Servus Karin,
obwohl das den aktuell Verhungernden nichts hilft, ein kleiner Exkurs am Rande Deiner Fragestellung:
Zuerst eine kurze Gedenkminute an die US-Lieferungen von Futtermais ins hungernde Deutschland 1946-47: Die fanden nicht deswegen in Gestalt von Mais statt, weil man in Kentucky geglaubt hätte, die Deutschen hätten plötzlich ihre Liebe zu Polenta entdeckt, sondern weil die damalige Überproduktion sonst viele US-Farmer ruiniert hätte. Die deutschen Empfänger dieser Hilfslieferungen waren - wenn ich einzelnen, wenig repräsentativen Berichten glauben darf - zutiefst verletzt, dass man sie jetzt mit ranzigem Hühnerfutter traktieren wollte. Aber trotzdem hat der geschenkte Mais seine Abnehmer gefunden…
Und dann paar Splitterchen zu Kenia:
Kenia ist ein Agrarland und könnte sich trotz der von Jahr zu Jahr ziemlich schwankenden Produktionsbedingungen technisch ohne Schwierigkeiten selbst ernähren. Es ist dadurch begünstigt, dass sich dort auf relativ kleinem Raum verschiedenste Anbaubedingungen finden: Das Spektrum der Exporte geht von Rindfleisch über Mais bis zu sehr guten Kaffee- und Teeprovenienzen (Der Kaffee Kenya Blue Mountain rangiert in einer Reihe mit Äthiopischem Harrar, Guatemaltekischem Tres Marias und dem Namensvetter Jamaica Blue Mountain).
Eine nicht unmittelbar sofort, aber bereits innerhalb etwa eines Jahres greifene Hilfsmaßnahme wäre, dass die großen Prediger des Freihandels diesen auch dort praktizieren, wo sie in ihren jeweiligen Heimatrevieren damit Schwierigkeiten erzeugen: Indem sie jetzt sofort aufhören, den Weltmarkt mit artifiziell verbilligtem Rindfleisch und Mais zu drangsalieren.
Auf nationaler Ebene wäre es nützlich, wenigstens vorübergehend ein bissel weniger liberal zu agieren: Bedeutende Teile der landwirtschaftlichen Produktion Kenias stammen aus relativ großen Farmen, die ihrer Natur nach (unabhängig von der Hautfarbe ihrer Eigentümer - es hilft also nichts, bloß diese totzuschlagen) extensiv produzieren, während sich gleichzeitig ein riesiges Potential an Arbeitskraft auf Kleinstbetrieben zusammendrängt, wo es - getreu dem ollen Thünen - unter den Folgen einer ziemlich niedrigen Grenzproduktivität ächzt. Wie man die Rahmenbedingungen schaffen will, um die vorhandene Arbeitskraft besser auf die vorhandene Fläche zu verteilen, ist in der Tat eine anspruchsvolle Aufgabe. Erfahrungsgemäß führen Bodenreformen im Hauruck-Verfahren nicht besonders weit: Die notwendigen Stellschrauben müssten zuerst identifiziert werden, ich kenne sie nicht.
Wenn man überhaupt etwas von außen tun will, gilt grundsätzlich die Hypothese (die einheitlich von allen der freilich nicht besonders vielen Afrikanern vertreten wird, die ich kenne): Lasst endlich Afrika in Ruhe! Was allerdings in einer ersten Phase nicht bloß laisser faire plus echten d.h. bilateralen Freihandel bedeuten würde, sondern als einzigen wesentlichen Eingriff, dass die Industrieländer den Müll, den sie in der gesamten Epoche des kalten Krieges in diesem Kontinent in Gestalt von Granatwerfern, Maschinenwaffen, leichten Panzern, Landminen etc. für ihre Stellvertreterkriege abgeladen haben, auch wieder einsammeln und abholen. Kein Land des Kontinentes kann eine normale bürgerliche Republik mitsamt der damit einhergehenden Produktivitätszuwächse in allen Teilen seiner Volkswirtschaft begründen und unterhalten, solang der Vorteil friedlichen Schaffens und Raffens, wie das halt Bürger so machen, nicht unmittelbar und materiell greifbar ist.
Wenn man noch ein übriges von außen beitragen will:
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Das Prinzip, das Joseph in Ägypten eingeführt hat, fehlt vielen Ländern Afrikas, die mit seinerzeit fast nachgeschmissenen Krediten - die sie inzwischen wirtschaftlich mehr oder weniger erdrosseln - eben nicht Infrastruktur und Lagerkapazitäten gefördert haben, sondern irrwitzige Großprojekte ins Leben gerufen haben wie Zigarettenfabriken, riesige Wasserkraftwerke, neben denen mangels Leitungen riesige Verdampfungsanlagen stehen, damit die Generatoren laufen können und nicht durch Stillstand kaputt gehen usw. Wenn man überhaupt etwas von außen tun will, geht es um den Bau von ordentlichen Eisenbahnen, Straßen und Lagerhäusern: Der Maisproduzent, der weiß, dass sein Mais im nächsten Dürrejahr vielleicht ein wenig bitter sein wird, aber wenigstens nicht vergammelt oder ganz einfach weg sein wird, kann sich überhaupt erst überlegen, wie dringend er den Erlös aus dem sofortigen Verkauf braucht, und wie viel er vielleicht doch lieber liegen lässt bis hin.
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Wenigstens die schlimmsten Auswirkungen des bloß einseitigen Freihandels unterbinden, als erstes fällt mir der Export des Inhaltes der Altkleidercontainer Europas ein, der u.a. die Textilindustrie Tanzanias zerstört hat: Ein getragener Schlüpfer aus Dortmund ist halt billiger, da können die dortigen Spinnereien und Trikotagenwerke nicht mithalten…
Und was die Soforthilfe im Fall von Katastrophen betrifft: Hier ist Outsourcing angesagt, nicht die Initiative von Einzelnen, und sei sie gut gemeint. Es gibt genug Profis in diesem Gebiet, nicht wenige davon übrigens aus Deutschland.
Schöne Grüße
MM