Mit Dekadenz bezeichnet man gemeinhin ein durchaus negatives Maß an Luxus, der Ausdruck eines (allgemeine) Verfalls der gesellschaftlich-kulturellen Sitten ist. Nun hat der Mann, der im Jahr die ein oder andere Million verdiente, 1200 Euro für ein Steak ausgegeben - also weniger als ein Promille seines Jahreseinkommens. Das ist durchaus das, was der ein oder andere für ein normales Steak ausgibt. Also kannst Du eigentlich mit Dekadenz nicht das Verhältnis von Preis zu Einkommen gemeint haben. Also ist es wohl der absolute Betrag, den die Mahlzeit gekostet hat. Wenn man wiederum bedenkt, dass man in Restaurants mit 1-2 Michelin-Sternen auch gerne mal 500 Euro für ein Menü ausgibt, frage ich mich halt, wo für Dich die Grenze zur Dekadenz verläuft.
Wenn Du die Klärung Deiner persönlichen Definition eines von Dir verwendeten Begriffes für nutzlos hältst: OK.
Um den Zusammenhang zu verstehen, hilft wie so oft ein Blick in den Grimm:
Der Hudel ist ein schäbiger Lappen (wie man ihn aufgrund des Drecks und der Hitze zum Hudeln nimmt) und im übertragenen Sinn ein liederlicher Mensch, der dementsprechend schlampig arbeitet.
Da sind wir beim Punkt.
Ich ARBEITE für mein Geld.
Ob dieser Typ hart dafür gearbeitet hat und sein Geld auch wirklich verdient hat, oder durch Gerissenheit, Intelligenz, Erbschaft oder sonstwie dazu gekommen ist, weiß ich nicht.
Ich kenne einige (relativ) reiche Menschen, die würden nicht auf solche schwachsinnige Ideen kommen.
Bitte fange jetzt nicht an, mir Sozialneid zu unterstellen, das liegt irgendwie in der Luft.
Der Mann ist Fußballspieler. Ob Sport nun eine Arbeit im herkömmlichen Sinne ist, sei dahingestellt, aber offensichtlich führt das, was er tut, bei seinem Arbeitgeber zu einer Wertschöpfung, die es ihm ermöglicht, ein derartiges Gehalt zu zahlen. Das Geld wiederum kommt im Wesentlichen aus Werbetöpfen, die von Leuten gespeist werden, die den Spielen zuschauen und den ganzen Merchandisingkram kaufen.
Hinzu kommen natürlich Sponsoren-/Werbeeinnahmen und die resultieren zu einem nicht unwesentlichen Teil daraus, dass er sich als Marke vermarktet, zu der eben auch ein gewisser Auftritt nach außen gehört.
Letztlich ist aber Dekadenz keine Frage der Herkunft des Geldes, sondern eine der Verwendung.
Naja, ob die Dir alle darüber Rechenschaft ablegen, was sie essen, darf man wohl genauso bezweifeln, wie die Suggestion, dass Du eine größere Zahl von Leuten kennst, die siebenstellige Beträge im Jahr verdienen.
Und überhaupt: was ist Unsinn? Das dritte Auto für einen sechsstelligen Betrag? Die dritte Weltreise in zwei Jahren? Ein Gemälde für einen siebenstelligen Betrag? Ein Abendessen für einen vierstelligen?
Wir waren aber nicht bei Unsinn oder der Herkunft des Geldes, sondern bei der Verwendung und der Dekadenz. Ribéry verdiente zum fraglichen Zeitpunkt ungefähr 7 Mio. Euro im Jahr. Das Steak kostete 1.200 Euro also in etwa 0,02% seines Bruttojahreseinkommens. Steht demnächst ein Sittenwächter hinter mir und zeiht mich der Dekadenz, wenn mein Hauptgericht 35 oder 50 Euro kostet oder ich mit meiner Frau für ein Abendessen 150 Euro zzgl. 50 Euro Babysitter ausgebe? Das sind für manche ganz sicher auch ungeheuerliche Beträge, aber bei uns läuft das nicht unter Dekadenz, sondern unter „sich mal was gönnen“.
Und was das Thema Gold angeht: schon in den 80ern gab es ab und an mal als Gag eine Rinderbrühe mit Blattgoldstreifen. Das Dresdner Goldwasser wurde schon erwähnt und der ein oder andere hier hat schon Erfahrung mit Blattgold und Pralinen gesammelt. Wie gesagt: der Wert des Goldes hält sich in Grenzen und das Fleischstück alleine ist sicherlich auch nicht viel mehr wert als 200 Euro. Insofern kann man eigentlich nur festhalten, dass Ribéry einen Haufen Geld für etwas Außergewöhnliches und eine Menge Show bezahlt hat (wobei der aktuelle Preis des Gerichts tatsächlich nur rd. 560 Euro beträgt - eventuell hat der ein oder andere Journalist den Unterschied zwischen Euro und Riyal nicht hinbekommen). Es ist übrigens auch kein größeres Problem in Deutschland für ein Steak ohne Gold einen knapp dreistelligen Betrag zu bezahlen. Das nur noch abschließend zur Einordnung.
Was ich damit sagen will: wenn man in normalen Einkommenssphären schwebt, sind da sicherlich große, ja sogar unvorstellbare Beträge im Spiel. Man mag vielleicht auch nicht verstehen können oder wollen, warum jemand so viel Geld für ein Essen ausgibt. Es wird aber auch schon genug Menschen geben, die schon nicht verstehen, wie man 100 Euro für einen kleine Pilzknolle ausgeben kann, 150 Euro für ein Essen zu zweit oder 7000 Euro für 10 Tage Urlaub.
Der 1200-Euro-(oder 650 Euro-) Steakmann hat nichts unredliches getan. Er lässt sich für eine sportliche Leistung, die sicher nicht jeder erbringen kann, marktüblich bezahlen. Das Geld kommt von Leuten, die am Wochenende 22 gut verdienenden Leuten dabei zuschauen, wie sie einen Ball über ein Spielfeld treten und sich dabei nicht fragen, ob sie ihr Geld (via PayTV) oder Zeit (Werbung) für einen guten Zweck aufwenden. Was die Spieler dann mit ihrem Geld machen, geht uns eigentlich nicht viel an.
Wenn man das Fass Dekadenz schon aufmachen will, dann doch eher in dem Zusammenhang mit der Frage, wieso eigentlich Menschen so viel Geld damit verdienen können, dass sie herumlaufen oder ihr Gesicht in eine Kamera halten - also - kurz gesagt - mit der Frage, warum wir als Gesellschaft eigentlich so viel Unterhaltung über TV und Internet konsumieren und dafür direkt und indirekt so viel Geld ausgeben.
Da würde ich schon unterscheiden, ob das einfach - wie viele andere Dinge - einfach eine kleine Deko, ein netter Effekt, … ist - der ohnehin auch preislich nicht mehr als andere Deko, … ins Gewicht fällt, oder ob es da um den größtmöglichen Protzeffekt gibt.
Ich weiß nicht, ob das Produkt noch im Handel ist, aber ich erinnere mich an eine Pralinenschachtel aus industrieller Produktion, die nicht teurer als andere vergleichbare Produkte war, bei der es auf ein oder zwei Pralinen, einen winzigen kleinen Goldflitter gab. Der war sicherlich nicht teurer als die 1A Pistazie oder die gedruckte Schoko-Medaille auf anderen Pralinen. Das Danziger Goldwasser ist auch nicht teurer als andere Spirituosen im vergleichbaren Segment und die paar Flitter Gold sind einfach nur ein netter Effekt. Andere Hersteller haben sich andere kleine Gags einfallen lassen, wie der Farbumschlag beim Illusionist-Gin o.ä.
Gehe ich zum „Schnitzelkönig“ und bekomme ich da zu jedem Riesenschnitzel einen Berg Rohkostsalat aus dem Glas gekrönt mit einer Orangenscheibe als Deko auf ein Salatblatt geklatscht auf den Tellerrand, ist diese Deko im Verhältnis zum Preis des Gerichts auch nicht billiger als wenn jemand in einem gehobenen Restaurant jemand ein paar Goldflitter über ein Gericht regnen lässt. Darin kann ich keine Dekadenz erkennen. Das kann aber einfach auch daran liegen, dass ich Gold grundsätzlich keine so hohe Bedeutung zumesse, es im Massen unangenehm bis peinlich protzig finde, es ansonsten aber ganz neutral betrachtet, mag (wie so viele andere Dinge). Es bietet halt einen ganz besonderen, schönen Farbkontrast, bedeutet eine gewisse Wertigkeit und Wertschätzung, … wenn man es angemessen einsetzt, ist ansonsten aber ein Rohstoff wie viele andere auch.
Die Bezeichnung „Dekadenz“ wurde seit dem Altertum immer nur für die Kultur einer Gesellschaft und nicht für einzelne Personen verwendet.
Ich verstehe den Begriff so, dass durch massenhafte, übersteigerte Sensibilisierung von Einzelpersonen in einer Gesellschaft der Bezug zur Lebenswirklichkeit und -fähigkeit verloren geht. Daraus entwickeln sich unerfreuliche, befremdliche und teilweise auch gefährliche Auswirkungen zu Lasten Anderer bzw. der gesamten Gesellschaft.
In der Regel wird Dekadenz als Endphase einer alten, reichen und schwächlichen Kultur wahrgenommen.
Logisch, dass man dann gerade den Protagonisten einer solchen Gesellschaft (wie bei uns z.B Fußballspieler, TV-Stars, Filmstars und den vielen semi Prominenten, die oft nicht zwischen bekannt und berüchtigt unterscheiden können) dieses Attribut zuordnet.
Ich hoffe, du hast diesen langen Aufsatz nicht explizit für mich geschrieben, das wäre schade um deine Zeit.
Im Übrigen gehen mir Fußballspieler oberhalb der 3.Liga, Dschungelkönige, Möchtegern Promis und ähnliche Leute, die ihr Gesicht bei jeder Gelegenheit in irgendein Medium halten und eigentlich zu nichts weiter nutze sind als da zu sein, total am unteren Rücken vorbei.
Zum Thema Fußballspieler: ich bezweifele, dass jemand einen Gegenwert von mehreren Millionen Broten hat, nur weil eine entsprechende Anzahl von Leuten das so sehen.
Gold hat im Extremfall einen geringeren Wert als eine handvoll Reis.
Ich gebe kein Geld aus, nur weil ich ein bekanntes Gesicht in der Werbung sehe. Wenn ein Fußballspieler nötig ist, um mir zu erklären, warum ich ein bestimmtes Produkt gegen Schuppen kaufen soll, dann ist dieses Produkt für mich gestorben.
Naja, Wert ist relativ. 50.000 Leute im Stadion, einige Millionen an den Fernsehern. Bandenwerbung, Trikotwerbung, Produktplatzierung, Werbung vor und nach dem Spiel, in der Halbzeitpause usw. Die Sender ihrerseits hoffen auf möglichst hohe Werbeeinnahmen und zahlen für die Übertragungsrechte. Da fließen irrsinnige Summen, die dann wieder an die Vereine ausgezahlt werden. Die wiederum sind der Ansicht, dass man mit besseren Spielern mehr Erfolge erzielt werden und damit mehr Geld verdienen kann (über die Prämien in den Wettbewerben, indirekt über die Fernsehrechte, Merchandising usw.), weswegen man den Stars dann siebenstellige Gehälter gezahlt werden können. Natürlich ist das kein Wert an sich, aber es ist der Wert, der den Spielern beigemessen wird.
Am Ende geht es also nicht darum, was Du kaufst und weswegen, sondern es geht darum, dass da Menschen sitzen und zuschauen - ob nun im Stadion oder vor dem Fernseher.
Aber wir waren bei der Dekadenz und mir ist immer noch nicht klar, was an dem geschilderten Vorgang dekadent ist und wo für Dich die Dekadenz anfängt. Wie gesagt: ich sehe die Dekadenz eher darin, dass zig Millionen Menschen allein in Deutschland einen durchaus relevanten Teil ihrer Freizeit mit Schauen und dem sich-damit-Befassen von Sport verbringen. Oder halt mit anderen Prominenten, „Prominenten“ und anderen Leuten und deren Aktivitäten auf Instagram, Youtube usw.
Ein Gutteil der Menschen beschäftigt sich nicht mehr mit ihrem Leben, sondern dem anderer Leute und begaffen diese. Völlig unproduktiv und nicht geeignet, irgendetwas an sich selbst oder am eigenen Leben zu verbessern oder wenigstens zu verändern. Da werden Leute beglotzt, wie sie einkaufen gehen, wie sie essen gehen, wie sie am Strand liegen, wie sie durch irgendeine Stadt laufen, in die man nie einen Fuß setzen wird usw. So ist eine riesige Beglotzer-Industrie entstanden, in der sich neben den ganzen Influencern halt auch andere Prominente wie z.B. Sportler aufhalten und präsentieren.
Naja, und dann ist da einer, der genau das macht, was erwartet wird: er hält sich in einer Stadt auf, die die meisten seiner Follower niemals betreten werden, isst in einem Restaurant, das die meisten niemals betreten werden, und isst etwas, dass sich die meisten niemals leisten werden können. Alles super, so lange diese Präsentation in der Blase verbleibt, die sich gebildet hat. Aber wehe, die Information verlässt die Blase; dann unterliegt das, was eigentlich erwartet wird, auf einmal der kritischen Betrachtung der Menschen, die sich damit vielleicht nicht befasst haben. Und dann kommen die Urteile und die Wertungen.
Wie gesagt: ich frage mich, was dekadenter ist. Ein Mensch, der seine Massen an Kohle spaß- und genussorientiert unters Volk bringt oder eine Gesellschaft, die Leuten wie Sportlern, Musikern und Schauspielern einerseits und noch vielen mehr andererseits, die wirklich gar nichts geleistet haben außer „Influencer“ zu sein, durch die bloße Aufmerksamkeit einen Haufen Kohle verschafft, während sie gleichzeitig durch eben diese Aufmerksamkeit ihre Zeit sinnlos vertreibt.