Ich erkläre die Rechtslage jetzt doch noch einmal ausführlicher und gehe sicherheitshalber erneut auf die Einwände von C_Punkt ein. Sina ire et studio und hoffentlich frei von allem, was man auch nur im Entferntesten als persönlichen Angriff werten könnte.
Bei der klassischen Urkundenfälschung geht es, vereinfacht gesagt, darum, dass eine Urkunde nicht von dem ausgestellt wurde, der als ihr Aussteller erscheint. Wer eine solche Urkunde zur Täuschung im Rechtsverkehr herstellt oder gebraucht, macht sich, wieder vereinfacht gesagt, wegen Urkundenfälschung strafbar.
Wenn ich von einer Urkunde im „materiell-strafrechtlichen Sinn“ schreibe, dann nicht, weil ich komplizierte Formulierungen so sehr schätze, sondern weil die Prozessrechte einen abweichenden Urkundenbegriff haben (materielles Recht ist das Gegenstück zum Prozessrecht). Das materielle Strafrecht versteht also unter einer Urkunde etwas anderes als zum Beispiel das Strafprozessrecht. Um materielles Strafrecht geht es hier, nämlich um das StGB, genauer gesagt dessen § 267.
Ich persönlich fand die Urkundsdelikte nicht von Anfang an leicht zugänglich und verstehe durchaus, dass sie immer wieder zu Missverständnissen führen (zum Beispiel: Eine schriftliche Lüge sei eine Urkundenfälschung). Was Urkundsdelikte etwas unhandlich macht, ist unter anderem die Frage: Was ist eine Urkunde?
Hier:
https://jura-online.de/lernen/urkundenfaelschung-267-stgb/3441/excursus
findet sich die letztlich richtige, wenn auch leicht missverständliche Antwort:
„Jede verkörperte Gedankenerklärung, die den Aussteller erkennen lässt […] und zum Beweis im Rechtsverkehr bestimmt und geeignet ist.“
Dass ein Kündigungsschreiben eine Gedankenerklärung ist, versteht sich von selbst und wurde in diesem Thread auch nicht bestritten. Verkörpert ist diese, weil sie nicht in den Sand geschrieben oder nur ausgesprochen, sondern fest niedergeschrieben wurde. Das Papier mit der Tinte ist die Verkörperung.
Die Frage lautet nun: Lässt das nicht unterzeichnete Kündigungsschreiben einen Aussteller erkennen? Diese Frage ist eindeutig zu bejahen, weil die Kündigung im oder unter dem Namen des Arbeitnehmers geschrieben wurde. Entweder ergibt sich der (falsche) Aussteller aus dem Briefkopf oder aus der (nicht handschriftlichen) Unterschrift. Dass im Namen des Angestellten gekündigt wurde, steht so im Ausgangsposting dieses Threads und kann daher nicht bestritten werden; der Sachverhalt ist so vorgegeben.
Dass es sich um den falschen Aussteller handelt, ist für den Urkundenbegriff irrelevant (nicht aber für die Frage, welche Art von Urkundenfälschung vorliegt). Aus der Urkunde oder auch aus den Umständen muss ein Aussteller hervorgehen, und die Urkunde muss so wirken, als sei ihr Inhalt diesem Aussteller voll zuzurechnen. Eine Urkundenfälschung liegt dann vor, wenn diese Zurechnung nur dem Anschein nach gegeben ist. Man kann eine unechte Urkunde herstellen (der Aussteller ist von Anfang an nicht der Hersteller der Urkunde) oder aber eine echte Urkunde verfälschen (der Aussteller hat eine Urkunde hergestellt, aber der Inhalt wurde nachträglich von jemand anderem geändert, der dazu nicht befugt war).
Der Aussteller muss nebenbei bemerkt nicht ausdrücklich genannt werden. Er wird es zum Beispiel bei dem berühmten Bierdeckel mit den Strichen darauf nicht. Aus den Umständen ergibt sich, dass der Wirt der Aussteller ist. Wenn ein Gast Striche irgendwie entfernt, verfälscht er eine echte Urkunde.
Nun hat C_Punkt zwei Beispiele gebracht, bei denen es sich in der Tat nicht um Urkundenfälschung handeln würde. Diese Beispiele ändern aber nichts daran, dass das Kündigungsschreiben eine unechte Urkunde ist. Man muss sich wohl klarmachen, warum in den beiden Beispielen keine Urkundenfälschung gegeben ist:
Beispiel 1: ein handbemalter Karton mit dem Kennzeichen HB - JJJJ 002. Es fehlt natürlich an der für § 267 StGb erforderlichen Absicht zur Täuschung im Rechtsverkehr. Es ist aber auch schon sehr zweifelhaft, dass hier überhaupt eine Urkunde vorliegt. Hier ist nämlich kein Aussteller erkennbar, auch nicht aus den Umständen, es sei denn, man lässt die Plakette dafür genügen; ich würde eher sagen, dass schon gar nicht der Eindruck entsteht, die Behörde habe den handbemalten Karton zulassen wollen, so dass sie als Aussteller ausscheidet. Die Frage lautet doch, welche Gedankenerklärung hier verkörpert sein soll. Eine Zulassung des Fahrzeugs mit TÜV und allem drum und dran ja offenbar nicht.
Beispiel 2: eine Serviette, auf die jemand „dies ist ein 38 Euro-Schein“ geschrieben hat. Klar, es fehlt an der Täuschungsabsicht, schon darum kann das keine Urkundenfälschung sein. Aber es lässt sich der Serviette auch kein Aussteller entnehmen. Wer soll denn das sein? Bei einer Banknote steht drauf, welche Notenbank sie ausgegeben hat. Wenn nicht, würde man es aus den Umständen schließen, weil nur die Notenbank es gewesen sein kann. Das ist bei der Serviette anders. Hier wird eben weder direkt noch indirekt ein Aussteller erkennbar.
Diese Begründungen sind nicht auf das nicht unterzeichnete Kündigungsschreiben übertragbar. Ich wiederhole mich: Von wem die Kündigung (eine unechte Urkunde) stammen soll, ist ihr eindeutig zu entnehmen.
Kommen wir also nach diesen eher allgemeinen Ausführungen auf die gebrachten Einwände, wobei ich die bereits behandelten Beispiele weglasse, da ich sie ja schon behandelt habe:
Einwand 1: Ohne Unterschrift kann über die Identität des Ausstellers nicht getäuscht werden. Es muss aber über die Identität (nicht über den Namen) getäuscht werden.
Natürlich geht es letztlich nicht darum, ob man einen falschen Namen angibt. Es geht bei der Identitätstäuschung darum, dass jemand anderes als Aussteller der Urkunde erscheint als derjenige, der die Urkunde (so, wie sie ist) erstellt hat. Die Täuschung über die Identität folgt in dem Ursprungsposting „aus“ der oder, vielleicht besser gesagt, erfolgt „über“ die Täuschung über den Namen. Es wird der Name einer anderen Person, einer anderen Identität verwendet und so eine unechte Urkunde hergestellt, weil diese Person die Kündigung nicht geschrieben hat. Man kann nicht bestreiten, dass das Kündigungsschreiben, das ja den Namen des Arbeitnehmers enthält, einen Aussteller hat. Man kann auch nicht bestreiten, dass der, der als Aussteller erscheint, die Kündigung nicht geschrieben hat. Und das nennt man halt das Herstellen einer unechten Urkunde.
Einwand 2: Wenn eine Urkunde eigentlich eine Rechtswirkung entfalten können soll, dies aber nicht tut, handelt es sich um keine Urkundenfälschung. So verstehe ich den Einwand jedenfalls. Originalzitat: „Bei der Frage der Kündigung sind wir an der gleichen Stelle: die nicht unterschriebene Kündigung kann überhaupt keine Rechtswirkung entfalten, weil eine notwendige Voraussetzung dafür fehlt: die Unterschrift.“
Es stimmt, dass die Kündigung in diesem Fall keine Rechtswirkung entfaltet, auch nicht entfalten würde, wäre sie von dem Arbeitnehmer. Laut BGB (§ 623 i. V. m. § 126 Abs. 1 ) müssen Kündigungen von Dienstverhältnissen mit Unterschrift erfolgen. Aber wie man am Prüfungssschema unter
https://jura-online.de/lernen/urkundenfaelschung-267-stgb/3441/excursus
ja gut erkennen kann, spielt dieses Kriterium für Urkundenfälschung keine Rolle.
Es fällt mir schwer, dazu mehr zu schreiben, weil es einfach keinen Hinweis auf ein Erfordernis gibt, dass die Urkunde, wäre sie echt und unverfälscht, Rechtswirkung entfalten können müsste. Besonders eindeutig ist das hier, wo die fehlende Rechtswirkung nur darauf beruht, dass eben Formvorschriften des BGB nicht eingehalten wurden.
Bonusmaterial:
Gäbe es das Erfordernis der Rechtswirksamkeit tatsächlich, und sollte der Täter nicht gewusst haben, dass eine Unterschrift für diese Rechtswirksamkeit erforderlich ist, wäre er wegen eines (untauglichen) Versuchs strafbar.
Ob ich in diesen Thread noch einmal hineinsehe, weiß ich nicht. Ich bitte um Verständnis.