Ich bin ein Freund klarer Worte, also nichts gegen deine Bezeichnungen. Lustig ist nur, dass aktuell gerade ein gewisser anderer Herr zu faseln anfangen scheint:
Juncker verwirrt: EU-Kommissionschef faselt im Parlament von Außerirdischen
Tja, und dieses undemokratische Europa hatte Jahre, um Reformanstrengungen zu beginnen. Man hätte zumindest die Zahl der Eurokraten (Kommissare + Mitarbeiter) verringern und stärker auf eine Begrenzung der Befugnisse (Faktische Wiedereinführung des eigentlich nie abgeschafften Grundsatzes der Subsidiarität) setzen können. Aber wer will schon selbst seinen Job, der viel Geld fürs Nichtstun (im schlimmsten Fall sogar für das Anrichten von Schaden) in Zweifel ziehen?
Was Augstein fordert, ist genau das Gegenteil einer Reform, die die Kompetenzen der Nationalstaaten stärkt. Stell dir vor, dein Jakob sitzt in seinem dicken, fetten SUV und biegt falsch auf die Elbchaussee Richtung Wedel ab, obwohl er eigentlich nach St. Pauli will. Als er seinen Fehler bemerkt, hält er das Lenkrad fest und drückt kräftig aufs Gas.
Augstein tut so, als könne man die EU einfach so konzipieren, als wäre es ein Staat, und in Europa ein Zwei-Kammern-System einführen. Das ist aber nur scheinbar demokratisch. Es fehlt die Identität als ein Volk oder als eine Region. Ich erinnere diesbezüglich an die Sloterdijk-Debatte. Das heißt, man könnte sich mit diesem System nicht identifizieren, weil die eigene Stimme von Mehrheiten anderer Länder überstimmt werden könnte.
Noch ein Wort zu deiner Aussage, das Volk solle über eine so komplexe Frage wie die EU-Zugehörigkeit nicht entscheiden, weil es alle Folgen nicht überblicken könnte. Im Prinzip hast du damit sogar recht, denn es gehört zu den Merkmalen einer repräsentativen Demokratie, dass das Volk diejenigen wählt, die es für geeignet hält, sich mit solchen Komplexen Themen zu befassen.
Aber waren beim Brexit wirklich komplexe Fachfragen das entscheidende? Natürlich ging es auch um das Thema, ob der Brexit den Briten wirtschaftlich nutzt oder schadet. Aber das wird auch von den Experten nicht einhellig, sondern höchst unterschiedlich behandelt. Stand bei den Menschen nicht stattdessen eben die angesprochene Frage der Identität im Vordergrund? Die wenigen, überwiegend jungen Demonstranten in London, die zu einer deutlich geringeren Zahl als erwartet auf die Straße gingen, haben doch auch ihre Identität als Europäer betont und offenbar diesen Aspekt beim Referendum hervorgehoben. In ähnlicher Weise haben die 52% doch ein klares Votum abgegeben, dass sie den geplanten Identitätsverlust und den ideologisch motivierten Wandel hin zu einer europäisierten Gesellschaft nicht wollten.
Daher steckt der als unmodern gebrandmarkte Grundsatz des Ethnopluralismus. Dieser wird oft fälschlicherweise mit Nationalismus gleichgesetzt. Das ist ein Fehler, denn der Nationalismus beinhaltet nicht nur eine Besinnung auf die eigene Nation, sondern auch eine Höherwertung bzw. eine Abwertung anderer. Das Prinzip des Ethnopluralismus erkennt schlicht die Tatsache an, dass die europäischen Völker mit ihrer Kultur, Geschichte, Sprache und sonstigen Eigenheiten nebeneinander existieren. Dies führt zu Gleichberechtigung, Frieden, politische Zusammenarbeit - aber ohne künstliche Gleichsetzung und Aufhebung der Grenzen.
Ein Referendum über die Haushaltsplanungen der Ministerien wäre in der Tat verfehlt, weil sich keiner mit solchen Dingen befassen möchte. Das Referendum über den Brexit dagegen hatte die Frage der Identität zum Gegenstand. Daher war eine direkte Befragung des Volkes richtig und sogar passend. Das das Thema Migration bei so vielen Wählern eine tragende Rolle spielte, bestätigt dies. Die Menschen lehnen die ungesteuerte Zuwanderung, für die unter anderem Merkel steht, ab. Deine abwertenden Aussagen gegenüber dieser Mehrheit der Bevölkerung rühren daher, dass du deren Position nicht verstehen kannst und die Menschen aus diesem Grund für dumm hältst.