Hallo Wolfgang,
Die Bundeswehr dient verfassungsgemäß der Landesverteidigung.
so alt und beliebt dieses Argument ist, so halbrichtig ist es leider auch. Die Bundeswehr dient gem. Art. 87a (1) tatsächlich der Verteidigung. Aber, dass die Bw nicht nur der Verteidigung dienen muss, lässt das Grundgesetz bereits in Art. 87a (2) ausnahmsweise zu, solange diese Ausnahmen im Rahmen des Grundgesetzes bleiben. Bei genauem Hinlesen werden die Auslandseinätze der Bundeswehr dann durch Art. 24 (2) ermöglicht. Um Erhabenheit über den Zweifel zu bekommen, ob es sich im Rahmen der Feststellung dieser Ausnahme dann tatsächlich auch um einen Einsatz handelt, der dem Interesse des Friedens und der Weltordnung dient (die wird von Art. 24 (2) u. a. vorausgesetzt), wird es in Deutschland so gehandhabt, einem bewaffneten Einsatz der Bw (außerhalb des Verteidigungsfalles) stets ein Mandat der UN und (in jedem Falle) des Deutschen Bundestages vorausgehen zu lassen. Die Vermutung, ein Einsatz der Bundeswehr sei nur zur Landesverteidigung möglich, ist daher nur die halbe Wahrheit.
Eine militärische Bedrohung durch andere Staaten gibt es für
die Bundesrepublik Deutschland nicht.
Jain, das ist nur bedingt richtig. Die Bundesrepublik wird von anderen Staaten zwar derzeit nicht direkt bedroht, womit ich Dir grundsätzlich zustimme, was aber wiederum nicht bedeutet, dass sie nicht über kurz oder lang indirekt, wenn nicht sogar direkt bedroht werden könnte. Und es geht zudem auch nicht nur darum, ob man nur selbst bedroht wird, sondern auch darum, wie es mit der Bedrohungslage der Verbündeten aussieht. Als Pole oder Tscheche würde ich es ganz schön ärgerlich finden, wenn das wirtschaftlich unverhältnismäßig stärkere Deutschland plötzlich seine militärischen Ausgaben zur ökonomischen Erholung auf Null reduziert und mir dann sagt: „Militär brauchen wir jetzt ja nicht mehr, wir sind ja nur noch von Freunden umgeben, die verteidigen uns ja zwangläufig mit, weil ja jeder, der an uns heran will, erstmal durch sie hindurch oder drüber hinweg muss. Danke!“ Die Länder, die mit Deutschland im Bündnis stehen, mitzuverteidigen und zu sichern, ist auch verfassungsmäßiger Auftrag der Bundeswehr. Und deren Bedrohungslage muss der deutschen ja nun nicht zwangsläufig entsprechen.
Über ein halbes
Jahrhundert politischer Entwicklung sorgten für ein gegenüber
früheren Zeiten grundlegend verändertes Verhältnis zu
sämtlichen Nachbarstaaten. Die Volkswirtschaften sind eng
verwoben, mit dem Schießprügel und mit Gewalt gibt es für
niemanden etwas zu gewinnen.
Wolfgang, das war schon immer so und trotzdem gab es immer wieder Kriege. Wirtschaftliche und kulturelle Verknüpfungen sind zwar sehr wohl friedenschaffende Momente, keineswegs aber friedenerhaltende Garantien.
Auch die Zeiten von
übersteigertem Nationalismus und von Patriotismus besoffenen
Hirnen sind vorbei.
Naja, das ist aber eine sehr gewagt optmistische Betrachtung
Wenn ich da mal so nach EU-Polen lausche, wo mit offen deutschfeindlichen Parolen mittlerweile Nationalwahlen gewonnen werden, kommen mir da ganz andere Gedanken, und das ist im Vergleich zu manch anderen Staaten noch total harmlos.
Dieses Land ist nur friedlich etwas wert, in Unfreiheit nicht
einmal einen Schuß Pulver.
Dann dürfte sich also kein „unfreies“ Land mehr verteidigen? Dieses Land ist aber nicht unfrei und es ist, wie jedes andere Land, in jedem Falle, also auch im Falle der Unfreiheit, sehr viel Wert, weil es in erster Linie mal aus Menschen besteht und nicht aus Anschauungen oder einem politischem Regime. Die DDR war auch (so uns die damalige Demokratiebewegung in ihrer Einschätzung des Systems nicht arglistig gestäuscht hat) „unfrei“, und trotzdem hätten die ehemaligen Kameraden der NVA ihre Flugabwehrkanonen bedient. Und das in erster Linie nicht, weil sie Honni so toll fanden, sondern weil sie es - trotz Honni - nicht besonders erbaulich gefunden hätten, wenn ihnen der „freie Westen“ die Familien weggebomt hätte. Für die Menschen eines Landes ist ihre Verteidigung daher nicht ein Faktum, das sich in seiner Bedeutsamkeit an dem sie regierenden System bemisst, sondern ein solches, das die Frage nach dem Erhalt der elementaren Lebensgrundlagen stellt.
Über Jahrhunderte fehlte es nie am Feindbild. Das Feindbild
wandelte sich zwar, aber es war stets etwas Passendes
vorhanden, aus dem Militär seine das Gemeinwesen belastende
Existenz herleiten konnte.
Die Bundeswehr ist keine Armee, die sich im Laufe der Jahrhunderte an wechselnden Feindbildern geändert, sondern ist eine völlig neu entstandene Armee, die sich nicht selbst gerechtfertigt hat, sondern deren Auftrag immer grundgesetzlich und parlamentarisch definiert wurde. Soweit ich weiss, ist das weltweit ziemlich einmalig und eigentlich unüblich. Hier - in Deutschland - ist es das Parlament, das in Abwägung der Bedrohungs- und Sicherheitslage den Haushalt für die Streitkräfte und damit auch deren Umfang definiert, womit die Bundeswehr überhaupt nicht imstande ist, sich selbst zu rechtfertigen. Sie ist kein Staat im Staat, sondern eine der Parlamentskontrolle (nicht jedoch einem Parlamentsbefehl) unterstellte Armee. Die Einschätzung der internationalen Sicherheits- und Bedrohungslage kommt nur sehr mittelbar der Bundeswehr zu, sodass sich auch hieraus kein Rückschluss auf möglicherweise tendenziöse Bewertungen ziehen lassen kann.
Die Einschätzung der äußeren Sicherheitslage kommt zum Löwenanteil dem Auswärtigen Amt zu, die Bewertung dessen mit Hinblick auf streitkräfterelevante Belange findet in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages statt. Die Annahme, die Bundeswehr würde sich daher selbst neue Aufträge suchen, um ihre Existenzberechtigung zu betonieren, ist deshalb falsch. Das trifft ebenso auf die Annahme zu, die Politik wolle der Bundeswehr eine Existenzgrundlage erhalten, denn ansonsten müsste man ja auch behaupten dürfen, das Parlament wolle der Polizei und den JVAs Existenzgrundlagen schaffen, indem es neue Straftatbestände definiert.
Terror und Terroristen sind
Feindbilder, allerdings mit dem Schönheitsfehler, daß sie sich
mit militärischen Mitteln nicht bekämpfen lassen. Kleine
Gruppen und Einzelpersonen, die unvorhersehbar gegen zivile
Einrichtungen agieren, ist in Grenzen mit polizeilichen
Mitteln zu begegnen,
Das kann man so nicht stehen lassen, da es drauf ankommt, worum es geht. Geht es um ganze Terrororganisationen, die sich z. B. eine ganze Infrastruktur unterhalten (z. B. Ausbildungscamps, Waffenhandel), so kann Militär hier schon durch Aufklärung und Einsatz eine nicht zu unterschätzende Wirkung entfalten. Geht es um den kleinen „Einzelterroristen“, der sich irgendwo einen Sprengstoffgürtel umschnallt, sieht die Sache schon wieder anders aus. Im ersten Fall ist Polizei in Ermangelung adäquater und lagebedingter Einsatz- und Führungsunterstützung denkbar ungeeignet. Im zweiteren Falle eher das Militär, das aber wiederum logistischen Linien des „Einzelterroristen“ aufklären und zerschlagen kann. Polizei ist hierzu aus einsatz- und führungstechnischen Gründen meist nicht imstande.
während die versammelten Armeen der
ganzen Welt wirkungslos bleiben.
Das ist natürlich Deine Behauptung, der Du hier den Anstrich verleihst, als handele es sich dabei um eine allgemein anerkannte Gesetzmäßigkeit. Wir beide können nicht belegen, wie viele Terrorakte durch die voranschreitende Zerschlagung von Infrastrukturen der El-Kaida bisher möglicherweise schon verhindert oder auch wiederum ausgelöst worden sind. Tatsache ist, dass sie in Afghanistan keinen staatlich gewährleisteten Unterschlupf mehr findet. Das hätte Polizei allein sicherlich nicht leisten können.
Militärische Strukturen,
U-Boote und Panzer sind zur Prävention und zur Täterermittlung
völlig nutzlos.
Warum sollte das Deiner Meinung nach so sein?
Auch der in die Diskussion gebrachte Schutz
ziviler Objekte ist in einem Land mit Millionen solcher
Objekte zwischen Flensburg und Garmisch, Frankfurt/Oder und
Aachen illusorisches dummes Zeug.
Man kann jetzt die Planer für Blödmänner halten, die gar nicht wissen, worüber sie sprechen, oder man nimmt einfach mal an, dass sie eben nicht den alten Bahnhof von Celle, das Umspannwerk von Holtern und jede x-beliebige Zehnervermittlungsstelle mit Amtszusatz meinen, sondern eher Objekte von besonderer Empfindlichkeit (z. B. Chemieanlagen, AKWs, Wasseranlagen) und darunter auch wiederum nur ausgewählte Objekte, die aufgrund gewisser Umstände eines zusätzlichen Schutzes bedürfen.
Abgesehen von der Verfassungswidrigkeit halte ich Ansinnen für
den Einsatz der Bundeswehr im Inneren für untaugliche
Versuche, für die Bundeswehr eine Existenzberechtigung an den
Haaren herbei zu ziehen.
Würde die Bundeswehr im Innern eingesetzt, würden hierfür die verfassungsrechtlichen Grundlagen zuerst geschaffen. Damit wäre es dann nicht verfassungswidrig. Man fängt ja nicht ein Großprojekt an, damit es dann bereits in den ersten zwei Wochen aufgrund der Verfassungsbeschwerde eines Biolehrers wieder eingestellt wird.
Wir müssen uns vielmehr mit dem
Gedanken vertraut machen, daß die Bundeswehr in ihrer
bisherigen Form ein überflüssiger, teurer Klotz am Bein ist.
Wir sollten uns nicht länger leisten, 250.000 Menschen
Menschen unter Waffen zu halten.
Leider vermisse ich die Erläuterung Deiner Alternativvorschläge. Die von Dir angeführte „EU-Eingreiftruppe“ (als womöglichen Ersatz für alle Armeen Europas?) kann das jedenfalls nicht leisten. Die wäre damit vollkommen überfrachtet.
Grüsse
Tom