Hallo,
eine Wissenschaft hat die Aufgabe Wissen zu schaffen. Wissen wird auch geschaffen wenn bisher geglaubtes Wissen falsifiziert wird indem man beweist dass eine Theorie, ein Modell… nicht stimmt. So vermeidet man dass falsches Wissen weiter gelehrt wird und weitere Theorien auf dieses falsche Wissen aufgebaut werden.
In allen mir bekannten Wissenschaftsbereichen laeuft das so:
Ein Wissenschaftler ueberprueft eine (etablierte) Theorie und wenn er beweisen kann dass diese nicht stimmt wird das publiziert und somit wird die falsche Theorie aus den Lehrbuechern gestrichen und ggf. durch eine neue ersetzt.
Bist Du Dir da ganz sicher, dass dies in allen Wissenschaften außerhalb der Naturwissenschaften so der Fall ist?
Eben der uebliche evolutionaere Weg der Wissenschaft - ausser bei der VWL!
Bei der VWL ist es keine Publikation wert wenn jemand eine bestehende Theorie widerlegt. Nur wenn jemand gleichzeitig ein Phaenomen mit einer anderen Theorie erklaeren kann als mit der bestehenden (falschen) Theorie wird es publiziert.
Wie widerlegt es denn da jemand? Gib mal ein konkretes Beispiel einer widerlegten Theorie.
Das ist natuerlich problematisch da es fuer einige Phaenomene eben keine vernuenftige Theorie gibt bzw. geben kann…
Na doch. Man sich eben auch vor Augen führen, dass es teilweise Theorien auf einem sehr hohem Abstraktions- und Aggregationsniveau sind. Hinzu kommt, dass es Modelle gibt, die kurzfristige Entwicklungen beschreiben und solche, die langfristige erklären wollen.
Da kann man naturgemäß sehr schnell danebengreifen, wenn man nun meint Lieschen Müller zu beobachten und festzustellen, dass sie sich nicht wie im Modell X verhält.
D.h. in der VWL werden falsche Theorien gelehrt und auf deren Basis neue Theorien entwickelt nur weil man bei der VWL nicht bereit ist Studien zu veroeffentlichen welche etablierte Theorien falsifizieren…
Wer ist denn dazu nicht bereit? Es wird doch ständig diskutiert, welches Modell denn nun das richtige sei.
Wenn jemand ein neue Modell veröffentlicht, heißt das noch nicht, dass das alte falsch war. Das neue kann nun genauer sein oder einfach einen anderen/weiteren Aspekt berücksichtigen. Ist ja nun nicht so, dass eine Volkswirtschaft mit Millionen Austauschbeziehungen eine banale Sache wäre.
Das klassische Modell von Angebot und Nachfrage ist zweifellos richtig, auch wenn man millionenfach beobachten kann, dass es nicht zutrifft. Daher gibt es auch Modelle, die erklären, warum steigende Preise zu steigender Nachfrage führen können oder das Preise keinen Einfluss auf die Nachfrage haben. Da wurden dann aber auch die Modellannahmen verändert.
M.E. ist die VWL deshalb keine Wissenschaft sondern hat eher die Kennmerken einer Religion: Dogmen werden verbreitet und wenn jemand diese widerlegt wird er ignoriert.
Es gibt da sicher wie überall solche die lauter schreien als andere.
Was findet ihr? Ist VWL eine Wissenschaft?
Natürlich. Allerdings eine mit einer etwas höheren Theoriepluralität als bei anderen. Man muss eben aufpassen, ob das beobachtete Phänomen überhaupt vom Modell X erklärt werden kann. Das kann bei Lieschen Müller bereits daran scheitern, dass sie nicht rational handelt. Eine Annahme, die für viele Modelle gilt und die in der Realität oft genug verletzt wird.
Zur Weltanschuung kommt es immer dann, wenn Politiker meinen, ein Modell verstanden zu haben und dann auch noch meinen, dass dessen Annahmen immer und überall gelten würden. Das führt dann schnell zu Milchmädchenrechnungen, etwa das eine Erhöhung der Staatsausgaben zu Wachstum führe und daher eine zusätzliche Schuldenaufnahme eine prima Sache sei. Stimmt ja auch, im Ein-Perioden-Modell. Im Mehr-Perioden-Modell sieht es dann wieder anders aus. Politiker sind eben auch nur ganz normale Menschen und nicht der Homo oeconomicus.
Grüße