig undifferenziert mit den Suleviae durcheinander würfelst, auch hier:

Die Herkunft der Matronae aus den Suleviae wird auf dieser Seite belegt

Von „Herkunft“ kann schon deswegen nicht die Rede sein, weil beide Kulte nicht nacheinander, sondern gleichzeitig existierten. Davon abgesehen handelt es sich bei den Suleviae nicht um eine Gruppe (i.e. Triade), sondern um eine Klasse von Göttinnen. Übrigens keine Muttergöttinnen, sondern Schutzgöttinnen und in dieser Hinsicht am ehesten noch den römischen Iunoniae verwandt. Bei diesen gibt es dann wiederum neben der bekannten Iuno Moneta, der schon sehr früh evozierten Iuno Populonia und anderen eine Anzahl spezifischer Schützerinnen von Frauen, so die Iuno Fluonia, Iuno Pronuba, Iuno Opigenia, Iuno Lucina usw. Speziell die letzte (und nur sie) kann man als Muttergöttin (die vorletzte ist eine Schützerin der Gebärenden) bezeichnen und tatsächlich hat auch die Iuno Lucina die Parcae im römischen Kultus allmählich verdrängt. Was aus den Iunoniae allerdings noch lange keine Gruppe von Muttergottheiten macht und schon gar keine Triade. Und eben genau dasselbe gilt auch für die Suleviae - übrigens epigraphisch gerne (fast immer als einzelne Göttin) von Angehörigen gallorömischer Auxiliae angerufen, gerne zusammen mit der Pferdegöttin Epona (es handelte sich idR um berittene Truppen). Gallische Krieger, die Muttergöttinnen anrufen? Wohl kaum - hier wird der schon erwähnte Charakter der Schutzgöttin deutlich.

Das hier:

Die Suleviae sind Göttinnen, die wohl mit den Matronen gleichzusetzen sind, ohne explizit als solche bezeichnet zu werden.

… kannst Du jedenfalls in die Tonne treten.

Interessantes Thema, aber mir reicht’s wieder mal …

Freundliche Grüße,
Ralf

2 Like