Hi.
Schon lange frage ich mich, wie gewisse Tendenzen in der Esoterik mit unseren Auffassungen von Moral und Ethik vereinbar sind. Einführend dazu ein Zitat von Rüdiger Dahlke, einem der deutschen Vorzeige-Esoteriker:
„Da wir jedoch auf dem esoterischen Weg … die gesamte Verantwortung für unser Schicksal übernehmen müssen, ist es naheliegend, …usw.“
Das ist eine von vielen Textstellen aus esoterischen Büchern, die zum Ausdruck bringen, daß der Mensch alles, was ihm widerfährt, selbst zu verantworten hat, anders gesagt, er hat es - irgendwie - selbst verursacht.
Ich halte das für Bullshit und für tendenziell gefährlich. Es verführt zu einer amoralischen Haltung gegenüber Mitmenschen.
Ich kenne einige Leute, die der Auffassung sind, daß z.B. ein Unfall, der einer Person widerfährt, „karmisch“ bedingt und somit ein verdienter Schicksalsschlag ist. Dann heißt es schnell: „Na, der oder die wird in einem früheren Leben mal Mist gebaut haben, das rächt sich jetzt.“
Gefördert werden solche kaltherzigen Statements natürlich durch die Steilvorlagen aus der esoterischen Literatur (z.B. durch Dahlke und Dethlefsen). Sinn dieser Strategie ist es, Schuldgefühle, die irgendwo jeder Mensch hat, zu instrumentalisieren - eine Marketingstrategie, um mehr esoterische Klientel herbeizulocken?
Das Problem bei alldem ist ein falsch konzipierter bzw. falsch verstandener Karma-Begriff. Karma ist die psychologische Disposition einer Person, die sich bei einer (evtl.) Wiedergeburt auf den neuen Bewußtseinsträger überträgt.
Mit Unfällen, Krankheiten etc. hat Karma, jedenfalls generell, nichts zu schaffen.
Nehmen wir den Schicksalbegriff der Esoterik wörtlich, dann hatten alle Insassen der Konzentrationslager ihr Leid selbst zu verantworten, und zwar uneingeschränkt.
Amoralischer geht´s nimmer, denke ich.
Nagarjuna propagierte den Mittleren Weg. Auch der Karma-Begriff sollte in der Mitte liegen zwischen reiner Selbstverursachung und reiner Fremdverursachung. Alles andere ist gedankenlose Vergewaltigung der Wirklichkeit.
Gruß