Liebe Karin,
ich habe fast nicht geglaubt, dass das Thema hier wirklich sachlich diskutiert werden kann. Doch in deinen Zeilen lese ich eine Bereitschaft ohne Polemik Argumente auszutauschen. Was bleibt mir also übrig, doch die Zeit abzuknausen, den Dingen ein wenig mehr auf den Grund zu gehen?
Ich habe mich ein wenig mit dem Original (bzw. der englischen Zusammenfassung) befasst.
http://www.court.gov.il/heb/psakdin/Summary.doc
Das finde ich äusserst lobenswert! Hatte ich aber tatsächlich
nicht vorausgesetzt, da dein Kommentar den entscheidenden
Aspekt aussen vor lässt:
Wer entscheidet - wer getötet werden darf?
Nun, es wurde zunächst die allerentscheidenste Aspekt betrachtet:
Darf überhaupt getötet werden?
und
Wer darf getötet werden?
Beiden Entscheidungen ist das Gericht nicht ausgewichen (was ein Leichtes gewesen wäre) und hat seine Urteile auch schlüssig begründet. Es hat den bequemen Weg über den undefinierten „unlawful combatant“ ausdrücklich ausgeschlagen und Terroristen den Status von Zivilisten zugewiesen, was ich bemerkenswert finde. Es hat Richtlinien erlassen, unter welchen Bedingungen solche Zivilisten ihren geschützten Status verlieren und militärisch angegriffen werden dürfen.
Das Gericht hat herausgestellt, dass ein solcher Angriff kein juristischer Prozess ist, sondern ein militärischer. Kein Terrorist darf gezielt getötet werden aufgrund seinen Taten in der Vergangenheit. Entscheidend ist allein seine Verwicklung in zukünftige Aktionen. Dann ist unter Umständen eine militärische Aktion, also eine Kriegshandlung erlaubt, die eben höchstwahrscheinlich tödlich sein wird.
Dieses Ansichtsweise gibt dann auch die Antwort auf deine obige Frage: Eine militärische Aktion wird von den militärisch Verantwortlichen entschieden. Allerdings – und da unterscheidet das Gericht zu „normalen“ Militäreinsätzen - muss der Vorgang im Nachhinein *) unabhängig, also nicht nur militärisch, untersucht werden.
Immerhin sehe ich es als sehr positiv, dass sich das Gericht
überhaupt als zuständig ansah. Dies war bei weitem nicht
selbstverständlich. Es hätte auch gut argumentieren können,
dass militärische Maßnahmen und Strategien ausschließlich in
die Jurisdiktion der Armee fallen
so wie es nach diesem Urteil wieder gehandhabt wird.
So stimmt das nicht. Im Urteil heißt es:
In order to intensify that character, and ensure maximum objectivity, it is best to expose that examination to judicial review. That judicial review does not replace the regular monitoring of the army officials performed in advance. In addition, that judicial review is not review instead of ex post objective review, after an event in which it is alleged that innocent civilians who were not taking a direct part in hostilities were harmed. After the (ex post) review, judicial review of the decisions of the objective examination committee should be allowed in appropriate cases. That will ensure its proper functioning.
Ich lese die Passage so, dass in konkreten Fällen der Rechtsweg durchaus eingeschlagen werden kann. Die Frage der Rechtmäßigkeit einer Tötungsentscheidung und die Frage der Angemessenheit kann einem ordentlichen Gericht vorgelegt werden. Das wäre verglichen mit der jetzigen Praxis ein gewaltiger Schritt.
oder ausschließlich auf
internationaler Ebene geregelt werden müssen.
Das wäre ein tatsächlicher Fortschritt gewesen.
Finde ich nicht. Ein solches Procedere hätte die Verschiebung auf den St-Nimmerleins-Tag bedeutet.
So aber gibt es nun einen ganz groben Maßstab, was erlaubt ist
und was nicht.
Woraus ersiehst Du das?
Daran wird sich die Regierung und das Militär
zukünftig halten müssen.
Da es keine konkreten und verbindlichen Anweisungen gibt, sehe
ich nicht, was sich an den aussergerichtlichen, gezielten
Tötungen ändern wird.
Gut, da rudere ich ein wenig zurück. Das Gericht hat die zwei Extremfälle, schwarz = verboten und weiß = erlaubt definiert, aber auch betont, dass es dazwischen unendlich viele Grautöne gibt, die von Fall zu Fall zu entscheiden sind. Es stimmt, dass das Gericht keine Checkliste gegeben hat, nach der zweifelsfrei vorgegangen werden kann. Wenn es aber zukünftig möglich ist, konkrete Fälle gerichtlich prüfen zu lassen, wird es eine solche Richtlinie in nicht allzu ferner Zukunft *) geben.
Zufrieden mit meinen Ausführungen?
Gruß Hardy
*) Dieses „im Nachhinein“ und „in der Zukunft“ erzeugt natürlich auch mir einiges Bauchgrimmen. Denn es heißt ganz klar, dass die Möglichkeit in Kauf genommen wird, dass man sich täuscht und Menschen tötet, die unter Prüfung aller Sachverhalte, hätten weiterleben dürfen müssen. Aus der Opfersicht ist dies eigentlich unannehmbar. Nur hat man bei militärischen Maßnahmen ja auch nicht unendlich viel Zeit. Ein langwieriger, mehrstündiger Kommandoprozess führt das Konzept der gezielten Tötungen ad absurdum. Der Entscheider muss immer einkalkulieren, die falsche Alternative zu wählen, möglicherweise nur, weil die Zeit drängt. Und die falsche Entscheidung heißt der Tod eines oder mehreren Unschuldigen. Ich, Hardy, würde eine solche Entscheidung NICHT verantworten können.