kleine Einführung in die Metrik
Hallo hahu,
ich versuch’s mal anders rum, weil die Begriffe bei Dir etwas durcheinander gehen.
Zunächst einmal ist es sinnvoll, ganz allgemein vom ‚alternierenden Vers‘ auszugehen. Das sind Verse mit einem geraden Rhytmus - also immer betonte und unbetonte Silbe abwechselnd (alternierend).
Lassen wir nun einmal den Begriff ‚Vers fuß‘ vorerst außer Betracht, sondern sprechen wir vom Vers takt - das ist zum Identifizieren viel einfacher. Ein Takt besteht bei alternierenden Versen immer aus einer betonten und einer unbetonten Silbe. Der Takt beginnt immer mit einer betonten Silbe. Beginnt nun der Vers mit einer unbetonten Silbe, dann nennt man diesen ‚halben‘ Takt Auftakt.
Jetzt kommt’s: ein alternierender Vers mit Auftakt ist immer ein jambischer Vers. Ein alternierender Vers ohne Auftakt logischerweise ein trochäischer Vers. Eigentlich ganz einfach …
Mithin ist Deine Frage falsch gestellt:
wovon hängt es ab, ob in einem Vers das Metrum Jambus oder
Trochäus mit Auftakt vorliegt?
Es gibt kein Metrum „Trochäus mit Auftakt“. Sinnvoll gestellt wäre die Frage so:
wovon hängt es ab, ob in einem Vers das Metrum Jambus oder
Trochäus mit Auftakt vorliegt?
Antwort: davon, ob der Vers einen Auftakt hat (jambisches Versmaß) oder nicht (trochäisches Versmaß).
Beispiel:
Die goldnen Sternlein prangen = x X x X x X x
am Himmel hell und klar. = x X x X x X
… hat also ein jambisches Versmaß.
Manche lernen’s nie = Xx Xx X
… hingegen ein trochäisches während
Doch Manche lernen’s nie = x Xx Xx X
… wieder jambisch ist. Verstanden? Wir reden hier von unterschiedlichen Rhytmen - und das letzte Beispiel unterscheidet sich vom vorletzten eindeutig durch seinen Rhytmus.
Bislang habe ich gedacht, dass die Wortgrenzen weiterhelfen,
Nein, wie Chan schon sagte sind die Wortgrenzen ohne Belang.
sich die Versfüße also tendenziell an den Wortgrenzen
orientieren.
Versfüße (wir haben bislang ja von Takten und Rhytmen gesprochen) ist ein anderes Thema. Die Versfüße lassen sich zwar wunderbar auf die antike griechische Lyrik anwenden (woher deren Bezeichnungen ja auch rühren), die Anwendung auf die deutsche Sprache ist aber problematisch. Das hat etwas damit zu tun, dass wir in der antiken Lyrik eine quantitierende Metrik haben, in der deutschen jedoch eine akzentuierende. Wenn wir den Rhytmus identifiziert haben, genügt es, die Takte zu zählen, um die Anzahl der ‚Füße‘ festzustellen. Halbe Takte werden nur gezählt, wenn sie aus einer betonten Silbe bestehen. Man kann also einfach auch die betonten Silben zählen.
Diesmal mit Taktstrichen:
Die goldnen Sternlein prangen = x | Xx | Xx | Xx
am Himmel hell und klar. = x | Xx | Xx | X
… ist ein dreitaktiger jambischer Rhytmus bzw. ein sog.
dreifüßiger Jambus: υ– υ– υ– υ / υ– υ– υ–
hingegen:
Fest gemauert in der Erden = Xx | Xx | Xx | Xx
steht die Form aus Ton gebrannt = Xx | Xx | Xx | X
… ist ein viertaktiger trochäischer Rhythmus bzw. ein sog.
vierfüßiger Trochäus: –υ –υ –υ –υ / –υ –υ –υ –
Du bemerkst, dass auch die Versfüße (wie die Takte) nicht immer (1. Beispiel 1. Vers und 2. Beispiel 2. Vers) komplett sind? Deswegen (weil es ‚halbe Versfüße‘ eigentlich nicht gibt) sollte man bei deutscher Lyrik eigentlich auch besser von jambischen (trochäischen … usw.) Rhytmen / Metren sprechen, nicht von Jamben, Trochäen usw. - und von Takten, nicht von Füßen. Bzw. sich im Klaren sein dass, wenn von einem ‚vierfüßigen Jambus‘ die Rede ist, streng genommen ein viertaktiges jambisches Metrum gemeint ist.
Freundliche Grüße,
Ralf