Judentum: Wer darf Steine auf das Grab legen?

Hallo Wissende,

auf jüdischen Gräbern liegen ja meistens so Steine. Wer darf die dort eigentlich hinlegen?

Dürfte man das auch als unbekannte Person? Macht es einen Unterschied, ob man selber jüdisch ist?

Warum diese Frage? Bei meiner Vorbereitung auf diese Prüfung zum Thema 1. WK habe ich mich wieder an diesen amerikanischen Soldatenfriedhof erinnert. Dort gab es zwar auch etliche jüdische Gräber, erkennbar an einem Davidsstern - aber nur auf ganz wenigen von ihnen lagen vereinzelte Steine.

Mir hat das so gar nicht zugesagt. Ich konnte aber daran auch nichts ändern, da ich erstens mal gar keinen Stein zur Hand hatte, und mir außerdem nicht sicher war, ob ich das überhaupt darf. 

Na gut - ich lese dann mal weiter über den 1. WK, und hoffe, dass mir inzwischen jemand antwortet, der das weiß :smile:

Schöne Grüße

Petra

Hallo Petra,

dieses FAQ:1670 (verfaßt von Iris, vor 12 Jahren) dürfte deine Frage restlos beantworten.

Gruß
Metapher

Öhm, nö?
Hallo Metapher,

der Ersteller fragte danach, ob er als Nicht-Jude auch ein Steinchen auf ein Grab legen darf.

Das wird in der sehr schönen FAQ von Iris leider nicht beantwortet. Es heißt lediglich, dass es um die Erinnerung an eine Person geht - das heißt aber nicht, dass nur Freunde und Verwandte Steine ablegen dürfen. Gerade bei berühmten jüdischen Persönlichkeiten legen auch völlig fremde Steine auf dem Grab ab, das galt für lange Zeit vor allem auch für den Friedhof in Prag.

Wie das letztendlich behandelt wird, ist wohl Einstellungssache. In Prag wurde das wohl früheren (prominenteren?) Besuchern erlaubt, wurde mir erzählt. Als ich dort war durfte man den Friedhof aber nur noch durch einen Sichtschlitz betrachten.
Ob das auf einem deutschen jüdischen Friedhof in Berlin auch so wäre? Ich weiß es nicht, gerade in Berlin ist das sehr knifflig.
Bei kleineren wohl eher, die Führerin zum geheimen jüdischen Friedhof in Essen sagte, es sei erlaubt (wobei die anwesende Griechin schwerer damit beschäftigt war, sich bei jedem einzelnen Grab für das Betreten zu entschuldigen, der Friedhof ist so zugewachsen, dass man die Grenzen nicht mehr genau sehen kann).

Dazu kommt, dass Steine auch bei Gedenkstätten abgelegt werden, sei es nun ein modernes Monument in Berlin, der klobige Gedenkstein vor der Akademie in München, oder eine popelige, dünne „Pinnwand“, welche an die ausgeraubte und verbrannte Synagoge in Tübingen erinnert (ca. 300m von mir entfernt momentan). Auch auf dieser Leiste liegen wohlbalancierte Steine.

In München habe ich mit einer jungen Frau gesprochen die nach eigener Aussage Jüdin war, sie hatte dort gerade einen Stein abgelegt, weil eines der Opfer ein Verwandter von ihr war. Sie sagte, dass alle möglichen Leute dort Steine ablegen (es gibt auch sehr viel Fläche in jenem Fall…) und das sie (in ihrer persönlichen Meinung) das sehr schätzt.

Ob das jetzt alle Juden so sehen ist eine andere Frage, ob es eine Generalregel gibt weiß ich nicht.

lg
Kate

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Thnx
Hi Kate,

danke für die Horizonterweiterung :wink:

LG

Hallo,

ich war ein paar Tage vor der Grenzöffnung in Prag auf dem jüdischen Friedhof, damals durfte noch jeder rein.
Wir (kath. Mädchenklasse) wurden aufgefordert durch den anwesenden Fremdenführer, zum Andenken vor allem an Rabbi Löw Steine auf die Grabmale zu legen.

Aber ich hatte auch ein eher mulmiges Gefühl, auf dem „vollgestopften“ Friedhof auf den Gräbern herumzugehen, da hier ja die Grabmale teilweise so eng stehen, daß man nicht durch kann.

Grüße
miamei

Hallo Kate,

danke für deine Antwort. Na ja … war ja im Prinzip klar, dass es da manche gibt, die es so sehen, und andere, die es anders sehen.

Aber dieser amerikanische Kriegsgräberfriedhof, den fand ich schon seltsam. Ich habe fast den Verdacht, die räumen dort die Steine wieder weg. Passt wohl nicht zum sauber gemähten Rasen …

Schöne Grüße

Petra

Erinnerungssteine
Hallo Petra,

die Wahrscheinlichkeit, dass auf einem jüdischen Grabstein in Mitteleuropa kein einziger Stein liegt, dürfte deutlich über 0,9 liegen - Du kannst Dich auf Friedhöfen davon überzeugen, die weniger disneylandisiert sind als der in Prag.

Von daher täte ich hier nicht von vornherein jemanden verdächtigen, dass er die Kriegsgräber nicht in Ruhe lässt.

Schöne Grüße

MM

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Servus

Dürfte man das auch als unbekannte Person? Macht es einen
Unterschied, ob man selber jüdisch ist?

Nein. Wenn man als enger Freund der jüdischen Familie am Grab des Familienangehörigen steht, kann man selbstredend da einen Stein hinlegen.
Auch sonst dürfte es kaum jemanden stören.
Gruß,
Branden

In München auch von Nichtjuden
Hi.

Dürfte man das auch als unbekannte Person? Macht es einen Unterschied, ob man selber jüdisch ist?

Ein israelischer Freund von mir liegt auf dem Münchner „Neuen Israelitischen Friedhof“ begraben. Dort dürfen Steine nach meinem bisherigen Wissen auch von Nichtjuden auf ein Grab gelegt werden. Zur Bestätigung rief ich aber gerade einen der dortigen Rabbiner an, der die Auskunft gab: „Das kann jeder halten, wie er will.“

Ich tu´s aber nicht, weil der Tote ein Atheist war, wie natürlich auch ich.

Chan

Ich bin des Öfteren über den kleinen jüdischen Friedhof in Märkisch Buchholz gegangen; es hat dort zwar nie eine jüdische Gemeinde gegeben, aber einen Friedhof gibt es da, der in einem kleinen Wäldchen liegt.
Selbstverständlich habe ich auf manche Grabsteine einen Stein gelegt - ich habe keinen der dort Begrabenen gekannt, aber mir sind diese Zeichen der Erinnerung und der Anteilnahme wichtig.

Gruß - Rolf

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Hallo Aprilfisch,

die Wahrscheinlichkeit, dass auf einem jüdischen Grabstein in
Mitteleuropa kein einziger Stein liegt, dürfte deutlich über
0,9 liegen - Du kannst Dich auf Friedhöfen davon überzeugen,
die weniger disneylandisiert sind als der in Prag.

Den in Prag kenne ich gar nicht, aber einige in Mikulov und anderswo.

Von daher täte ich hier nicht von vornherein jemanden
verdächtigen, dass er die Kriegsgräber nicht in Ruhe lässt.

Na ja, ich habe mir das halt gedacht, weil auf den Gräbern der deutschen jüdischen Soldaten eine Menge Steine lagen. Und dann auf diesem amerikanischen Friedhof, der ansonsten super gepflegt war, nur hier und da mal ein Stein?

Kam mir halt komisch vor. Aber vielleicht liegt es einfach daran, dass es schon fast 100 Jahre her ist, und dass eventuelle Nachkommen einen viel weiteren Weg haben als bei den deutschen Gräbern. Wobei aber auch wieder die Frage wäre, ob es bei diesen deutschen Gräbern überhaupt noch so viele Nachkommen gibt. Eigentlich müssten hier auf vielen die Steine fehlen.

Na ja, falls ich jemals wieder dort vorbeikommen sollte, kann ich ja einen Stein mitnehmen. Was aber unwahrscheinlich ist, da ich diesen Friedhof insgesamt sehr deprimierend fand. Wie ein Denkmal an die menschliche Dummheit - „seht her, so viele junge Männer sind erschossen worden, nur weil sie der falschen Nation angehörten!“

Aber mir scheint, ich komme vom Thema ab.

Schöne Grüße

Petra

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Hallo Kate

Dazu kommt, dass Steine auch bei Gedenkstätten abgelegt werden, sei es nun ein modernes Monument in Berlin, der klobige Gedenkstein vor der Akademie in München, oder eine popelige, dünne „Pinnwand“, welche an die ausgeraubte und verbrannte Synagoge in Tübingen erinnert (ca. 300m von mir entfernt momentan). Auch auf dieser Leiste liegen wohlbalancierte Steine.

Der jüdische Friedhof in Frankfurt/M ist aus verständlichen Gründen nur im Rahmen von Führungen zugänglich, aber dort habe ich diese „Erinnerungs-Steine“ auch schon gesehen.

Zugänglich sind die Gedenksteine in der Umfassungsmauer des Friedhofs, jeweils ein Bronzequader, ca. 5cm x 10cm, 4 Reihen übereinander über die ganze Länge der Mauer (und die ist lang). Jeder Block trägt den Namen eines aus Frankfurt deportierten Juden, sein Geburts- und Sterbedatum (soweit bekannt) und den Ort seiner Ermordung.

Mich hat diese Gedenkstätte immer stärker beeindruckt als das Holocaust-mahnmal in Berlin, welches in mir immer die Assoziation eines Baustofflagers hervorrief.

Auf sehr vielen dieser Bronzequader (in Frankfurt) liegen kleine Kieselsteine, und ich lege auch oft welche dazu. Vor Allem auf Quader von Kindern, welche noch garnicht richtig gelebt haben. Wenn ich die Daten auf so einem Block lese, erfüllt mich das jedesmal mit besonderer Trauer und der Kiesel hat für mich (einen Atheisten) die Bedeutung, dass ich dieses Kindes gedacht habe.

Und mich hat bisher noch niemand an meinem Tun gehindert.

Gruß merimies

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Hallo.

auf jüdischen Gräbern liegen ja meistens so Steine. Wer darf
die dort eigentlich hinlegen?

Dieses ist nur eine Tradition, deren genauer Ursprung unbekannt ist. Aber letztlich gibt es keine Regeln, wer hier was darf. In diesem Sinn kann jeder, welcher hierfür einen inneren Grund sieht, dieses tun. Allerdings sollte man dieses auch nicht als Folklore verstehen und anfangen bei allen Gedenkstehten welche nur irgendwie mit Juden zu tun haben, beginnen dort auch Steine aufzulegen und darin einen Zwang zu sehen.

Hier stellt sich dann schon die kritische Frage, wo hier Andenken aufhört und was dass eigentliche Motive ist.

Ganz anders sieht es aus, wenn Nichtjuden anfangen diese Grabstätten zu pflegen und dabei die entsprechenden Vorschriften dafür nicht einhalten werden. Hier beginnt es dann, dass eine ansich gute Idee sich ins Gegenteil verkehrt.

Gruss,
Eli