Ist Siezen altmodisch? Oder ungefragtes Duzen bloß frech?

Hallo,

ich bin kein Freund des totalen Duzens, d.h., dass ich
grundsätzlich mir fremde Personen sieze, und dass es mir nicht angenehm ist,
wenn ich ungefragt geduzt werde oder wenn ich in eine Gesellschaft gerate (Einladung,
Bürogemeinschaft o.ä.), wo das Duzen üblich ist (ob alle „Mitwirkenden“ da freudig
mitmachen oder sich gott-ergeben ins Gefüge einpassen sei mal dahingestellt…).

Ich sehe das Siezen als eine Art des (notwendigen) Respekts
an und das Duzen als eine Art der Verbundenheit, die man aber erst erreichen
muss im Umgang miteinander.

Als Sonderfall könnte ja noch die Situation eines
Rendezvous (neudeutsch: Dating) gelten: Ist es komplett altmodisch, mit „Sie“
zu beginnen oder überschreitet man KEINE Grenze, wenn man sofort das
kumpelhafte verschwitzte Du verwendet??

Was meint ihr? Eine große Bitte: Könnten die antwortenden
Personen ihr Alter mit angeben? Ich könnte mir vorstellen, dass die Antworten
jeweils in gewissem Zusammenhang mit dem Alter stehen.

Danke für Eure Antworten

ER

Hallo,
ich war und bin auch kein Freund des voreiligen „Du“ und deshalb auch deiner Meinung, allerdings habe ich mir einer gewissen Flexibilität angeeignet und sehe das nicht mehr so eng wie vor einigen Jahren. Mit meinen Kollegen bin ich ohnehin per du (bei einem Team auch sehr nützlich ) und wenn mir ein bislang Fremder mit einem „du“ begegnet, dann entscheide ich spontan ob ich mit einem „du“ reagiere oder beim „sie“ bleibe. In manchen Geschäften (z.B. IKEA) oder Kneipen, Restaurants gehört das „du“ ja sozusagen zur Geschäftspolitik. Ich bin übrigens 63.
Gruss
Czauderna

Dafür gibt es keine allgemeingültige Regel, da es auf die persönliche Sozialisation angkommt.

Ich (Ende 40) wurde in einer Zeit und in einem Umfeld erwachsen, in dem Duzen die Regel und Siezen die Ausnahme war. Deshalb fände ich es nachgerade bizarr, wenn mich bei einem Date mein Gegenüber siezen würde; vermutlich würde ich mich sogar leise fragen, ob er ein verkappter Psychopath ist. Jemand, der älter ist und/oder sehr viel konservatver sozialisiert wurde, sieht das bestimmt anders.

Für mich ist Duzen das Default-Setting. Wenn ich außerhalb von beruflichen Zusammenhängen, die das Siezen zwingend machen (wobei sie das in meinen inzwischen oft nicht mehr sind), eine gleichaltrige oder jüngere Person sieze, ist das für mich eine Form, den anderen auf unangreifbare Weise zu beleidigen.

:paw_prints:

Hi ER,

ich bin 48 und wuchs in einem eher konservativen Umfeld auf, in dem Siezen normal war und das DU Freunden vorbehalten war. Meine Mutter hatte jahrelang eine ca. 30 Jahre ältere Freundin, die sie jede Woche besuchte - und bis zum Tod der älteren Frau haben sie sich freundschaftlich gesiezt.
Ich brauche auch etwas, bis ich jemand das DU anbiete, habe aber i.d.R. auch keine Probleme damit, wenn mir jemand das DU anbietet, obwohl wir uns erst kurz kennen.

Aber bei einem Date wäre ich sofort in „Habacht-Stellung“, wenn mich der Gegenüber siezen würde. Da ist jemand, dem ich möglichweise bald körperlich sehr nahe kommen möchte und bei dem durch vorige Kontaktaufnahme ja schon eine gewisse Sympathie und NeuGierde :slight_smile: aufeinander ist - da fände ich ein siezen absolut unpassend.

Viele Grüße
Karin

Hallo,

ich bin gefühlte 20 Jahre alt.

Das DU wird gesellschaftlich und betrieblich aus dem Grund angewendet, um Gefälligkeitshaltungen zu erzeugen. Eine subtile Art und Weise um alle (also außerhalb der Familie und gute Freunde) zu korrumpieren und auf Linie zu bringen.

Einmal beim Du ist kaum noch Widerstand zu erwarten.

Das DU bezweckt auf gesellschaftlicher und betrieblicher Ebene einzig Gleichschalterei.

Grund sich davor zu verwahren.

Gruß mki

Das Duzen ist genauso kontextabhängig und Zeichen der Sozialisation wie z.B. Rauchen oder Köperpflege in der Öffentlichkeit.

Wenn die Hälfte bei einer Party raucht, wirst Du kaum danach fragen ob Du es auch darfst, wenn Du der erste bist, würdest Du Dich unwohl fühlen.
In der Bahn die Nägel zu reinigen ist den meisten zuwieder, beim Camping am Lagerfeuer nicht anstößig.

Beim gemeinsamen Fußball ist Duzen wohl eher üblich als beim gemeinsamen Springreiten oder Golf. Bei sympathischen Leuten wohl eher als bei unsympathischen. Bei gleichalten eher. Bei gleichem sozialen Rang auch eher. Bei wildfremden eher als bei Leuten, denen man noch mehrmals begegnet. Beim ersten Date in der Bahnhofspommesbude eher als im 4-Sterne-Restaurant in Abendgarderobe.

Je näher 2 Leute sozialisiert sind, umso eher haben sie das gleiche Gefühl dafür, direkt zu Duzen oder beim Sie zu bleiben. Das verbindet viel mehr als die Frage, ob am Ende geduzt oder gesietzt wird. (Alter : Halbzeit)

P.S.: unsäglich finde ich es, wenn man Penner, Bettler oder Randalierer dutzt, ohne dazu zu gehören, andere Fremde aber sietzt.

yep, so à la "Werteste Karin, wollen Sie Körperfluide mit mir austauschen? :smiley: "

Ein „Sie“ während eines Dates wäre für mich auch das Todesurteil und Grund ziemlich zeitnah zu verschwinden. Eine Ausnahme gibt es aber, nämlich dann, wenn die Person zwar deutsch spricht, es aber nicht richtig kann.

Im übrigen: In allen meinen Jobs als IT Freiberufler wurde bisher maximal einen Tag gesiezt. Spätestens, wenn der Boss (= Auftraggeber) zur Begrüßung erscheint, wird meistens auf Du gewechselt.

Hallo Edmund_4cb4b3,

mki hat es auf den Punkt gebracht!

Stell dir bitte vor, du verwendest sofort ein Du bei einem Dating mit einer - bis dato unbekannten - Person. So wirklich bist du von ihr nicht angetan, um es vorsichtig auszudrücken, also keine weiteren Dates mehr!
Eines Tages spricht dich dann diese Person bei einem Meeting (logischerweise in Gegenwart deines Chefs/deiner Chefin, deines Partners/deiner Partnerin mit DU an und du (!) bist dann irgendwie in der Zwickmühle. „Sofort DU, obwohl du diese Person nur kurz gesehen hast???“

Die Duzerei in manchen Geschäften oder auch im Radio nervt einfach!
Ein Du ist für mich - ich weiß, ich stamme aus dem vorigen Jahrhundert und wurde mit dem kleinen bedeutsamen Wörtchen Respekt groß - mehr als nur eine unverbindliche Anrede.

Übrigens fällt es wesentlich schwerer, jemanden per SIE dumm/unpassend/ungut/… anzureden, als per DU!

In diesem Sinne: Ich bleibe in persönlichen Gesprächen und auch am Telefon grundsätzlich beim SIE, außer bei guten Bekannten, Freunden und netten Verwandten.

Gruß

dafy

Dann ist das „Hamburger Sie“ doch genau richtig für dich! „Sabine, können Sie bitte mal in mein Büro kommen?“.

Hallo ER,

Das ist eine Sache der Erziehung!
Manche Leute verlieren den Respekt mit dem Du, bei anderen hat es keinen Einfluss.

Was jetzt üblich ist, ist eine Frage der Mikro-Kultur.
Auf dem Bau werden alle, ausser Architekt und Bauherr, geduzt, das war schon im Mittelalter so.

Auf dem Dorf ist es auch üblich, wer gesiezt wird, gehört nicht wirklich zur Dorfgemeinschaft. In der Stadt wird/wurde eigentlich gesiezt.
Es gab Zeiten, da hat man auch seine eigenen Eltern gesiezt, zumindest wenn man zur besseren Gesellschaft gehören wollte.

Im Angelsächsischen gibt es ein kleines Problem, zumindest vom Wortschatz her gibt es keine Unterscheidung von Sie/Du. Hier war es schon lange Üblich alle mit Vornamen anzusprechen, auch die obersten Chefs. Da hierzulande (fast) alle der amerikanischen Geschäftskultur nacheifern, hat sich dies auch hier seit 20-30 Jahren eingebürgert, vor allem wenn sich eine Firma global geben will …
Im deutschen Sprachraum gibt es noch so eine Zwischenlösung: Per Sie, aber mit Vornamen.

Im privaten Umfeld ist duzen eigentlich normal.

Ich selbst war in einem Internat mit Leuten aus der halben Welt und einem grossen Anteil an US-Bürgern. Da waren wir auch mit den Lehrern per Du, bis auf ein paar Ausnahmen, welche aber alle zu den „Alten“ gehörten.

Ich bin da sehr unempfindlich und flexibel im Bezug auf Sie und Du.
Ob man sein Gegenüber respektiert oder nicht ergibt sich aus den restlichen Wörtern! Man kann auch sehr respektlos sein, wenn man per Sie ist!

MfG Peter(TOO) welcher sich den 60 nähert.

Hallo dafy,

Damit bist du über 16. Damit ist immer noch eine Zeitspanne von 70 Jahren drin, in welchen sich die Gesellschaft recht unterschiedlich verhalten hat.

MfG Peter(TOO)

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Ich bin 50 und altmodisch.
Ich duze Verwandte, gute Freunde, enge Kollegen und gern auch Menschen, die mir sehr sympatisch sind, denen ich mich irgendwie positiv verbunden fühle.
Ansonsten eher „Sie“. Es gibt Gruppem, wo das Du anscheinend Standard ist (z.B. bei uns im Fußballverein oder auch unter den Eltern von Schülern einer Klasse), da fühle ich mich aber immer nicht so recht wohl und bin unsicher…
In manchen Regionen (z.B. als wir in Franken im Urlaub waren) scheint man auch immer DU zu sagen, da hab ich immer überlegt, ob ich auch einfach Du zurücksagen soll, es fiel mir aber schwer (zumindest teilweise).

Beatrix

Hallo,

Bitte?! Also alles nur (wieder) eine Frage der „Umstände“?

Respekt hängt nicht ab von der Form der Anrede sondern von BEDINGUNGEN: Dazu zählen Verbindlichkeit. Es gilt nur das gesprochene Wort, Spekulationen sind nicht erlaubt, keine Ausfragerei, keine Drohungen etc.

Respekt ist lediglich ein Teilaspekt.

In wie weit konstruktive Gespräche möglich sind, hängt davon ab wie gut sie strukturiert sind.

Die Anrede sehe ich von dir völlig überbewertet.

Gruß mki

Hallo ER,

soll ich dich hier duzen oder Sie siezen? (Ernst gemeint.)

Ich bin 57 werde auch nicht gern pauschal geduzt. In Internet-Foren finde ich es meistens okay - aber auch da gibt es Ausnahmen. Kollegen, Nachbar, ja klar, das geht (meistens).

Was ich aber gar nicht mag ist, wenn ich in Geschäftsbeziehungen geduzt werde. Es gib das z.B. eine Reihe von Video-Anleitungen zu allen möglichen Themen, die ich hochinteressant finde aber wegen des ewigen Geduzes abbestellt habe. Die Leute, die da via Video auf mich einreden, kennen mich doch gar nicht!

Okay, vielleicht bin ich altmodisch. Aber das muss ja nicht unbedingt immer schlecht sein.

Schöne Grüße
Ann da Cáva

Hallo mki,

Denkst du auch, vor dem Schreiben?
Respekt ist keine genetische Eigenschaft sondern eine erworbene, als anerzogen!

Bist du sicher, dass du meinen ganzen Text gelesen und verstanden hast?

MfG Peter(TOO)

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Es ist offenkundig despektierlich zu fragen, ob ich auch nachdenke bevor ich schreibe,

Es ist offenkundig gedankenlos zu schreiben, dass Respekt eine (bloß) anerzogene Eigenschaft sei (also ohne sich selbst Gedanken gemacht zu haben). Was denn jetzt?!

Interessant dürfte sein zu wissen, was Du mit der Verklausulierung ´restliche Wörter`eigentlich meinst?

Im Rahmen des Respekts gilt eigentlich nur das gesagte. Von daher kann ich bei Deiner Verklausulierung nur mit den Kopf schütteln. Aber Du hast natürlich die Gelegenheit jederzeit nachzubessern. Kommt da noch was?

Gruß mki

Hallo,

ich bin in den 30ern und denke, dass es immer stark von der Situation/Umgebung abhängig ist.
Grundsätzlich sieze ich bis der Gegenüber es anders möchte oder es sich z.B. durch besseres Kennenlernen anders ergibt. Ich kenne die Großmutter meines besten Freundes seit ich etwa 8 Jahre alt bin, treffe sie aber nur ca. ein mal im Jahr. Sie hat mich von Anfang an geduzt, ich habe sie bis letztes Jahr gesiezt, da hat sie mir das Du angeboten. Aus ihrer Richtung sehe ich es so, dass ein Kind erstmal eine bestimmte Reife erreichen muss, damit es sich einen gewissen Respekt verdient, allerdings blieb es in dem Fall beim Du, da sie mich schon so lange kennt. Aus meiner Richtung war es einfach aus Respekt und ist dabei geblieben, da ich nie viel mit ihr zu tun hatte.
Im beruflichen Umfeld kommt es immer auf den Arbeitsplatz an. Allgemein werden Vorgesetzte gesiezt und direkte Kollegen oft geduzt, im Handwerksbereich ist es aber meist eher so, dass alle geduzt werden.

Das Problem ist, dass es eine Verbundenheit zwischen einzelnen Personen, aber auch innerhalb einer Gruppe geben kann. Z.B. in einem kleineren Handwerksbetrieb, in dem sich alle duzen, würde das siezen gegenüber einem neuen Mitarbeiter zeigen, dass er nicht zur Gruppe gehört und man sich von ihm distanziert. In dieser Situation ist das Duzen und Siezen quasi vertauscht. Durch das Duzen wird ihm Respekt bekundet, da er in die „Betriebsgemeinschaft“ aufgenommen wird.

Du hast aber gemerkt, dass du uns duzt? Da das im Internet üblich ist, wäre das siezen, wie in meinem Beispiel mit der „Betriebsgemeinschaft“ eher negativ auffällig, da du damit zeigen würdest, dass du dich nicht als Teil der Gruppe siehst und dich abgrenzen willst.

Bei einem Geschäftsbrief würde ich grundsätzlich immer siezen. Ich finde es teilweise sehr unverschämt, wenn man von Händlern im Internet ohne weiteres geduzt wird, obwohl nur eine reine Geschäftsbeziehung besteht.

Bei einem Date sehe ich es so, dass man sich bereits gut genug versteht bzw. dass das Date bereits eine gewisse private/soziale Nähe vermittelt und man damit bereits beim Du angelangt sein sollte.

Gruß
Tobias

Hallo Peter,

schon richtig, dass ich über 16 Jahre bin - als Lehrende mit Erwachsenen ist das irgendwie so üblich (Studium schon im Kindergarten, das geht halt - noch immer - nicht :smile: )

Im Gespräch mit meinen erwachsenen Lernenden gibt es immer ein respektvolles wertschätzendes SIE, verbunden mit dem Vornamen. Logisch, dass meine Lernenden mich auch so ansprechen dürfen!
DUzen würde erwachsenen Lernenden gegenüber bedeuten, dass ich sie Kindern ähnlich sehe, die ja auch geduzt werden.
Übrigens ist es für sie so ganz erklärlich, dass man etwa bei Behörden das respektlose DU nicht verwendet.
Ob Erwachsene deutschsprachigen Kindern und Jugendlichen das heutzutage auch noch näherbringen? Manchmal denke und erfahre ich, dass das wohl an manchen vorbeigegangen ist.

Und noch ein Ausschließungsgrund für das DU:
Ich möchte nicht hören müssen, dass eine der (sehr freundlichen, zuvorkommenden und wirklich hilfsbereiten) Pflegerinnen meine 96jährige Mutter mit DU anspricht.
So und nun kann das Rechnen losgehen, wie alt ich bin - kleiner Tipp: schon älter als 16 und wesentlich jünger als 96 :smile:

Gruß

dafy

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Hallo,

natürlich ist es kontextabhängig und wie man sozialisiert wurde (aka Erziehung).

Bei mir (und auch nicht bei Peter, wie es scheint), hat Duzen oder Siezen absolut nichts mit Respekt zutun.

Eher umgekehrt.
Mir ist es sowas von Banane, wer mich siezt, duzt oder sonstwas.
Ich habe in einer englischsprachigen Schule gearbeitet. Der Rektor war deutsch, die Lehrer fast ausnahmslos englisch. Alle duzten sich. Dann kam ich dazu („nur“ Sekretärin) und ich wurde gesiezt und mit Nachnamen angeredet. Es war schrecklich.
Da ich meinem Chef nicht das Du anbieten konnte, habe ich nach dem „Hamburgischen Sie“ gefragt, d.h. im Englischen wäre ich You+Siboniwe gewesen und im Deutschen (also nur mit dem Rektor) Sie+Siboniwe. Er hat das abgelehnt, weil er meinte, dass sei ein schreckliches Gefälle, so à la Lehrer zu Oberstufenschüler. Und dann hat er mir das richtige Du angeboten.
Das hatte mit Kontext und Umgebung zu tun und nicht einen Deut mit Respekt (den ich vor ihm hatte und er vor mir).

Grüße
Siboniwe

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damit bleibt das Sie ja für Kellner, Sprechstundenhilfe oder Verkäufer. Aber mal ehrlich: Wenn Dir ein Fremder am Hotelfrühstück die Butter reichen soll, oder Du einen Passanten nach der Uhrzeit fragst, der nicht gerade im Studentischen-links-liberalen Regenbogen-Look rumläuft… Dutzt Du da wirklich?