Hallo!
Der Iran lebt vom Ölexport. Der Rest der wirtschaftlichen Aktivitäten ist kaum der Rede wert. Werden Ölexport und Benzinimport unterbunden, gehen dort binnen kurzer Zeit alle Lichter aus Auch die finanziellen Mittel u. a. zum Aufbau der Uran-Anreicherungsanlagen sind dann nicht mehr vorhanden. Im Fall solchen Embargos wird das Öl des Iran am Weltmarkt fehlen und der Ölpreis würde deutlich steigen. Die wirtschaftlichen Folgen wären weltweit möglicherweise unangenehm, für den Iran jedoch ganz sicher katastrophal. Mit weiterer Radikalisierung moslemischer Gruppen wäre zu rechnen. Die Ölförderung läßt sich nicht wie ein Wasserhahn einfach auf- und zudrehen, aber sie wäre wieder in Gang zu bringen.
Im Falle militärischer Aktionen träten für Ölpreis und Weltwirtschaft im günstigsten Fall die gleichen Folgen wie bei einem Embargo ein, mit hoher Wahrscheinlichkeit gravierender und länger anhaltend. Wenn Infrastruktur und Förderanlagen zerstört werden, kann es viele Jahre dauern, bis wieder nennenswerte Ölförderung stattfindet. Die mit Krieg regelmäßig verbundene großflächige und nachhaltige Umweltzerstörung und das menschliche Elend pflegen vor Kriegen niemanden zu interessieren, aber der Katzenjammer kommt gewiß. Genauso gewiß wird ein Krieg zur von der betroffenen Bevölkerung getragenen Radikalisierung führen und ein weiterer Unruheherd mit täglich über hundert Anschlägen wie im Irak, ratlosen Kriegsherren und einem perspektivlosen Land wird dabei mit letzter Sicherheit entstehen. Solches Vorhaben können nur erkenntnisresistente Fanatiker ernsthaft in Erwägung ziehen, die aus dem Fiasko im Irak nichts lernen wollen.
Wenn es eine Rechtsgrundlage, stichhaltige Beweise für das Streben nach Kernwaffen (damit meine ich ausdrücklich keine selbstgebastelten Bilder fahrbarer Laboratorien) und Einigkeit in der UN gibt, sind am Ölexport und Benzinimport des Iran ansetzende Embargomaßnahmen der gangbare Weg, um dem Regime im Iran Grenzen zu setzen. Die Leute haben nur eine einzige wirtschaftliche Säule und wenn die nicht mehr trägt, ist die ganze Herrlichkeit dahin.
Ich bin sicher, daß bei uns nichts Gravierendes passiert, wenn der Weltmarktpreis pro Barrel Rohöl von 65 $ auf 100 $ oder mehr klettert. Wenn das Ausgangsmaterial für Produkte der organischen Chemie teurer wird, gehen die Folgen im Rauschen unter. Oder wen interessiert, ob irgendein Komponentenpreis bei Abflußrohren, der vorher 10% des Verkaufspreises ausmachte, sich verdoppelt? Ist es wirklich wichtig, ob jemand für die 100 km zur Arbeit 5 Liter Benzin für insgesamt 6,50 € kauft oder ob es 8,50 € sind? Was passiert, wenn sich der tägliche Spritverbrauch um den Preis einer halben Schachtel Zigaretten verteuert? Muß jemand frieren, wenn die jährliche Heizölrechnung für das Einfamilienhaus statt 400 € plötzlich 700 € beträgt? Die Proteste können nur von Leuten kommen, die deutlich höheren Verbrauch haben, weil sie ihren überalterten Kram mit Technik und Denkweise ihrer Großeltern unbedingt über die Runden retten wollen.
Wir werden handlungsfähig, wenn wir unser Denken und Handeln nicht mehr so einseitig nach dem Tanz um das goldene Kalb - das Öl - ausrichten. Im Interesse unserer Umwelt, unseres technologischen Stands und unseres Portemonnaies müssen wir uns vom Öl ein Stück lösen. Die ewig Gestrigen, die unbedingt mit ihrem 2.000 kg schweren Boliden mit 200 Sachen Brötchen holen wollen, sich standhaft weigern, an ihrem 3.000 Liter Heizöl schluckenden Haus etwas zu ändern und die überhaupt jede Veränderung alter Gewohnheiten für Ökospinnerei halten, dürfen nicht länger den Ton angeben. Zu deren Gunsten sei angenommen, daß ihnen gar nicht bewußt ist, daß sie den Frieden gefährden und die technologische Wettbewerbsfähigkeit großer Teile unserer Wirtschaft ausbremsen.
Wir haben die freie Wahl: Wir setzen vorhandene Technologie ein, forcieren deren Weiterentwicklung, machen uns damit unabhängiger vom Öl oder wir kuschen weiterhin vor sämtlichen Allüren von Leuten, die ihre Macht über Rohstoffe nutzen. Wir haben nur die Ressource Hirnschmalz und sollten uns nicht länger weigern, sie einzusetzen. Mich ärgert maßlos, wenn ich auf den Internetseiten von Honda und Toyota pfiffige, serientaugliche Hybridantriebe sehe, während europäische, allen voran deutsche Hersteller über beleuchtete Schminkspiegel und versenkbare Becherhalter nicht hinaus kommen. Mich ärgert, daß immer noch Häuser mit einem Bedarf allein an Heizenergie von 100 kWh pro Quadratmeter und Jahr gebaut werden, während Leute wie der Architekt Rolf Disch (siehe http://www.rolfdisch.de ) vormachen, daß man den gesamten Energiebedarf der Bewohner eines Hauses (nicht nur für Heizung) nur aus der Sonne decken kann und dabei sogar noch Energie ins Verbundnetz einspeist. Besucher aus aller Welt bestaunen diese Architektur, während es hierzulande noch Leute gibt, die den Schattenwurf von Windrädern beklagen und daran festhalten, daß die einzige Technik in einem Wohnhaus über ein paar eingegipste Strippen nicht hinaus gehen darf. Opa hat das schon so gemacht und es muß reichen, koste es, was es wolle.
Wenn wir unsere technologischen Möglichkeiten konsequent einsetzen und erweitern, reduziert sich die Allmacht von Mullahs auf ein Stück Steppe oder Wüstensand. Rund 1/3 unseres gesamten Primärenergieeinsatzes geht für Raumheizung drauf. Das ist völlig unnötig verblasene Energie, die sich mit Technologieeinsatz auf einen verschwindend kleinen Anteil reduzieren läßt. Ein weiteres Drittel geht in den Individualverkehr. Mit heute käuflicher Technik läßt sich dieser Anteil halbieren. Insgesamt läßt sich rund die Hälfte unseres gesamten Primärenergieeinsatzes mit vorhandener Technik einsparen. Gleichzeitig ist damit ein Arbeits- und Wirtschaftsprogramm geradezu monströsen Ausmaßes verbunden. Das ist eine Aufgabe für die großen Energiefresser der Erde, allen voran Europa, die USA und Japan.
Um auf den Ursprung des Postings zurück zu kommen: Mit kriegerischen Mitteln werden weitere Probleme geschaffen, werden Elend und Ratlosigkeit erzeugt, aber nichts gelöst. Krieg ist auch das ungeeignete Mittel, um Menschen von westlichen Werten, von Menschenrechten und Freiheit zu überzeugen. Wer mit Gewalt daher kommt, ist nicht besonders glaubwürdig, wenn er Ratio, Ethik und Bildung predigt. Wer religiös-fundamentalistischer Lebensweise etwas entgegen stellen möchte, kann dies nicht überzeugend tun, wenn er mordend durch die Gegend zieht, um an Rohstoffe zu kommen. Wir sind nicht glaubwürdig, wenn wir einem Land die Nutzung einer Energieform verbieten wollen und dabei selbst mit Energie wie unsere Großväter umgehen. Dazu kommt speziell im Iran, daß dieses Land zum ersten Mal in seiner Geschichte zu Selbstbewußtsein kommt. Bis Khomeini 1979 aus dem Exil zurück kehrte, war der Iran abwechselnd und manchmal zugleich von Türken, Briten, Russen und Amerikanern besetzt und auch nach Ende der Besatzung war das Land unter dem Schah wirtschaftlich von Russen, Amerikanern und Briten abhängig. Nach dieser Vorgeschichte ist es verständlich, wenn jetzt Muskeln gezeigt werden und endlich Selbstbewußtsein wächst. Mehr als Maulheldentum steckt aber nicht dahinter, weil das Land neben Öl, Analphabeten und Koranschülern nicht viel zu bieten hat. Vom Export geknüpfter Teppiche und vom Verkauf der Früchte von Dattelpalmen, Pistazien und Mandeln kann der Iran nicht leben, er kann nicht einmal den eigenen Benzinbedarf decken. Der Iran hat seine Ölladeplätze am Persischen Golf und wenn durch das enge Nadelöhr am Golf von Oman nichts mehr heraus geht, wird es dort schnell zappenduster. Dafür braucht man keinen Krieg, muß kein Land zerstören, nicht tausende Tote billigend in Kauf nehmen und dafür muß sich niemand auf eine weitere schier aussichtslose Sache wie im Irak einlassen.
Vorher muß man die Frage stellen, ob die Anreicherung von Uran überhaupt irgendwelche Maßnahmen gegen den Iran rechtfertigt. Immerhin könnte der befürchtete Bau von Nuklearwaffen ebenso eine freie Erfindung wie das Chemiewaffenarsenal des Irak sein. Wenn ausgerechnet das Land, das unter fadenscheinigem Vorwand aus Afghanistan und Irak besetzte Terrorhöllen machte, sich als Wortführer drohender Gefahren betätigt, sehe ich ein Glaubwürdigkeitsproblem. Die USA sind das einzige Land, das schon einmal die Hemmschwelle zum Einsatz von Nuklearbomben überschritten hat und sie sind das Land mit dem weltweit größten Energiebedarf. Ich sehe zwar im Regime des Iran gewiß keine Leute, die nur auf Ausgleich und friedliches Zusammenleben der Völker bedacht sind, aber das gesamte sich seit Jahrzehnten in Nahost bietende Bild von der Politik speziell der USA verbietet, den Herrschaften etwas anderes als Streben nach Einfluß über Ressourcen abzunehmen.
Gruß
Wolfgang