Glaubenssätze im Materialismus
Hi „Phil“.
Du hast nicht den Materiebegriff als zu klärend in den Raum gestellt, sondern nach der Gleichsetzbarkeit von Materialismus und Religion gefragt.
Nach Gleichsetzbarkeit sicher nicht, sondern nach der (etwas ironisch gemeinten) Einordnung des sich selbst als nüchtern ausgebenden (philosophischen) Materialismus in die Kategorie „Religion“. Dass dabei der Materiebegriff abgeklärt werden muss, versteht sich wohl von selbst.
Um was es mir dabei geht, ist, den Anti-Esos zu verdeutlichen, dass sie erst mal ihre eigenen Flanken sichern sollen, ehe sie gegen spirituelle Lehren ins Feld ziehen. Ein Napoleon der Spiritualität könnte sonst ihre Truppen leicht in alle Winde zerstreuen.
Der Religionsbegriff ist nicht eindeutig definierbar, da die Vielfalt der Phänomene, die man darunter fasst, doch zu groß ist, um Eindeutigkeit zuzulassen. Ich will Religion hier ad hoc als „Weltanschauung“ definieren, die grundlegende Aussagen über das Ganze des Seins macht einschließlich die „Ursubstanz“ des Seienden (d.h. Was ist die Quelle aller Erscheinungen?). Charakteristisch für dieses Aussagensystem ist, dass sein Fundament nicht beweisbar ist, also – zumindest objektiv – auf Spekulationen beruht.
Im Falle des Materialismus (der das Materielle als die unhintergehbare ontologische Grundsubstanz ansieht) trifft dies alles zu. Mehr noch: der Materialismus muss sich letzte Spekulationen eigentlich versagen, denn diese führen im Bereich der Quantenphysik in Dimensionen, die den Materialismus zu widerlegen scheinen.
nein, Materialismus ist keine Religion – zumindest nicht, wenn er in einer wissenschaftlich-kritischen Sichtweise betrieben wird (was einzelne Leute daraus machen, steht auf einem anderen Blatt). Der Materialismus als wissenschaftlich begründete Weltsicht ist eine epistemisch den esoterischen Spielarten überlegene Position, da sie eben nicht auf reine Glaubensinhalte setzt, sondern sich auf im wissenschaftlich-rationalen Diskurs begründbare Annahmen stützt.
Ich denke, beim Materialismus gibt es, abgesehen von dem oben angesprochenen Glauben an die Ursprungsmacht des Materiellen, durchaus einige Glaubensinhalte, die unreflektiert vorausgesetzt werden, wenn es um „wissenschaftlich-rationale“ Annahmen geht. Von „epistemischer Überlegenheit“ würde ich überhaupt nicht sprechen. Denn der Horizont der NaWi-Epistemologie ist dafür denn doch zu eingeschränkt. Er klammert nämlich alles aus, was nicht messbar ist - und das ist eine verdammt große Menge, finde ich.
Ich hatte kürzlich die Philosophie-des-Geistes-Debatte im Philobrett thematisiert (wobei du leider fehltest). Diese Debatte zeigt auf der Seite der Materialisten (= Naturalisten), dass die Reduzierbarkeit des Mentalen auf das Physische ohne wirklich überzeugende Gründe axiomatisch zugrunde gelegt wird, um dann mit Hilfe kühner Thesen (z.B. „es gibt gar kein Bewusstsein“ = Eliminativer Materialismus von Churchland) die eigenen materialistischen Spekulationen durchzuboxen.
Das ist ein Beispiel für einen Glaubensinhalt. Das Mentale wird einfach „weggeglaubt“ und frech die Identität von Geist und Körper in einer Weise behauptet, die den Geist auf den Körper reduziert.
Das Problem, dem sich die Materialisten (hier die Anti-Esos) stellen müssen, ist also die Antwort auf die Frage, ob Geist existiert, wenn ja, in welchem Verhältnis er zum Körper steht, und wie er entstanden ist, und falls er aus dem Materiellen entstanden ist, wie das denn bitteschön vor sich gehen soll (außer mit magischen Formeln wie „Emergenz“ - siehe Searle).
Weiterhin müssen sich die Anti-Esos der Frage aussetzen, wie ihr nüchternes Weltbild mit dem Faktum zu vereinbaren ist, dass die Materie in ihrem Innersten absolut un-materiell ist (eine Struktur reiner Wahrscheinlichkeiten) und eher Ähnlichkeit mit vitaler Geistigkeit hat als mit dem konventionell unter „Materie“ Verstandenen.
Hier zur Anregung ein Bericht über die Anschauungen zeitgenössischer Wissenschaftler zum Thema Spiritualität und Naturwissenschaft. Das mit der „Erschaffung der Wirklichkeit“ ist eine beliebte These bei spirituellen Physikern, geht mir aber etwas zu weit, da sie zu solipstisch klingt. Passender wäre „Konstitutierung der Wirklichkeit“.
http://www.haus-gutenberg.li/Portals/0/Content/Konti…
Zitat:
„Universeller Geist
Der masseleere Raum ist Teil der geistigen Struktur. Geist beschreibt Warnke als «ein Feld, das Informationen verstehen und verarbeiten kann und damit ein Bewusstsein hat». Da die Lichtgeschwindigkeit durch einen Bruch mit zwei kraftabhängigen Konstanten im Nenner definiert wird, im Vakuum aber keine Kräfte wirken, wird die Lichtgeschwindigkeit unendlich. «Das heisst, eine Information, die ich in dieses Feld hineingebe, ist überall gleichzeitig, verbreitet sich überallhin gleichzeitig, ist an jeder Stelle in diesem Universum
abrufbar», erklärte Warnke eine wichtige Eigenschaft des masseleeren Raums. «Dieses sogenannte Psi-Feld als Meer aller Möglichkeiten wird als virtuell beschrieben – im Gegensatz zu unserer Realität aus westlicher Sicht, die wir durch Messung, durch Kraftübertragung, durch Zeitübertragung als real empfinden. Die östlichen Philosophien haben es genau umgekehrt gesagt», hielt Warnke fest. Aus der Energie, die in diesem Feld vorhanden.“
Zitat Ende.
Gruß
Horst