Interessantes Urteil gegen Heilpraktikerin

Angesichts der größeren Diskussion über „alternative Therapien“ und den Sinn und Unsinn des Heilpraktikerwesens neulich, möchte ich nicht versäumen, auf ein interessantes Urteil hinzuweisen:

Schlangengift statt Chemo: Heilpraktikerin muss Waise entschädigen - n-tv.de

Kurz zusammengefasst: Es ging um den Abbruch einer wirksamen Krebs-Therapie, zu dem die Heilpraktikerin zwar nicht gedrängt hatte, gegen den sie aber auch nicht interveniert hat. Das Gericht sieht in einem solchen Fall die Pflicht eines Heilpraktikers einer sich abzeichnenden entsprechenden Entscheidung eines Kunden entgegenzutreten. Dies hat die beklagte Heilpraktikerin vorliegend unterlassen. Das Gericht führt dazu aus: „Dieses über Wochen hinweg fortgesetzte Unterlassen der Beklagten war unverantwortlich und aus Sicht eines verantwortungsbewussten Heilpraktikers schlechterdings unverständlich.“

Folgen sind nun Schmerzensgeld, Ersatz für entgangenen Kindesunterhalt, Ersatz der Anwaltskosten des Klägers und Ersatz weiterer materieller Schäden. Alles in allem angesichts fehlender Haftpflichtversicherung eine vermutlich existenzgefährdende Größenordnung von > € 70.000,–

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Moin,
mal abgesehen vom fragwürdigen Sinn einer Behandlung mit Schlangengift, in Ermangelung genauer Einsichten in die medizinischen dem zugrundeliegenden Abläufe, die aus wissenschaftlicher Sicht ganz offensichtlich eindeutig sind…

Da fällt mir der nicht so sehr in die Medizin sondern in die (lebens)philosophische Richtung gehörende Teil auf.
In meinen Augen ist das eine fürchterliche (!) Entmündigung der (leider ja inzwischen verstorbenen) Frau, die eine eigene Entscheidung getroffen hat, nachdem sie ganz offensichtlich von den Ärzten, die ihr eine Strahlen- und Chemotherapie verordnet hatten, hat beraten lassen, und dann anschließend diese … Richtung gewählt hat. Aus welcher Sicht diese Entscheidung „fatal“ also zum Tode führend war, gehört in die Medizin-Sparte.

Die Mündigkeit und das Zulassen, eine -auch zu einem fatalen Ergebnis führende- Entscheidung zu treffen, gehört jedem über 18-jährigen zugestanden! Das muss im medizinischen Bereich genauso sein, wie beim Kauf eines Sportwagens, Motorrads, Flugdrachens und bei Entscheidung für bestimmtes Verhalten, das zum Verlust der eigenen körperlichen Unversehrtheit führen kann. Dazu gehört auch, sich von einem Professor der Okologie beraten zu lassen oder von einem Quacksalber.
Dass sich die Heilpraktikerin nicht an das gehalten hat, was sie als HP genauso wie eine Ärztin tun muss, ist das Eine. Dass das juristische Konsequenzen hat, auch.

Aber die Frau hat eine eigene Entscheidung getroffen, die HP hat ihr dazu nicht geraten, wie es in dem Artikel steht, sie war ihr auch nicht hörig. Die HP hat es unterlassen, sie zur Wiederaufnahme der Chemo- und Strahlentherapie zu drängen.
Weil ich mich in einer ähnlichen Situation auch einmal dazu entschieden habe, dem massivsten Drängen eines behandelnden Arztes zur Strahlentherapie nicht (dem Drängen zu einer Chemo dagegen schon) nachzugeben, habe ich vielleicht eine andere Perspektive.

Wer hat in diesem Urteil die eigene Entscheidung der Frau respektiert?

Nota bene: ich verteidige hier nicht diese Schlangengifttherapie!

Grüße

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Ja, so ist das.
Zig Prozent des Volkes sterben an Krebs, die meisten davon an NICHT-wirksamen Krebstherapien der Medizin. Glaub fast 20 Prozent, hunderttausende pro Jahr. Wenn dabei ein Arzt beteiligt ist, klagt kaum jemand, jedenfalls hoert man selten von Strafe gegen einen Arzt bei Krebstod. Ein Laie darf sich nicht einmischen, so ist nun mal die Rechtslage. Der Laie muss zum Arzt verweisen.

Geklagt hat hier der Witwer und dies auch für den gemeinsamen Nachwuchs. Die Klageforderung ging weit über das jetzt zugesprochene Maß hinaus, weil das Gericht ein massives Mitverschulden der Frau sah. Insoweit hat hier die eigene Entscheidung der Frau durchaus ganz erhebliche Auswirkungen auf das Urteil gehabt.

Es geht in diesem Urteil aber gerade nicht darum, der Frau die eigene Entscheidung zu verbieten, oder diese zu sanktionieren, sondern ausschließlich um die Pflichten eines Heilpraktikers, wie er/sie sich zu verhalten hat, wenn ein Kunde erkennbar auf eine entsprechende Entscheidung zusteuert. Das muss man voneinander trennen. D.h. wenn sich die Frau trotz nachweisbarer angemessener Beratung durch die Heilpraktikerin so entschieden hätte, wie sie es dann getan hat, dann wäre die Heilpraktikerin außen vor geblieben. So kann sie nun aber von Witwer und Nachwuchs in Anspruch genommen werden.

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q.e.d.
Da geb ich dir widerum recht.
Grüße

… meinen Senf auch noch dazugeben:
warum wird eigentlich der Witwer nicht belangt… hätte ja auch Einfluss nehmen können! / sollen? müssen??

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Das Gericht hat wohl nicht die Entscheidung der Patientin beurteilt, sondern den fehlenden Hinweis des Heilpraktikers. Wenn dieser gesagt hätte:

„Schätzelein, ich mach hier Hokuspokus, der dir nicht hilft und teuer ist, deine Krankheit ist aber ernst, wenn du weiterleben willst, dann verzichte bitte auf meine unwirksamen Folkloremaßnahmen und geh zum Arzt!“

wäre die Beurteilung wohl anders ausgefallen. Der Patient hätte unterschrieben, dass er weiß und darüber aufgeklärt ist, dass der Heilpraktiker bloß Blödsinn ohne jegliche Heilwirkung macht, alle würden sich freuen, der Patient würde freiwillig sterben… naja … und der Unheilpraktiker müsste keine 70.000 Glocken abdrücken.

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Man könnte dem ganzen Unwesen relativ schnell ein Ende bereiten, wenn man die Heilpraktiker gesetzlich zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung verpflichten würde, wie man das auch bei Ärzten, Anwälten und Steuerberatern tut. Die Prämien wären wohl (wegen der erwiesenen Unwirksamkeit) relativ hoch, das würde sicherlich viele der Quacksalber dazu drängen, den „Beruf“ aufzugeben.

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Möglicherweise hat er ja versucht, Einfluss zu nehmen… wenn ich so in mein Privatleben hineinschaue, stelle ich auch gelegentlich fest, dass meine Frau nicht auf mich hört. Manchmal (wenn es z.B. um Dinge wie Autowaschen geht) hört sie zwar auf mich, aber ganz oft (wenn es z.B. um Dinge wie „Wozu soll dieses komische Douglas-Cremchen für 25 Euro eigentlich gut sein?“ geht) ignoriert sie meine weisen, durchdachten, ausgearbeiteten Vorschläge oder Einwände.

Ich hab es auch nicht leicht.

Seufz!

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Das ist es, was ich mit fehlendem Respekt (Mündigkeit!) meine, dass „man“ davon ausgeht, dass Patient*in zu blöd ist, ihre/seine Entscheidung selber zu fällen und zu vertreten. Und dass sie nicht zwischen einem Onkologen und einem (am Ende möglicherweise…) Quacksalber oder einem Hokuspokushexer unterscheiden kann. So sieht es nicht aus, die Entscheidung einer mündigen Person zu respektieren.
Grüße

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Dochdoch, natürlich. Aber es soll dem mündigen Patienten vorher die vollständige Information gegeben werden. Wenn er vollständig informiert ist (etwa: „Ich mach hier unwirksamen Hokuspokus und mit einer hohen Wahrscheinlichkeit führt das Verzichten auf eine adäquate Behandlung zugunsten meines Hokuspokusblödsinns dazu, dass du schmerzhaft und im Übrigen auch völlig unnötig stirbst und deine Kinder als Halbwaisen zurückbleiben!“), dann soll er gerne seine eigene Entscheidung treffen.

Erst Aufklärung, dann Entscheidung.

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Ich musste gerade an Steve Jobs denken…

Falscher Fehler: Es geht hier nicht darum, wer alles noch Einfluss auf die Frau hätte nehmen können, sondern darum, dass jemand zumindest von sich behauptet einen Heilberuf auszuüben, und damit dann auch Bestimmungen beachten muss, die für andere im Heilberuf gelten. Hier hat das Gericht das Patientenschutzgesetz herangezogen, und hält dies in Bezug auf den Gedanken des Schutzes der Patienten vor unangemessenen Behandlungsformen auch bei Heilpraktikern anwendbar.

Da vom Ehemann nichts bekannt ist, ob der auch Heilpraktiker oder sogar Arzt ist, trifft ihn diese Verpflichtung nicht. Aber genau aus dieser Pflichtverletzung kommt es hier ja gerade dazu, dass Schmerzensgeld und Schadenersatz geleistet werden muss.

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ich war nicht bei der Verhandlung dabei und deshalb wieder mal nur als Vermutung:
Fehlt der Nachweis der Beratung (in welcher Form auch immer), dann gilt hier: es hat keine stattgefunden. Nix mit in dubio pro reo.
Wer kann was über die Verstorbene sagen? Wie ist sie auf die Heilprakterin zugegangen? Wer hat wen überzeugt?
Ja, verwerflich wäre, wenn diese die Patienten dazu ermunterte, die „schei$$ Schulmedizin“ abzulehnen, aufzugeben.
… und Schulmedizin und deren (modellierten) Vorhersagen über Lebenserwartung: Mein Onkel sollte ~3 Jahre noch haben - es waren keine 3 Monate und der letzte will ich keinem zumuten.

Du stellst hier in unzulässiger Art und Weise Heilpraktiker und Kunde in Bezug auf medizinisches Hintergrundwissen auf eine Stufe, und lässt berufsrechtliche Verpflichtungen außer Acht. Auch wenn ein Heilpraktiker keinerlei Wissen in Bezug auf die Wirksamkeit und Hintergründe seiner Behandlungsformen nachweisen muss. so soll die Heilpraktikerprüfung sicherstellen, dass ein Heilpraktiker die Grenzen seiner Möglichkeiten kennt und dann auch beachtet, und weiß, wie er sich zu verhalten hat, wenn Menschen zu ihm kommen, die schwer erkrankt sind. Zur Erfüllung dieser Pflichten treffen ihn dann auch Beratungs- und entsprechende Dokumentationspflichten. Das hat nichts mit „in dubio pro reo“ zu tun. Es gibt zum Schutz des Kunden ganz klare Regeln, deren Kenntnis man mit der Heilpraktikerprüfung nachgewiesen hat. Wer sich an die dann im täglichen Geschäft trotzdem nicht hält, ist dann eben dran.

Daher ist es auch vollkommen irrelevant, wie die Kundin auf die Heilpraktikerin zugegangen ist, und wer hier wen überzeugt hat.

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Hallo,
Hebammen, nicht zu vergessen . ich meine, für die gilt das auch#Gruss
Czauderna

Moin,

Dazu aus: https://deutsche-heilpraktikerschule.de/gesetzliche-rechte-und-pflichten-des-heilpraktikers/

Die mittelbaren Berufspflichten folgen aus zivilrechtlichen und strafrechtlichen Vorgaben. Ein Heilpraktiker muss aus Schutz vor privatrechtlichen und staatlichen Sanktionen dafür Sorge tragen, sich selbstständig einen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen der Tätigkeit zu verschaffen. Schlimmstenfalls droht der Widerruf der Heilpraktikererlaubnis.

Die gültigen Patientenrechte finden nicht nur bei Ärzten, sondern auch für Heilpraktiker Anwendung. Diese sind im Patientenrechtegesetz, als Teil des BGB § 630 BGB geregelt .

Danach gelten auch für den Heilpraktiker solche Pflichten, wie die Informationspflicht, die Behandlung nur nach Einwilligung des Patienten, die Aufklärungspflichten, die Dokumentationspflicht und das Recht des Patienten zur Einsichtnahme in seine Patientenaktie.

-Luno

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hast du auch eine frage oder plauderst du nur auf hohem „medizinbrett-niveau“ oder geht es nur um dein wohlbefinden? weil dir a bissel fad ist…
du und deine besternenden unterstützer und -Innen unterstützen genau das, was hier aktuell im plauderbrett massiv kritisiert wird.

pasquino

Wir haben 's versucht. Ein studierter Mediziner in einem anthroposophischen Krankenhaus behandelte meine Frau gegen ihre Wespengiftallergie mit irgendwelchem gemixten Zeug, auf das sie mit einem anaphylaktischen Schock reagierte und fast erstickt wäre.
Die Rechtsberatung winkte gleich ab: gerade WEIL es keine evidenten Behandlungsmethoden in der Anthroposophie gäbe, ist dem Arzt kein Kunstfehler nachzuweisen.
Mediziner haben eine starke Lobby. Den Rest des Persilscheins, mit den Patienten nach Belieben umzugehen, besorgt das Gesetz.

Was ist eigentlich die Frage?