Hopfen oder Hopfenextrakt?

Hallo,

ich bin mehr Weintrinker, so daß ich meine Frage nicht selbst beantworten kann. Daher meine Frage an Personen, die regelmäßig Bier trinken.
Beim Brauen von Bier wird als wichtiger Bestandteil Hopfen mit eingebracht. Nun habe ich gelesen daß helles Vollbier anstatt mit Hopfen, dann durch Hopfenextrakt ersetzt, von diversen Brauereien gebraut wird.
Kann mir nur vorstellen, daß dies die Produktionskosten senkt und den Umsatz hebt.
Frage: weshalb wird das gemacht? Merkt der Wenigtrinker einen Unterschied? 
Danke für die Antwort und Gruss

fuerte

Servus,

Hopfenextrakt wird aus Hopfen gemacht, weil er im Gegensatz zum Hopfen sehr lange haltbar ist und keine besonderen Lager- und Transportbedingungen erfordert.

Die Lagerfähigkeit ist wichtig, weil der Hopfenmarkt international sehr wenig transparent und durch wilde, oft funktionslose Preissprünge charakterisiert ist, denen einer, der ein wenig warten kann, leichter ausweichen kann. Der Weltmarkt wird hier von sehr wenigen Unternehmen dominiert, deren Lagerbestände an Hopfenextrakt nur sie selber kennen.

Ich schätze, dass gerade ein seltener Biertrinker, insbesondere wenn er vom Wein schon gewohnt ist, auf Nuancen zu achten, den Unterschied zwischen dem Bukett von Aromen bei Hopfen und dem eher banalen Hopfenbitteren bei Hopfenextrakt ziemlich leicht schnuppern kann. Weniger leicht ist zu schmecken, wenn ein mehr oder weniger kleiner Anteil guten Doldenhopfens verwendet worden ist, um den Hopfenextrakt ein bissle aufzumöbeln. Obwohl ich mich bei solchen Sachen für eine feine Nase halte und vor langer Zeit in einem früheren Leben in einem Hopfenbaubetrieb gelernt habe, war ich schon öfter einmal überrascht, wenn ich auf einem Etikett von der (Mit-)verwendung von Hopfenextrakt las, wo ich sie nicht vermutet hätte.

Wenn Du Spaß an unterschiedlichen Hopfennoten hast, besorg Dir öfter Mal im Frühjahr das jeweilige „Jahrgangsbier“ von Welde - der Braumeister von Welde ist ein Hopfenfreak und treibt Jahr für Jahr wieder irgendwas Besonderes auf.

Schöne Grüße

MM

Hallo!

Wie schon richtig vermutet, es sind ausschließlich Kostengründe, daneben noch Handhabungsvorteile beim Transport, Lagern, Zufügen und Dosieren. Das Konzentrat ist ein Granulat oder Pulver.

Übrigens ist der Extrakt erst seit 1968 nach dem Reinheitsgebot neben der schon vorher zugelassenen Hefe erlaubt worden. Auch die Hefe war ja ursprünglich nicht erwähnt.

Genauso spart man am Aromahopfen und setzt viel mehr preiswerteren Bitterhopfen ein.

Der Geschmack entsteht aber hauptsächlich durch den (teuren) Aromahopfen.

Echten Hopfen in Doldenform findet man heute eher noch in den Klein- und Spezialbrauereien.

Echte Bierkenner und Bier-Sommeliers( gibt inzwischen auch) schmecken es raus.

MfG
duck313

Servus,

Echten Hopfen in Doldenform findet man heute eher noch in den Klein- und Spezialbrauereien.

noja - weder Budwar noch Augustiner täte ich jetzt als besonders klein klassifizieren.

Schöne Grüße

MM

Hallo,

was die Hefe angeht, so hat das einen einfachen Grund: Es gab sie zwar immer schon, aber man hatte sie bzw. ihre Bedeutung noch nicht erkannt. Das gelang erst relativ spät, und führte dann zur gezielten Zucht von Hefen für verschiedene Biere.

Es gibt aber auch heute noch Biere, bei denen man auf spontane Gärung mit „freien Hefen“ setzt, was natürlich dann etwas „spannender“ bzgl. des möglichen Endergebnisses als die Verwendung der Reinzuchthefen ist.

Gruß vom Wiz

Hopfen ist ja auch eher neu im Bier. Früher wurden Kräuter verwendet, bis Hopfen aus dem Ausland hier eingeführt wurde. Dazu gibt es auch Literatur.

http://www.grutbier.de

Prosit,

Hopfen ist ja auch eher neu im Bier.

rund 500 Jahre sind also eher neu für Dich? So lange existiert bereits die Bayerische Landesordnung von 1516, die nur Malz/Gerste. Wasser und eben Hopfen zulässt.
Seit gut einhundert Jahren gilt diese Reinheitsgebot für das komplette Deutsche Reich.

Früher wurden Kräuter
verwendet, bis Hopfen aus dem Ausland hier eingeführt wurde.

Hopfen wird seit rund tausend Jahren als Bierzusatz verwendet, so alt sind zumindest sichere Quellen. Als Heilpflanze ist es deutlich länger bekannt.
Sicher wurden früher die wildesten Kräutermischungen verwendet, aber Hopfen dominierte.

Wilder Hopfen ist eine heimische Pflanze, Kulturhopfen wird seit dem Frühmittelalter angebaut.

Gandalf

Gandalf

Servus,

woher hätte Hopfen eingeführt werden sollen?

Es gibt übrigens eine Entwicklung beim Hopfenanbau, die tatsächlich ziemlich modern ist (etwa 150 Jahre): In Hopfenanbaugebieten werden alle männlichen Hopfenpflanzen (auch wilde) ausgehauen, so dass für das Brauen die unbefruchtet ausgereiften weiblichen Dolden genommen werden können. Unbefruchtete weibliche Blüten bringen nicht nur höheren Ertrag, sondern auch feinere Aromen - das etwas ruppige bitterliche Aroma englischer Biere kommt von der Verwendung befruchteten Hopfens.

Schöne Grüße

MM

Hallo Fuerte,
zum Thema Hopfen und seiner Anwendung im Bier kann man ganze Romane schreiben, wie die meisten schon schrieben ist die Nutzung von Extrakt oder Pellets vor allem ein Praktikabilitätsgrund.

Schau die mal diese Seite hier an:

http://hvg-germany.de/de/hopfenverarbeitung/gruende
bzw. die Unterpunkte /verpackter-hopfen; /pellets; /Extrakte

da wird, natürlich aus der Seite eines Hopfenproduzenten, die ganze Thematik zumindest technisch relativ gut erklärt.

Wenn ich aber lese, das Leute der Meinung sind, sie könnten den Einsatz von Doldenhopfen vs. Pellets oder Extrakt rausschmecken muss ich grinsen, die meisten schaffen es ja nicht einmal in einer Blindverkostung ein Pils von Warsteiner, Becks, Ottinger und der nächsten, lokalen Brauerei auseinander zuhalten.
Nicht zu verwechseln ist diese Aussage mit dem Faktum dass es in letzter Zeit wieder (vor allem aus den USA kommend) äusserst interessant (aroma-)gehopfte Bier gibt, die dadurch natürlich einen ganz anderen Wiedererkennungswert haben, aber selbst dort wird in den meisten Fällen auf Pellets zurückgegriffen

Bis bald

Raul

Das Grinsen ohne Katze
Hallo Raul,

wenn es keinen Unterschied im Aroma gibt: Warum wird dann bei allen besseren Bieren Doldenhopfen verwendet oder mit verwendet, obwohl er sonst nur Nachteile hat?

Schöne Grüße

MM

Hallo Aprilfisch,
zuerst einmal habe ich nicht gesagt, dass es keinen Unterschied gibt sondern, dass die meisten diesen nicht herausschmecken.
Dann würde mich einmal interessieren, was bei dir „bessere“ Biere sind (sowohl deren Charakteristika als evtl. auch direkt Marken)?
Das „gute“ Budweiser aus den USA wird zum Beispiel nur mit Doldenhopfen gebraut, ich muss aber zugeben, dass dieser Name mir selten begegnet ist, wenn es um gute Biere ging.
Im Gegenzug dazu hopfen die meisten Craft-Brauer (und die stehen im Ruf „gute Bier“ zu machen (wie gesagt, allein dieses „Gut“ kann man meiner Meinung nach diskutieren)) mit Pellets oder Extrakt.

Wenn wir die ganze Diskussion nun in weitere Tiefen führen wollen, müssen wir einmal definieren von was wir eigentlich reden. Bis jetzt ging es ja um Doldenhopfen vs. Pellets/Extrakt und das findet nun mal im Sudhaus statt und da stehe ich weiter dazu, dass den Unterschied kaum einer schmeckt.
Eine Kalthopfung aus Aromagründen ist eine ganz andere Thematik, denn da stellt sich die Frage nach Doldenhopfen vs. Pellets/Extrakt nicht, da diese mit letztgenanntem überhaupt nicht geht (bzw. sinnbefreit ist). Somit hat ein Vergleich hier meiner Meinung nach keinen Sinn, da das dann Äpfel mit Birnen verglichen ist.

Bin gespannt wie es weitergeht und bis bald

Raul

Servus,

Dann würde mich einmal interessieren, was bei dir „bessere“ Biere sind

im weiteren Sinn alle, die man konsumieren kann, ohne dabei allzu viel an den folgenden Tag zu denken; im engeren Sinn alle, die in Nase, Körper und Abgang angenehme, vielfältige oder interessante Erlebnisse bieten.

Vertreter dieser Gruppe aus unserer Gegend sind u.a. Welde, Schmucker, Bischoff, Bellheimer - überregional fallen mir als erste Augustiner und Budvar ein. Dass da jetzt - auch bei den Pilsenern von diesen Adressen - keine mit einer ausgeprägt frischen Hopfennote im Stil des Nordwestens dabei sind, ist dabei eher Zufall und dem süddeutschen Raum und wohl auch meinem fortgeschrittenen Alter geschuldet: Der Stil „das flüssige Brot“ (bei dem ich übrigens einem Westfalen oder einem Nordwestdeutschen nicht verargen möchte, wenn er ein Pilsener beim ersten Schluck als Export anspricht) ist für sich allein kein Qualitätsmerkmal, finde ich, sondern bloß ein Hinweis auf den Süden. Soll nicht heißen, dass die Leute in Einbeck kein gutes Bier machen können.

Als Vertreter der Kategorie „zum Erhalten des Spiegels zur Not auch geeignet, wenn man partout noch nicht heimgehen will“ nenne ich regional Binding, Monnemer Friedhofsbräu und Frankenthaler Germania - wobei Eichbaum nicht mehr so schlimm ist wie in seiner Brau&Brunnen-Zeit -, überregional sowas wie Oettinger. Bei sämtlichen aus dieser Reihe fällt mir auf, dass ausschließlich Extrakt verwendet wird.

Schöne Grüße

MM

Hallo,

auch wenn wir Deutschen uns ja immer noch als die „Biernation“ bezeichnen und so stolz auf 1516 verweisen, sollte man mal über die heutigen Landes- und Zeitgrenzen hinaus denken. Die ältesten echte Bierreste stammen aus der Zeit 3500-2900 BC aus dem heutigen Irak, vermutlich wurde im Bereich des „fruchtbaren Halbmonds“ bereits von rund 10.000 Jahren Bier gebraut. Und der Hopfen kam daher tatsächlich „relativ spät“ erst im 12. Jh. ins Spiel. Der wurde zwar auch schon früher angebaut. Hatte aber noch keine überragende Bedeutung für das Brauen.

Insoweit stimmt die Aussage, dass der Hopfen - gemessen an der Gesamthistorie des Bieres - erst recht späte Bedeutung erlangte, durchaus.

Gruß vom Wiz

Hallo,

Soll nicht heißen, dass die Leute in Einbeck kein gutes Bier machen können.

Ja, die Geschichte, dass man zur Gründung des Münchener Hofbräuhauses 1612 extra einen Einbecker Braumeister abwarb, gehört zu den schönsten Geschichten die ich den Kollegen in München immer unter die Nase reibe, wenn sie sich verächtlich über jegliches Bier nördlich der Stadtgrenze auslassen.

Immer wieder nett auch das Testimonial von Luther zum Einbecker Bier auf dem Reichstag zu Worms: „Der beste Trank, den einer kennt, der wird Ainpöckisch Bier genennt“.

Er hat allerdings auch für das Wittenberger Bier Werbung gemacht: „Ich sitze hier und trinke mein gutes Wittenbergisch Bier und das Reich Gottes kommt von ganz alleine“

Gruß vom Wiz

Hallo Wiz,

ja klar, mit Bilsenkraut kann man z.B. auch lustig brauen (vgl. Asterix, „Der Kampf der Häuptlinge“). Mir ging es vor allem um das schöne Thema „Quellen im Internet validieren“: Wer Hopfen nicht als in Mitteleuropa heimische Pflanze erkennt, dem traue ich auch in anderen Aussagen nicht so arg weit über den Weg.

Interessant ist der Hinweis auf das späte Auftreten von Hopfen im deutschen Bier aber schon - ich hätte eine entsprechende Anweisung zur Verwendung von Tettnanger Frühhopfen in Karls Capitulare de Villis gesucht und wäre dann natürlich enttäuscht worden.

Schöne Grüße

MM

Hallo,

ich hatte kurz vor Weihnachten das Vergnügen auf der Weihnachtsfeier meiner Frau eine kurze „Bier-Geschichte“ zum Besten zu geben, weil in dem Laden (Hausbrauerei) dies niemand ohne Einwurf unverschämt großer Scheine erledigen wollte. Da habe ich natürlich ein wenig recherchiert, um da keinen Blödsinn zu erzählen. Die eher späte Verwendung von Hopfen ist recht gut belegt. Anbau aus anderen Gründen so ab ca. 800 AC. Das sind dann also noch rund 400 Jahre, bis er die heutige Bedeutung beim Bierbrauen erhielt.

Und was selbst noch bis 1516 alles ins Bier kam, klingt wirklich gruselig. Da wird von Lumpen und Laub, Galle und was nicht allem berichtet.Trotzdem schrieb Paracelsus (1493-1541): „Bier ist eine göttliche Medizin gegen Krankheit“, wobei dies allerdings darauf beruhte, dass der Brauprozess aufgrund der hohen Temperaturen für relative Keimfreiheit sorgte, was beim Trinkwasser gerade eben nicht der Fall war. D.h. da dürften die Zutaten weniger eine Rolle gespielt haben, auch wenn der gute Mann sich in der Zeit des Reinheitsgebots bewegte.

Ebenfalls recht interessant und für mich neu war auch die Erkenntnis, dass Herr Pasteur zunächst maßgeblich in der Wissenschaft des Brauwesens unterwegs war, und Wegbereiter der Reinzuchthefen war, die dann übrigens auch nicht in Deutschland sondern zunächst 1883 bei Carlsberg in Dänemark zum Einsatz kamen.

Schön übrigens eines der ersten belegten Zitate zum Thema Bier aus dem Gilgamesch-Epos (3000 BC) auf das ich gestoßen bin: “Iss nun das Brot, o Enkidu, denn das gehört zum Leben, trink auch vom Bier, wie es ist des Landes Brauch. (…) Enkidu trank sieben Becher Bier (!!!) und ihm wurde leicht ums Herz. In dieser Verfassung wusch er sich mit Wasser und salbte sich mit Öl. So wurde er zum Menschen.“

Nett auch die Details aus der Schankordnung aus dem Codes Hamurapi (1800 BC): Babylonische Provinzverwalter und Hohepriester hatten ein Anrecht auf die Höchstmenge von rund fünf Litern pro Tag, den Hofdamen des Königs standen immerhin noch drei Liter zu. Pyramidenbauer erhielten täglich 2 Krüge Bier

Gruß vom Wiz

Hopfenkultur historisch
Servus,

Das sind dann also noch rund 400 Jahre, bis er die heutige Bedeutung beim Bierbrauen erhielt.

und noch eine ganze Zeit mehr, bis er seine Vollendung in Gestalt des Tettnanger Siegelhopfens erfahren konnte…

Sind Dir bei diesen Recherchen Hinweise auf die ursprüngliche Verwendung von kultiviertem Hopfen begegnet? Spielte der wie seine Cousine Cannabis in Seilerei und Weberei eine Rolle?

Als Gemüse gibt er nicht besonders viel her (die Saison dafür ist viel kürzer als beim Spargel), als Gewürz kann ich ihn mir gar nicht vorstellen; vielleicht pharmazeutisch?

Schöne Grüße

MM

Natürlich kam Hopfen in deutschland erst ab 1500 ins BIer. Ich verweise mal auf das Buch von Christian Rätsch. Da wird die Geschichte richtig dargestellt.

http://www.amazon.de/Bier-Jenseits-von-Hopfen-Malz/d…

Weitere Infos: http://www.christian-raetsch.de/Artikel/Artikel/Urbo…

Hopfenkultur
Servus,

es gibt dazu unterschiedliche Angaben, die zwischen dem 12. und dem 16. Jahrhundert variieren, und die allesamt nicht „unnatürlich“ sind, was auch immer das in diesem Zusammenhang heißen sollte.

Und einfach bloß zu sagen „was der schreibt, ist richtig“ ist keine Begründung.

Von Dir hätte ich gerne noch gewusst, weshalb der in Mitteleuropa mindestens seit der Völkerwanderungszeit einheimische und zu diesem Zeitpunkt noch nicht domestizierte Hopfen als Kulturpflanze von irgendwoher eingeführt worden sein sollte.

Wenn wir grade dabei sind: Weißt Du, zu welchem Zweck Hopfen angebaut wurde, bevor er fürs Brauen Verwendung fand? Seilerei? Weberei? Pharmazeutik?

Schöne Grüße

MM

Hallo,

mir ist nur die pharmazeutische Anwendung über den Weg gelaufen. Was die Seilerei angeht, wären die Fasern der langen Ranken natürlich sicherlich eine Idee. Aber mit ist diesbezüglich nichts über den Weg gelaufen. Bei den Bitterstoffen könnte man natürlich auch an die Gerberei denken. Aber auch diesbezüglich habe ich nichts gelesen.

Allerdings war das ja auch mehr eine Recherche zum Bier und musste nur für ein paar interessante Minuten sorgen. Da kann man sicherlich auch problemlos eine Doktorarbeit drüber schreiben, und darin ganze Kapitel Hefe, Malz und Hopfen widmen.

Gruß vom Wiz