Hallo Max!
hunderte von Eingeborenensprachen
rund um die Welt, die weder eine Standardisierung noch eine
Literatur kennen - deswegen trotzdem aber Sprachen und keine
Dialekte sind.
Das ist beileibe nicht so einfach, wie Du es darstellst. Gerade bei den nicht-standardisierten Sprechergruppen fällt die Unterscheidung zwischen Sprache und Dialekt schwer.
Ich kann jetzt nur einige vage Angaben aus dem Gedächtnis machen, denke aber, dass das Problem dadurch klar wird.
Es gibt in Sibirien zahlreiche Sprachen mit wenigen Sprechern. Die Sprecher einer dieser Sprachen verstehen sich ganz gut untereinander - dennoch sind die Unterschiede zwischen Sprechern verschiedener Dörfer mitunter so gewaltig, dass es (Sprachforschern) schwer fällt, die Merkmale einer solchen Sprache zu beschreiben - man weiß halt nicht, an welcher Variante man sich orientieren soll. Natürlich bleiben Eigenschaften wie ergativisch/akkusativisch, Zahlensystem, agglutinierend/flektierend u.Ä. konstant; aber wenn man sich nur nach diesen richtet, muss man mehrere Sprachgruppen in der näheren Umgebung zusammenfassen, die sich untereinander nicht verstehen - und das würde doch dem Konzept „Sprache“ stark zuwiderlaufen.
Sinnvollerweise lässt sich hierbei tatsächlich nur das Konzept anwenden: Sprache ist die Gesamtheit solcher Dialekte, deren Sprecher einander verstehen.
Problematisch wird dies dann, wenn solch eine Sprache verschriftlicht - und damit standardisiert - wird. Dann gibt es auf einmal zahlreiche Dialekte, von denen einer oder mehrere (bei Oshiwambo z.B. sind’s 2) geschrieben werden können. Nur: Wonach wird ausgewählt? Sind einige Dialekte prestigeträchtiger als andere? Und sind die beiden Standarddialekte jetzt unterschiedliche Sprachen, weil sie beide verschriftlicht sind, und das, obwohl sie untereinander leicht verständlich sind?
Hier also das Problem der „Überstandardisierung“: Mit dem Konzept der Standardsprache schafft man mitunter künstliche Grenzen zwischen Dialekten. (Kann man ja im ehemaligen Jugoslawien auch beobachten.)
Die Konzepte „Standardisierung“ und „Verständlichkeit“ sind also disjunkt. Und was soll man jetzt mit Dialektgruppen tun, die nicht standardisiert sind, aber ein derart großes Verbreitungsgebiet haben, dass die Sprecher der unterschiedlichen Enden einander nicht mehr verstehen, wohl aber alle im Umkreis von 100 km? (Die Bantu"sprachen" Ugandas dürften in diese Kategorie fallen, wobei die Standardisierung hier auch immer weiter fortschreitet.)
Liebe Grüße
Immo