Jesus und die Trinität
Was denkst du, könnte man aus diesem Prolog des Johannesevangeliums nun über die religiösen Ansichten des Autors ableiten?
Der Text befaßt sich gar nicht mit der Frage, ob Jesus (d.h. das leibliche Individuum, in Nazareth geboren, Sohn von Maria und Joseph) Gott sei oder nicht. Er befaßt sich 1. mit dem Anliegen, das Jesus den Zuhörern bzw Schülern nahebringen will, und 2. mit dem Konflikt, der mit der judäischen, genauer Jerusalemer Oberschicht entstand.
Er setzt ferner implizit die Gleichungen voraus:
(a) Jesus = (b) messias/christos = © Sohn Gottes = (d) der von Gott in die Welt gesandt wurde.
Ersetzt ferner voraus: Die Botschaft, die „(a)=(d)“ bringt ist die, daß derjenige, der eben dieses „(a)=(d)“ glaubt, das „ewige Leben“ habe, bzw haben werde.
Dies könnte man als die Theologie (die ich lieber als Anthropologie bezeichne, in Unterschied zum Prolog, der eine regelrechte Theologie ist) des Text-Autors bezeichnen. Es ist sein im Text bekanntes Anliegen.
Nach ihm ist bei den Menschen, mit denen Jesus zu tun hat, wohl auch eine Messiaserwartung vorausgesetzt. Diese war ja nicht generell bei allen Leuten jüdischen Glaubens verbreitet. Nicht selbstverständlich ist aber offenbar die Gleichung „(b)=©“. Denn die führte zu dem einen Teil des Konflikts.
Der zweite und entscheidendere, nämlich fatale Teil des Konflikts war „(a)=(b)“. Denn es war den Anhängern jüdischen Glauben, gerade wenn ihnen eine messiaserwartung selbstverständlich war, ebenso selbstverständlich, daß dieser, wenn er kommt, aus Judäa kommt, und zwar aus Bethlehem. Jesus aber kam, laut Autor, zweifellos eben nicht aus Bethlehem, sondern aus Galiläa. Genau deshalb konnte er nicht der messias/christos sein.
Vertrat er das, was später die Trinitarier vertraten?
Nein. Das wäre zu dieser Zeit auch gar nicht möglich gewesen. Wenn trinitarische (bzw. zuerst einmal christologische) Aussagen im Joh. so eindeutig wären, hätte es nicht (je nach histroischer Perspektive) 200, 800 oder 1200 Jahre gebraucht, um eine konsensfähige Formulierung zu finden. Und sie ist ja auch heute noch nicht unter allen Christgläubigen vorhanden.
Für die ersten Formulierungen in den Konzilien des 4. und 5. Jhdts. waren derartig viele neue und schwierige und mißvertständliche Begrifflichkeiten notwendig, die zur Zeit der Joh.-Abfassung noch gar nicht möglich waren.
Auch die Formulierung „Jesus ist Gott“ ist trinitarisch durchaus falsch, bzw. nur unter einer Bedingung richtig! Sie paßt nur in die Trinitätslehre, wenn vorher klar ist, was hier unter „Gott“ verstanden wird.
„Im Wesen die Einheit, in der Person die Verschiedenheit“ ist ja ein Teil der (später!) formalisierten Lehre. Und nur, wenn mit „Gott“ das Wesen (Ousia, Substantia) gemeint ist, in dem die Drei Eins sind, ist „Der Sohn Gottes ist Gott“ richtig. Aber es bleibt dann die christologische Grundfrage: Welche Beziehung besteht zwischen Jesus als Mensch und Jesus als „Sohn Gottes“. Also, inwiefern gilt „(a)=©“ bzw. was hat man darunter zu verstehen? Ist es eine Einheit? Oder ein Zugleich einer Zweiheit? Oder ein Nacheinander, ein Wechsel zwischen zwei „Naturen“? Daran haben sich Jahrhunderte lang die Geister gerieben. Ganz speziell die Beschlüsse des Konzils von Chalzedon und die Miaphysiten. Stichwort: Zwei-Naturen-Lehre.
Um es nochmal auf den Punkt zu bringen: Nehmen wir die Auffassung als Beispiel, die heute weitgehend als ökumenischer Konsens gilt. Sie vertritt die Zwei-Naturen-Lehre. D.h. in Jesus besteht die Natur „Sohn Gottes“ und „Mensch“ neben einander: „Wahrer Gott UND wahrer Mensch“. Dann ist die Aussage: „Der Sohn Gottes ist Gott“ korrekt, aber die Aussage „Der Mensch Jesus ist Gott“ wäre Häresie. Für den Miaphysitismus dagegen sind beide Aussagen theologisch korrekt.
Gruß
Metapher