Jeder ist seines Glückes Schmied

Hi zusammen,
mich würde zuerst mal interessieren, woher dieser Spruch stammt.

Und dann der Hintergrund: Was soll er uns sagen? Trifft er wirklich zu? Warum äußern ihn hauptsächlich Leute, die auf der sicheren Seite sind/sich sicher fühlen? Eine Frage des Selbstbewusstseins?

Der Satz vermittelt ja: jeder kann es schaffen, wenn er nur will. Wenn man es also nicht schafft, ist man selber schuld? Zu blöd? Zu faul? Entbindet natürlich von jeder Art der sozialen Verantwortung, sehr praktisch.

Auf Eure fundierten Gedanken gespannt
Grüße
kernig

Hallo!
Ich versuche, der Reihe nach zu antworten.

mich würde zuerst mal interessieren, woher dieser Spruch
stammt.

Mir ist er nur begegnet im 1. der beiden (ziemlich sicher fälschlicherweise) dem Sallust zugeschriebenen Briefe an Caesar. Dort wird er als Zitat in indirekter Rede angeführt:
„res docuit id verum esse, quod in carminibus Appius ait: fabrum esse suae quemque fortunae“ ([Sallust], ep. 1 ad Caes. 1,1,2).
Also: „Die Wirklichkeit hat bewiesen, dass es zutrifft, was Appius in Gedichten sagt: Jeder sei seines Glückes Macher.“
„Faber“ ist nicht nur der Schmied, sondern jeder Handwerker oder Hersteller oder Künstler. „Facere/machen“ steckt wahrscheinlich drin.

Und dann der Hintergrund: Was soll er uns sagen? Trifft er
wirklich zu?

Im zitierten Text geht voraus, dass man „antea/früher“ der Meinung war, Königswürde und Herrschaft würden vom Schicksal oder Glück („fortuna“) gegeben (dono dare: zum Geschenk gemacht). In diesem Zusammenhang ist dann der oben zitierte Satz mit „sed/aber“ eingeleitet: „Aber die Wirklichkeit hat bewiesen …“
Das heißt also, dass nicht eine von Außen einwirkende überpersönliche Macht (Fortuna als Göttin), sondern jeder höchstpersönlich für seine persönliche fortuna zuständig ist.

Warum äußern ihn hauptsächlich Leute, die auf der
sicheren Seite sind/sich sicher fühlen? Eine Frage des
Selbstbewusstseins?

Aus eben dem gesagten Grund: Es soll ausgedrückt werden, dass es sich um Leistung und Erreichtes, nicht um Zufall handelt.

Der Satz vermittelt ja: jeder kann es schaffen, wenn er nur
will. Wenn man es also nicht schafft, ist man selber schuld?

Das wird dann wohl mitgedacht werden können oder sollen.
Ob man so weit gehen soll:

Zu blöd? Zu faul? Entbindet natürlich von jeder Art der
sozialen Verantwortung, sehr praktisch.

… weiß ich nicht.

Ich habe den Satz immer aufgefasst im Sinn des homo-faber: Der Mensch, der handeln muss und für sich selbst verantwortlich ist.

Im übrigen meine ich, dass dieser Satz so bekannt ist, dass du im Interet bestimmt Interpretationen zuhauf findest.

Vielleicht findest du die Zeit, uns deine

fundierten Gedanken

wissen zu lassen.

Freundliche Grüße!
H.

Hallo,

hier ist zu diesem Thema ein exzellenter Beitrag der NZZ:

http://www.nzz.ch/aktuell/feuilleton/uebersicht/niem…

Gruß

Hi!

Im zitierten Text geht voraus, dass man „antea/früher“ der
Meinung war, Königswürde und Herrschaft würden vom Schicksal
oder Glück („fortuna“) gegeben (dono dare: zum Geschenk
gemacht). In diesem Zusammenhang ist dann der oben zitierte
Satz mit „sed/aber“ eingeleitet: „Aber die Wirklichkeit hat
bewiesen …“

Mit der Gegenüberstellung klingt der Satz für mich viel sinnvoller.

Ich habe den Satz immer aufgefasst im Sinn des homo-faber: Der
Mensch, der handeln muss und für sich selbst verantwortlich
ist.

Soweit, so gut. Aber doch nur im Rahmen der ihn umgebenden Möglichkeiten und Bedingungen?

Ich zitiere mal einen Satz aus dem in der anderen Antwort empfohlenen Artikel:
„Doch der Gedanke, der in ungezählten Ratgeberbüchern gebetsmühlenartig wiederholt wird, man habe sich als Einzelner nur aufzuraffen, «positiv» zu denken und ein paar Regeln zu befolgen, um sein Glück zu machen, kann bestenfalls als naiv, angesichts der ungezählten Variationen menschlichen Leides aber auch als zynisch bezeichnet werden.“
Das fasst mein Unbehaben bezüglich diesen Satzes schön zusammen. Und ich frage mich, warum man ihn trotzdem so oft zu hören bekommt.

Im übrigen meine ich, dass dieser Satz so bekannt ist, dass du
im Interet bestimmt Interpretationen zuhauf findest.

Ja, das hier ist natürlich auch Teil des Internets. Trotzdem ist mir eine konkrete Antwort hier lieber als „irgendwo“ im Internet.

Vielleicht findest du die Zeit, uns deine

fundierten Gedanken

wissen zu lassen.

Wenn ich mir darüber im Klaren wäre, würde ich das gern tun. Ich frage aber, weil ich meine Gedanken dazu gern ein wenig mehr fundamentieren und sortieren würde.

Deshalb danke für Deine Antwort
Grüße
kernig

Woher das Sprichwort stammt, weiß ich nicht. Ich vermute, es ist sehr alt, eine „Binsen-Wahrheit / -Weisheit“ möglicherweise, die die Menschen „schon immer“ wußten.

Erstens: Den Spruch kann jeder so deuten, wie er will. Er trifft in jedem Falle zu. Auf der materiellen Ebene ebenso wie auf der höheren, spirituelle, Ebene.
Es kann also materielles „Glück“ (Wohlhabenheit) gemeint sein, als auch - auf der höheren Ebene - das (dauerhafte, bedingungslose) Glücklich-SEIN, Wohl-STAND, Wohl-SEIN.

Warum wird er - scheinbar - mehr von den „Erfolgreichen“ verwendet?
Einfache psychologische Logik: Wer wenig erfolgreich ist, vermeidet diesen Spruch tunlichst - denn derjenige würde sich damit ja selbst ins schlechte Licht rücken.

Jeder kann „es“ schaffen:
Kommt darauf an, was man unter „Glück“ versteht, wie man es deutet: Im Materiellen oder im Geistig-Seelischen (Spirituellen).

Die moderne Gesellschaft vermittelt uns mehrheitlich, daß das Materielle das Wesentliche ist. Aber es gibt auch Kritik an diesem Konzept - und zwar aus durchaus berufener, kompetenter Feder. Ich befasse mich seit über 20 Jahren privat mit den Verhältnissen der zivilisierten Gesellschaft und deren Grundlagen. Eine Literaturliste findet man in meinem „Arbeitsblatt Kollektive Zivilisations-Neurose“ auf meiner HP Seelen-Oeffner.

Ich, 66, kenne inzwischen BEIDE Seiten. Bis zum 40. Lebensjahr habe ich mich an der „Normalität“ der Gesellschaft orientiert (die von Arno Gruen und Erich Fromm - unter einigen anderen heftig kritisert wird). Nach meiner schweren Krise 1987 habe ich einen anderen Weg eingeschlagen - der mich finanziell starke Einbußen gekostet hat, aber ich bin jetzt immerhin „bedingungslos glücklich“. Und das wiegt alles andere auf.

Schuld? Zu blöd / faul?:
Nein, das alles ist es nicht!
Unter wahrhaft gesunden gesellschaftlichen Verhältnissen wäre es „kinderleicht“, bedingungslos glücklich zu werden. Leider haben wir keine solchen Verhältnisse, sondern die zivilisierte Gesellschaft ist krank. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn „k-rank“ meinte ursprünglich den Mangel an Lebendigkeit, an „Lebens-Energie“ / „Lebenskraft“.
Und an / unter diesem Mangel leidet die - wachsende - zivilisierte Gesellschaft seit vielen tausend Jahren. Wir sind von dieser Kraft und dem dazugehörigen Bewußtsein „entfremdet“.
Aber keine Panik:
Diese gesundheitliche Störung - ich nenne sie die „Kollektive Zivilisations-Neurose“ - ist in jedem Einzelfall grundlegend heilbar, zu jeder Zeit - und auch noch im fortgeschrittenen Alter!
Ich weiß es. Ich bin diesen Weg seit 1987 gegangen.

Wird immer so getan, als ob das zutraefe.

Ist aber nicht so!

Das wenigste - wennn ueberhaupt etwas - kann der Mensch, das Individuum SELBST bestimmen. Siehe hier:

http://www.wer-weiss-was.de/philosophie_ethik/strukt…

MOD: - Link korrigiert

Hi

Der Satz vermittelt ja: jeder kann es schaffen, wenn er nur
will. Wenn man es also nicht schafft, ist man selber schuld?
Zu blöd? Zu faul? Entbindet natürlich von jeder Art der
sozialen Verantwortung, sehr praktisch.

Das wäre die negative Auslegung. Die positive ist aber nach wie vor auch wahr. Vielleicht muss man dialektisch an den Spruch herangehen.
Bei aller Einschränkung durch Krankheit, Armut, Unglück usw. bleibt doch der Wahrheitsgehalt des Spruches bestehen: Wenn man die eigenen Talente und die eigenen Neigungen kennt und überdies noch beide auseinander halten kann( !), dann hat man bessere Möglichkeiten im Leben als jemand, der ständig aufs falsche Pferd setzt oder keinen Blick fürs Wesentliche hat. Man sollte also Prioritäten setzen können und einen Blick für die Gunst der Stunde entwickelt haben.
Gruß,
Branden

… wenn wir mal unser herkömmliches Wissen beiseite lassen und über den „Tellerrand“ hinausblicken und die Frage den fernöstlichen Religionen vorlegen, dann ist alles ganz einfach und eigentlich auch sehr plausibel.
Für alle unsere Handlungen - Denken, Reden, Tun - gibt es nur einen „Täter“ nämlich uns selbst. Alles was wir machen unterliegt dem Gesetz der Ursache und der Wirkung. Ursache: Hätten unsere Eltern keinen Sex miteinander gehabt, dann gäbe es uns heute nicht. Wirkung: Wie schon erwähnt, wir selbst. Handeln wir also heilsam (gut), haben wir ein entsprechendes Resultat zu erwarten. Handeln wir unheilsam (schlecht), jaaa dann …, der Saure Apfel oder die Bittere Frucht, die es zu verdauen gilt …!
Wenn wir Disteln säen, können wir nicht erwarten Rosen zu ernten, oder? Da unsere Handlungen, besser gesagt, das Ergebnis dieser, nicht nur auf uns selbst zurückfallen, sondern uneingeschränkt auf Das Ganze wirken, ist es ratsam, mit diesen sehr achtsam umzugehen um Leid zu verhindern und künftiges Glück zu fördern.
Ein schönes „Bild“ spricht davon: Das es nicht möglich ist, dem Resultat seiner Handlungen (Karma) zu entkommen; „nicht auf höchster Bergeshöh` und nicht im tiefsten Erdengrund“. Ganz gleich also, wo wir uns verstecken mögen, es gibt kein Entkommen! Eigentlich sind dies nur Worte, die etwas beschreiben und von unserem Verstand wenn nicht gleich dann bestimmt etwas später in eine Schublade gelegt werden. Es ist ganz leicht und einfach, wie oben schon angedeutet; wenn man aber darum weiss und es „geschmeckt“, heißt, ein Stück weit verinnerlicht hat. Es kann dazu führen, Hintergründe und Zusammenhänge und manch andere Dinge zu erklären, die sonst vielleicht für immer im Dunkel oder Verborgenen geblieben wären …

Ich finde diesen Spruch zynisch - ob er nun über dem Bett von S. Vettel hängt, dem von J. Ackermann oder dem eines somalischen Bootsflüchtlings.

Dazu Seneca
Hallöchen,
Seneca ist der folgende Satz zugeschrieben: „Glück ist, was passiert, wenn Vorbereitung auf Gelegenheit trifft.“

Nimmt man diese Definition in den Kontext, so muss man in gewisser Weise aus Sicht der Erfolgreichen dem Satz „Jeder ist seines Glückes Schmied“ zustimmen.

In der Form, dass eine nicht richtig ergriffene (verschluderte) Gelegenheit dazu führt, dass man eben kein Glück hat.

Allerdings gilt nicht der Umkehrschluss, „Wer kein Glück hat, hat geschludert“, denn wir haben - aussagenlogisch - folgende Konstellation:

Vorbereitung * Gelegenheit ==> Glück

Es gilt:
-Vorbereitung * [Gelegenheit | -Gelegenheit] ==> -Glück,
aber auch:
[Vorbereitung | -Vorbereitung] * -Gelegenheit ==> -Glück

Oder, in Kurzform: - [Vorbereitung | Gelegenheit] ==> -Glück

Damit lässt sich, freisprachlich, sagen:
Wenn keine Gelegenheit da war, bringt die beste Vorbereitung nichts.
Wenn keine Vorbereitung da war, bringt die die beste Gelegenheit aber auch nichts.

Dementsprechend wäre der Satz „Jeder ist seines Glückes Schmied“ als Implikation, nicht als Äquivalenz zu verstehen: Wenn jemand „Glück hat“, dann wurde dafür auch was getan (und es bestand eine Gelegenheit).

Genauso kann man auch klar die folgende Implikation treffen: Wenn eine Gelegenheit da war und diese nicht ergriffen wurde, dann ist die Person selbst für ihr Unglück verantwortlich.

Das letzte Stückchen, was für Dich problematisch ist „Vielleicht hatte man auch einfach keine Chance“ — das fehlt tatsächlich in der Logik, sonst wäre es ja auch eine Äquivalenzrelation und keine Folgerung.

Gruß,
Michael

Modus tollens
Falsche Pfeilrichtung, muss mich korrigieren:

Vorbereitung * Gelegenheit ==> Glück

Es gilt:
-Vorbereitung * [Gelegenheit | -Gelegenheit] ==> -Glück,
aber auch:
[Vorbereitung | -Vorbereitung] * -Gelegenheit ==> -Glück

Oder, in Kurzform: - [Vorbereitung | Gelegenheit] ==> -Glück

Soll heißen:

  • Glück ==> ( -Vorbereitung * [Gelegenheit | -Gelegenheit] ) | ( [Vorbereitung | -Vorbereitung] * -Gelegenheit )
    bzw. kurz:
  • Glück ==> - Vorbereitung | - Gelegenheit

War mein Fehler, denn es ist der sog. „modus tollens“.
Rest bleibt.

Gruß,
Michael

Hallo!

Seneca ist der folgende Satz zugeschrieben: „Glück ist, was
passiert, wenn Vorbereitung auf Gelegenheit trifft.“

Gibt es dafür einen Nachweis?
H.

Seneca ist der folgende Satz zugeschrieben: „Glück ist, was
passiert, wenn Vorbereitung auf Gelegenheit trifft.“

Gibt es dafür einen Nachweis?

Dass ihm das zugeschrieben wird, steht hier:
http://en.wikiquote.org/wiki/Seneca_the_Younger

Das tatsächliche Originalzitat wäre hier:
http://thriceholy.net/Texts/Benefits4.html

“The best wrestler,” he would say, “is not he who has learned thoroughly all the tricks and twists of the art, which are seldom met with in actual wrestling, but he who has well and carefully trained himself in one or two of them, and watches keenly for an opportunity of practising them."

Sorry wenn ich das jetzt weder auf Latein noch Deutsch finde, ich hoffe aber, es reicht.

Gruß,
Michael

GUECK IST… HARTE ARBEIT :smile:
http://www.zeit.de/2006/13/L-Munro-Interv_/kompletta…

Ja, sehr schoener Artikel in der NZZ!

By the way:

Wenn wir aber den Stein (Camus) nicht mehr weiter hochrollen wollen,

trotz aller vergeblichen Anstrengungen, trotz der Muehsal…

dann hiesse das quasi - uebertragen - Selbstmord…

Diesen lehnte Camus - so weit ich weiss - aber auch ab.

Nun denn…

Rollen wir den Stein weiter hoch, lassen ihn wieder runterrauschen und so fort.

That’s life!

Aber zur Beruhigung:

HJ Friedrichs kurz vor seinem Tod lakonisch:

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-9176410.html

Vergesst nich vorher noch genuegend Bier zu trinken :smile:

Prost!

Aber im Ernst:

Vom Glueck!!

Interview in 3SAT (ab Minute 25 zum Thema wie man gluecklich ist):

http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=8390

Nachdem ich den NZZ Aufsatz nochmals durchgelesen habe (SUPER),
sehe ich mich genoetigt :smile: nochmal auf das andere (gleiche) Thema hier im Forum hinzuweisen:

http://www.wer-weiss-was.de/philosophie_ethik/strukt…

Dass ihm das zugeschrieben wird, steht hier:
http://en.wikiquote.org/wiki/Seneca_the_Younger

Da steht aber doch, dass der Satz so nicht von Seneca ist.

Das tatsächliche Originalzitat wäre hier:
http://thriceholy.net/Texts/Benefits4.html

Ich bin nicht der Meinung, dass man den von dir angeführten Satz als Zitat (!) auf diese Senecastelle beziehen darf.

Sorry wenn ich das jetzt weder auf Latein noch Deutsch finde,
ich hoffe aber, es reicht.

Ja. klar. Auf Latein hab ich’s und auf Deutsch brauch ich es nicht.

Besten Dank!
H.

Karmische Trivialitäten
Hi.

… wenn wir mal unser herkömmliches Wissen beiseite lassen
und über den „Tellerrand“ hinausblicken und die Frage den
fernöstlichen Religionen vorlegen, dann ist alles ganz
einfach und eigentlich auch sehr plausibel.

Na dann gucken wir mal, wie plausibel…

Für alle unsere Handlungen - Denken, Reden, Tun - gibt es nur einen „Täter“ nämlich uns selbst.

  • Diese Aussage ist zunächst mal eine Tautologie, denn „Täterschaft“ und Handeln sind begrifflich deckungsgleich. Dafür brauchst du nicht auf asiatisches Gedankengut zurückzugreifen.

  • Genauer betrachtet, stimmt die Aussage aber nicht. Denn für „unsere Handlungen“ gibt es nicht nur „einen“ Täter, sondern viele. Das bedeutet, dass deine Aussage zwar - immer noch - tautologisch ist, aber eine sachlich unzutreffende Tautologie. Deine Prämissen lauten: Es gibt ein autonomes Subjekt, das in betreff seiner Handlungen absolut selbstbestimmt, also null fremdbestimmt, ist. Aus soziologischer und psychoanalytischer Sicht ist das fragwürdig. Natürlich gibt es seit Kant das Postulat eines autonomen Ego, aber das ist nur ein Postulat, kein belegbares Faktum. Was du eigentlich meinst, ist „Verantwortlichkeit“, nicht eine autonome Täterschaft. Das sind verschiedene Dinge. Verantwortlichkeit ist ein sozial notwendiges Konstrukt, welches das Subjekt davon abhalten soll, bedenkenlos seinen Impulsen zu folgen. Das heißt aber nicht, dass das Subjekt sich selbst völlig transparent ist. Vielmehr werden seinen Handlungen weitgehend unbewusst gesteuert. Damit hier auch mal die französische Sprache ins Spiel kommt (statt nur Englisch oder Latein), dazu folgendes Zitat:

http://fr.wikipedia.org/wiki/Sujet_(philosophie)

_L’obscurité de la notion de sujet est étonnante : c’est nous le sujet - croyons-nous - et nous ne sommes pas capables d’en produire une description claire et évidente. Se peut-il que cette déficience soit l’expression d’une illusion ? Nous ne parvenons pas à élucider complètement la notion de sujet parce que le sujet n’existe pas et que sa notion n’est qu’un mot, mot qui ne se réfère à rien de réel. Examinons cette dernière thèse.

Le point de départ est que le sujet n’existe pas, et que nous n’avons fait jusqu’ici que tenter de construire une notion abstraite. On commencera par examiner ce que peut vouloir dire la phrase le sujet n’existe pas dans tous les domaines qui intéressent la philosophie et on l’illustrera ensuite pour bien faire comprendre de quoi il retourne dans ce problème._

Alles was wir machen unterliegt dem Gesetz der Ursache und der Wirkung.

Das ist eine unbeweisbare Behauptung. Natürlich hat vieles von dem, was „wir“ machen, mit Ursache und Wirkung zu tun, aber „alles“? Dein Satz müsste fast Wort für Wort überprüft werden, so phrasenhaft steht er da:

  • Alles (da müsste man schon „alles“ kennen)

  • wir (erstens: fragwürdiger Subjektbegriff, siehe oben / zweitens: gilt das auch wirklich für alle Menschen? Denn das „wir“ heißt doch genau das)

  • machen (was machen? Man macht vieles, von dem einem gar nicht bewusst ist, dass man es macht)

  • Gesetz (siehe oben - nur eine Hypothese)

  • Ursache (sehr umstrittener Begriff - letztlich ist jede Ursache selbst verursacht, so dass es keine Ur-Sache gibt, die diesen Namen verdient - außer natürlich, rein theoretisch, ein Gott als „erster Beweger“)

Ursache: Hätten unsere Eltern keinen Sex miteinander gehabt, dann gäbe
es uns heute nicht.
Wirkung: Wie schon erwähnt, wir selbst.

Na ja. Der Sex der Eltern ist doch keine Ur-Sache. Vielmehr müssen viele weitere Umstände dazukommen, dass ein Kind geboren werden kann. Z.B. die biologische Fruchtbarkeit beider Eltern, der Verzicht der Mutter auf Abtreibung, neun Monate der Lebenserhaltung der Mutter, was ja kein Selbstläufer ist, schließlich muss sie gesund sein und essen und wohnen usw., dann müssen auch die Mitmenschen ihren Beitrag leisten, z.B. Essen herstellen, das die Schwangere kaufen kann, um zu überleben, auch müssen die Mitmenschen bei Rot mit dem Auto stoppen, statt die schwangere Frau auf dem Zebrastreifen zu überfahren usw. usw. usw. Was du oben als Ursache angibst, ist eine notwendige, längst aber keine hinreichende Bedingung. Spinnt man den Faden fort, sind unendliche viele Bedingungen erforderlich für eine gelungene Geburt. Daraus folgt, dass der Ursache-Begriff völlig künstlich ist. Es geht also nicht um Ursachen, sondern um Bedingungen.

Handeln wir also heilsam (gut), haben wir ein entsprechendes
Resultat zu erwarten. Handeln wir unheilsam (schlecht), jaaa
dann …, der Saure Apfel oder die Bittere Frucht, die es zu
verdauen gilt …!
Wenn wir Disteln säen, können wir nicht erwarten Rosen zu
ernten, oder?

Genau das ist Karmalehre in ihrer trivialsten Variante. Damit können alle bösen Taten der Welt entschuldigt werden, denn die Opfer sind es, die die „Frucht“ ihrer Taten ernten. Wer also vergewaltigt, gefoltert und/oder ermordet wird, ist deiner Aussage nach selbst schuld, denn er/sie ernet, was er/sie gesät hat.

Leider finden sich ähnliche Aussagen tatsächlich in fernöstlichen Lehren und werden von Trivialesoterikern gerne übernommen. Ihr moralisches Potential liegt meiner Ansicht nach tief im Negativbereich.

Chan

2 Like

Verschwommene Terminologie
Hi.

Seneca ist der folgende Satz zugeschrieben: „Glück ist, was
passiert, wenn Vorbereitung auf Gelegenheit trifft.“

Nimmt man diese Definition in den Kontext, so muss man in
gewisser Weise aus Sicht der Erfolgreichen dem Satz „Jeder ist
seines Glückes Schmied“ zustimmen.

In beiden Fällen ist unklar, was unter „Glück“ verstanden werden soll: Glückseligkeit oder Erfolg? Bei Seneca bzw. dem ihm zugeschriebenen Spruch scheint mir der Akzent auf dem zweiten zu liegen, bei dem Sprichwort ist das unentscheidbar. Hier zeigt sich wieder einmal, dass „Glück“ kein philosophisch brauchbarer Begriff ist. Besser wäre es, zwischen „Glückseligkeit, Wohlbefinden usw.“ auf der einen Seite und „Erfolg“ auf der anderen Seite zu unterscheiden. Beides hat miteinander nicht zwingend etwas zu tun.

Deshalb ist es auch müßig, auf deinen Modens tollens einzugehen, solange du die Begrifflichkeit nicht präzisierst.

Chan

1 Like

Schöner Strohmann
Hallöchen,

In beiden Fällen ist unklar, was unter „Glück“ verstanden
werden soll: Glückseligkeit oder Erfolg? Hier zeigt sich wieder einmal, dass „Glück“ kein philosophisch brauchbarer Begriff ist.

Das hatte der Ursprungsposter schon beantwortet, naja … für den Fall, dass Du das Posting nicht gelesen hast, zitiere ich mal:
Der Satz vermittelt ja: jeder kann es schaffen, wenn er nur will. Wenn man es also nicht schafft, ist man selber schuld? Zu blöd? Zu faul? … mehr auf http://w-w-w.ms/a4dkht

Deshalb ist es auch müßig, auf deinen Modens tollens einzugehen, solange du die Begrifflichkeit nicht präzisierst.

Eigentlich hättest Du das aber nicht als Antwort auf meinen Post, sondern auf den Ursprungspost schreiben sollen, da die Frage nach Erfolg und Faulheit nicht von mir postuliert wurde.

Damit stellt Dein Posting eigentlich einen Strohmann dar, da Du mir unterstellst, die duale Bedeutung in der Antwort unterschlagen zu haben, welche vom Fragesteller weder intendiert noch impliziert war.

Meine Antwort ist auf die gestellte Frage durchaus passend, da Seneca sich mit ebenjenem Thema beschäftigt hat, als er vom Rezept des Erfolgs im Ring sprach.

Gruß,
Michael

3 Like