Ich bin, auch angesichts des vorherigen Threads (den ich um 2 Tage verpasst habe), immer wieder erstaunt, mit welcher Beharrlichkeit viele Leute im Islam etwas grundsätzlich ethisch Positives (oder zumindest nicht Negatives) erkennen wollen, und frage mich und die Leser dieses Threads nach der Ursache dieser, wie ich meine, unlogischen Einstellung. Schließlich liegt der den westlichen Werten diametral zuwiderlaufende Autoritäts- und Zwangscharakter dieser sogenannten Religion für klarblickende Menschen doch offen zutage.
Die Ursachen für das Verkennen sind wohl von Fall zu Fall verschieden. Bei Merkel scheint, neben politischen Zwängen, die hinter der öffentlichen Bühne auf sie einwirken, die doch recht kindlich wirkende Form ihres Christusglaubens (siehe ihr diesbezüglicher Vortrag im Internet) ihren Blick zu trüben, bei anderen könnte das Unvermögen eine Rolle spielen, die Werte der westlichen Kultur sinnvoll zu hierarchisieren statt orientierungslos zu nivellieren, d.h. Toleranz als Wert wird von ihnen mit persönlicher Freiheit als Wert auf eine Stufe gestellt, was im Falle des Islam logisch absurd ist, da der Islam die Freiheit der Person absolut negiert, d.h. dem Willen ´Allahs´ radikal unterordnet. Dieser Denkfehler hat auch zu der absurden Parole „Der Islam gehört zu Deutschland“ geführt, die - genau betrachtet - auf der gleichen Stufe der Unlogik steht wie, man verzeihe mir, die Parole „Der Nationalsozialismus gehört zu Deutschland“ - vorausgesetzt, man meint das moderne Nachkriegsdeutschland. Wer diese Analogisierung zu krass findet, sollte wissen, dass Adolf Hitler ein begeisterter Fan Mohammeds und des Islam war, da dieser, nach Hitlers Meinung, modellhaft vorexerziert hat, wie mit dem Volk umzugehen sei (nachzulesen in seinen ´Tischgesprächen´).
Um zu demonstrieren, wie naiv manche User dieses Forums (siehe den vorherigen Thread) ein paar aus dem Kontext gerissene Surenzitate als Beweis für einen „versöhnlichen“ Islam missverstehen, möchte ich beispielhaft drei der von WiSon zitierten Verse kommentieren und dabei aufzeigen, dass sie mit „Versöhnlichkeit“ (was immer das in diesem Zusammenhang auch bedeuten soll) nichts zu tun haben.
Sure 2, 40-47:
Oh ihr Kinder Israels gedenkt meiner Gnade , …, und erfüllt euren Bund mit mir. … Oh ihr Kinder Israels, gedenkt meiner Gnade, … und dass ich Euch vor den Weltenbewohnern bevorzugt habe.
(usw.)
In diesen Versen hält ´Allah´ den Juden vor, wie undankbar sie seien trotz all der Gunst, die er ihnen erwiesen hat, wobei hier ´Allah´ umstandslos mit dem jüdischen Jahwe der Tora identifiziert wird, d.h. was in den Augen der Juden Jahwe für sie getan hat, hat aus der Sicht des Koran in Wahrheit ´Allah´ (= Jahwe) getan. Das koranische ´Argumentationsschema´ der Undankbarkeit trotz erwiesener Gunst hat sein Vorbild in den Vorwürfen der altisraelitischen Propheten an das „Israel“ der präexilischen Zeit, von Jahwe in Undankbarkeit abgefallen zu sein (dem das präexilische Israel aber faktisch ohnehin nie ausschließlich angehängt hatte) und so den Bund zwischen Jahwe und Israel verraten zu haben. In Vers 43 wird dann deutlich, was es mit der sog. ´Gnade Allahs´ wirklich auf sich hat:
Und verrichtet das Gebet und entrichtet die Zakāt und verneigt euch mit den Sich-Verneigenden.
Die Juden werden, um der Gnade würdig zu sein, aufgefordert, „das Gebet zu verrichten“ und „die Almosensteuer zu zahlen“. Damit sind keineswegs Tätigkeiten gemeint, die nur einen äußerlichen Anschein wahren sollen, es geht vielmehr - als Bedingung für die Wiedererlangung der Gunst ´Allahs´ - um die vollständige Unterwerfung unter den Willen ´Allahs´, was durch das Verneigen vor ´Allah´ zum Ausdruck kommt. Tabari, der wohl wichtigste muslimische Kommentar des Koran, versteht das Verneigen in Vers 43 eindeutig als Akt einer inneren Unterordnung. Für einen Juden kann das nur bedeuten, sich einem Gott zu unterwerfen, den er auf der Basis des Judentums nicht als existent anerkennen kann. Mit „Versöhnung“ hat dieser Vers, wie auch die anderen in den von WiSon angesprochenen Versen 2,40-47 also gar nichts zu tun, sondern nur mit Unterwerfung (was ´Islam´ übersetzt ja auch bedeutet).
Sure 2,62:
Diejenigen, die glauben, und diejenigen, die Juden sind, und die Christen und die Säbier, all die, die an Gott und den Jüngsten Tag glauben und Gutes tun, erhalten ihren Lohn bei ihrem Herrn, sie haben nichts zu befürchten und sie werden nicht traurig sein.
Eine Deutung dieses Verses als Ausdruck von ´Toleranz´ kann auf zweierlei Weise entkräftet werden.
Die meisten muslimischen Kommentatoren setzen bei diesem Vers voraus, dass der hier angesprochene „Glaube“ auch für die Juden und Christen den festen Glauben an ´Allah´ als Voraussetzung für den göttlichen Lohn zwingend impliziert. Es reicht also nicht, dass Juden und Christen jeweils an ihren ´Gott´ glauben, sondern sie müssen erkennen, dass dieser ´Gott´ in Wahrheit schon immer ´Allah´ war, dem sie sich, „um nichts zu befürchten“ zu haben, unterwerfen müssen, wie es ja auch, siehe oben, in 2,23 zum Ausdruck kommt. Die englischen Übersetzer des Koran schließen sich dieser Deutung an.
Das islamische Interpretationsprinzip der Abrogation besteht darin, den Widerspruch zwischen Koranversen so aufzulösen, da der später entstandene Vers den früheren nichtig macht und ersetzt („abrogiert“). Im Falle von Vers 2,62 gibt es mehrere später entstandene Verse, die ihn in den Augen der meisten muslimischen Kommentatoren abrogieren, z.B. 3,85 und der Vers mit der weitreichendsten abrogierenden Kraft, der sehr spät entstandene berüchtige Schwertvers 9,5, der muslimischen Gelehrten zufolge satte 124 früher entstandene Verse nichtig macht, die in irgendeiner Weise Toleranz und Frieden zu befürworten scheinen. Ich nenne hier nur die ersten zehn:
2,62 (siehe oben); 2,83; 2,109; 2,139; 2,190; 2,191; 2,192; 2,217; 2,256 (siehe unten); 3,20.
Osama bin Laden z.B. war mit dem Abrogationsprinzip bestens vertraut und konnte seine radikalen, d.h. sich auf die Wurzel des Islam zurückbesinnenden Vorstellungen damit untermauern.
Sure 2,256:
Es gibt keinen Zwang in der Religion. Der richtige Weg ist nun klar erkennbar geworden gegenüber dem unrichtigen. Wer nun an die Götzen nicht glaubt, an Allāh aber Iman hat, der hat gewiss den sichersten Halt ergriffen, bei dem es kein Zerreißen gibt. Und Allāh ist Allhörend, Allwissend.
Wie schon oben in der Liste abrogierter Verse gezeigt, wird auch 2,256 vom kriegerischen Schwertvers 9,5 nach dem Abrogationsprinzip ungültig gemacht, sofern daraus eine ´pazifistische´ Deutung abgeleitet werden kann. Darüber hinaus abrogieren ihn die Verse 48,16, 9,29 (siehe unten),9,73 and 9,123.
Umstritten ist zudem bei muslimischen Experten die genaue Bedeutung der Formulierung „Es gibt keinen Zwang in der Religion“. Die Mehrheitsauffassung geht dahin, dass nicht gemeint ist, dass Zwang nicht ausgeübt werden darf, sondern dass er nicht ausgeübt werden kann, d.h. ein aufrichtiger Glaube an ´Allah´ kann nicht von Menschen befohlen, sondern muss von ´Allah´ eingegeben werden. Diese Auffassung findet Bestätigung in Sure 10,99, wo es heißt:
…wenn dein Herr (= Allah, Anm. Chan) wollte, würden die, die auf der Erde sind, alle zusammen gläubig werden. Willst nun du die Menschen (dazu) zwingen, dass sie glauben?
Vers 9,29, ein wie der Schwertvers spätes Produkt der Mohammed´schen ´Eingebungen´, sagt:
Kämpft gegen diejenigen, die nicht an Allah und den jüngsten Tag glauben und nicht verbieten, was Allah und sein Gesandter verboten haben, und nicht der wahren Religion angehören - von denen, die die Schrift erhalten haben - (kämpft gegen sie), bis sie kleinlaut (saghiruun) aus der Hand Tribut entrichten!
Für viele muslimische Exeten abrogiert dieser Vers den Vers 2,256, macht ihn also ungültig, eben weil er später als 2,256 entstanden ist und als Ausdruck einer reiferen Erkenntnis gilt.
Vom historischen Kontext her ist der in der frühen medinischen Zeit entstandene Vers als situationsbedingtes Zugeständnis an die medinischen Juden zu verstehen, auf deren Unterstützung er noch angewiesen war.
Schon gar nicht gilt die angebliche Freiheit vom Zwang zu einer Religion für Muslime selbst: Fällt ein solcher vom Islam ab, darf er hingerichtet werden, weil das den Stellenwert eines Hochverrats hat.
Wer noch immer meint, dass 2,256 so etwas wie Toleranz im Blick hat, sollte den unmittelbar darauf folgenden Vers 2,257 lesen (den WiSon natürlich NICHT zitiert hat):
Allah ist der Freund der Gläubigen: Er führt sie aus den Finsternissen ans Licht. Die aber nicht glauben, deren Freunde sind die Verführer, die sie aus dem Licht in die Finsternisse führen; sie sind die Bewohner des Feuers; darin müssen sie bleiben.
Chan