Kaffee schmurgelt, Regen träufelt... wie klingt das?

Hallo, aus einem bekannten deutschsprachigen Roman von der Spiegel-Bestsellerliste der letzten Jahre stammen die folgenden Zitate (teils leicht bearbeitet), und ich wollte fragen, was Ihr davon haltet – stilistisch, grammatisch, semantisch.

Danke!

  1. Der Kies knirschte unter dem Knautschlack
  2. am Wegrand hoben kahle Platanen dürre Äste in den grauen Himmel.
  3. in der Küche schmurgelte ein Kaffeerest in der Kanne…
  4. sobald den einheimischen Autofahrern ein paar Regentropfen auf die Frontscheibe träufelten
  5. Nicht dass er alle Abgeordnete namentlich kannte
  6. Unser neuer Bundestagsabgeordnete Herr Meier
  7. ((Kölscher Dialekt in wörtlicher Rede)): "Im Gegensatz zu euch muss ich arbeite. Ich kann mir nicht die Nächte um die Ohre schlage… soll ich euch ein Taxi rufe?”
  8. Lecker Kölsch
  9. ((Protagonist hat fast vergessen, dass morgen Wahltag ist, weil er schon vor Wochen Briefwahl machte.)) Hätte er nicht schon vor zwei Wochen per Brief gewählt, er hätte es vergessen.

Niemols im Läve!

Was bringt Dich auf die Idee, die unter 7. wiedergegebene Dialektfärbung wolle oder solle Kölsch sin?

Wat jit et do ze meckere?

Abgesehen von der contradictio in adiectu natürlich…

Den von Dir besonders laut angeprangerten schmurgelnden Kaffee kennst Du akustisch noch sehr gut aus den Jahrzehnten, als Kaffeemaschinen erhitztes Wasser duch Dampfdruck angehoben durch eine Papierfiltertüte mit gemahlenem Kaffee drin laufen ließen. Das Geräusch machte freilich nicht der Kaffee, sondern die Kaffeemaschine, deren Schalter nur die Positionen Null und Eins kannte, und die Stellung Eins hielt nicht nur die Warmhalteplatte für die Kaffeekanne heiß, sondern auch die ganze Erhitzungs- und Dampfdruckapparatur, so dass die Maschine in unregelmäßigen Abständen, wenn wieder ein bisselchen Wasser im Tank zusammengelaufen war, ein gurgelndes Geräusch machte, das es so nur bei Kaffeemaschinen gab. Dieses Geräusch lautmalerisch als Schmurgeln zu beschreiben, kommt ihm recht gut nahe.

Vermutlich denkst Du an Witwe Boltes Hähnchen in der Pfanne, aber schmurgeln muss nicht zwingend mit Fett verbunden sein, es kann auch alles andere im Spiel sein, was flüssig ist. Bei unserer Vogesentour in der zweiten Septemberhälfte werden wir unter anderem an einer Chaume (ungefähr gleich Alpe) Quartier nehmen, die wegen der vielen Quellen auf der Hochweide „Chaume de Schmargult“ etwa gleich „Schmurgelalpe“ heißt…

Dass Platanenäste menschlichen Armen mit Händen und Fingern am Ende sehr ähnlich sehen können, ist Dir sicherlich auch schon aufgefallen.

Empfehlung: Zunächst an- und aufzunehmen und nicht von vornherein abzulehnen, was andere sagen oder schreiben, kann mit erheblichen Bereicherungen des eigenen Geischdes verbunden sein.

Schöne Grüße

MM

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Mich stört nur 4, 5 und 6

4 träufeln…klingt nach Arbeit mit Pipetten o.a. mit der Flüssigkeit gezielt irgendwohin appliziert wird. Das ist bei Regen eher nicht so …

5 Abgeordneten

6 Bundestagsabgeordneter

Naja und der misslungene Versuch mit dem Kölner Dialekt

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Servus,

gezielt muss das nicht unbedingt sein, aber eben auf einen bestimmten Ort bezogen oder begrenzt - das kann auch „von selber“ sein: Regenwasser träufelt am Trauf vom Dach. Die Sache mit der Frontscheibe lässt sich an dem einen, brutal aus dem Kontext gerissenen Satz so wenig klären wie das Motiv, aus dem die Dialektfärbung - Dialekt ist es sicherlich keiner - ausgerechnet Kölsch sein sollte. Wenn es hier etwa um wörtliche Rede von jemandem geht, der im Zusammenhang mit einer Erzählung mit Köln in Verbindung steht, muss dieser doch deswegen nicht aus Köln stammen, und manches aus dem angestammten Dialekt legt man unabhängig vom Ort ein Leben lang nicht ab (denk an das schwäbische a).

Kurz: Ohne Kontext kann 4 genauso gut danebengehauen wie zielsicher gesetzt sein.

Schöne Grüße

Sixtus Beckmesser

Servus,

selbst wenn der Autor beabsichtigt, eine ripuarische Dialektfärbung wiederzugeben

ist das zwar nicht besonders gut gelungen, aber auch nicht falsch. Das wegfallende -n an Verbformen ist typisch für die westlichen Mitglieder der fränkischen Dialektfamilie und fällt an dieser Stelle nur auf, weil der Rest des Satzes in standarddeutscher Aussprache gehalten ist, obwohl es (wenn denn tatsächlich eine kölsche Färbung angestrebt sein sollte) prägnantere Laute und auch Worte in dem Satz gibt, etwa den Gegensatz, den ein Södstädter auch im Standarddeutschen nicht so aussprechen würde.

Zum Beleg des (nicht immer und nicht grundsätzlich, aber schon recht häufig) wegfallenden -n der zentrale Grundsatz, mit dem man em Veedel das Leben meistert:

Wat wells de maache?

In diesem Sinne

MM

MM/SB und Hexerl, Dank für genaue Erläuterungen!

Falls noch interessant: die wörtliche Rede mit angestrebtem Kölschdialekt in Nummer 7 stammt von einer Romanfigur, die laut Handlung in Köln aufwuchs und jetzt in Bonn lebt; sie redet so im gesamten Buch; deren Erfinderin, die Romanautorin, lebt offenbar seit Jahrzehnten in Köln.

Gilt für die anderen im Grunde auch. Wir soll man so etwas anhand von Fetzen beurteilen?

Was den Dialekt betrifft: Eine großartige, leider zu früh verstorbene Freundin und Autorin hat mit die besten bayrischen Regionalkrimis gerschrieben. In Hamburg aufgewachsen, hatte sie es erst nach München und Berchtesgaden verschlagen., wo sie sich in Land, Leute und Berge verliebt habt. Ihre faszinerte Außenperspektive macht einen großen Teil des Reizes aus - aber: Mit dem Dialekt stand sie, trotz Hilfe von Freunden, in ihren Büchern auf dem Kriegsfuß. Muss also nicht zwangsläufig bedeuten, dass da jemand schlechte Bücher abliefert.

Sie hieß übrigens Fredrika Gers.

Immer noch lesenswert.

Beste Grüße,
Max

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*1 „Knirschen“ ist jedenfalls das, was Kies tut.

*2 *3. ist schon kommentiert

*4 „träufeln“, wie Augentropfen ins Auge, ist keineswegs das, was Regentropfen auf der Frontscheibe eines fahrenden Autos machen …

*5, *6 Grammatikfehler wurden schon moniert

*7 Das ist wirklich peinlich. Ein Text in gehobenem Hochdeutsch - und nur ein „-n“-Suffix an Infinitv und Plural?? Dat sull jet met Kölsch Platt ze donn hann? Wattene ulkije Kokolores!

*8 „en ecker Kölsch“. Jau, dat säätene Kölsche Jong för en Kölsch

  • 9 Die Erkläung in Parenthese stimmt irgendwie logisch nicht mit der Aussage im Zitat überein

Gruß
Metapher

Dieser einzelne Zitat-Fetzen lässt - wie oben bereit gesagt - nicht annöhernd vermuten, daß die Figur jemals mit Kölsch Platt mit eigenen Ohren in Berührung gekommen ist, und mit Bönnsch Platt auch nicht.

Kann unmöglich wahr sein! Die hätt niemols ooch nur en einzije Satz echt Kölsch Platt jehöört,

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Servus,

machen das sicherlich nicht, aber es wird mit dem einzelnen Halbsatz 4 nicht besonders deutlich, wo sich die Autos befanden, ob sie standen oder fuhren und auf welche Weise der Regen woher kam und auf die Scheiben traf.

Schöne Grüße

MM

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Wenn die Autos langsam fahren tropfen die Regentropfen, wenn die Autos schnell fahren, prasseln sie auf die Frontscheibe. Wenn die Autos stehen, tropfen Regentropfen auch auf die Heckscheibe :sunglasses:

Hallo zusammen, Danke für weitere Anmerkungen.

Hier ging es mir um die Alliterationen im Zitat, aber sie scheinen der Runde nicht weiter aufzustoßen.

… ist im Grunde auch wurscht. Im heutigen Sprachgebrauch ist das Iterativum träufeln transitiv. Intransitiv dagegen wäre tröpfeln. Also, wie bei den alten Griechen, wäre es bestenfalls Zeus, welcher Regen träufelt. Was Regentropfen selbst tun, ist tröpfeln. Oder in der unpersönlichen Variante „Es tröpfelt.Regentropfen“.

Schöne Grüße

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(fett von mir)
Das ist ziemlich albern.oder - je nachdem - unfair gegenüber dem (geheimen) Autor.

Schuhsohlen pflegen nicht aus Knautschlack zu sein.
Vermutlich hast Du „-stiefel“ weggelassen, Oder?
.

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Evtl war es ein Sofa oder eine Handtasche oder ein Reisekoffer ODER ein Auto nach einem Unfall :thinking:

Hast Du noch weitere kuriose Vorschläge? :wink:

Kies knirscht, wenn sich etwas darauf bewegt
Nicht, wenn man etwas drauf abstellt.

Sofa, Koffer, Auto: aus Knautschlack?
Haste mal ein Bild? :wink:

Der Kies knirschte unter dem Knautschlack

Laut Bücher-Suche steht da tatsächlich nur „Knautschlack“ – die Stiefel werden vorher erwähnt. :wink:

Gruß

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Oder wie der Alpenländer von Welt gerne antwortet:

" How do you do, mit die Gummischuh’ ?"

„Hau i di aa, mit die Goiserer!“

Servus,

Konrad Duden ist der Ansicht, die intransitive Verwendung sei erst veraltend, noch nicht veraltet.

Schöne Grüße

MM

Hab ich mir schon gedacht, daß das jetzt kommt :face_with_hand_over_mouth: :yum:

Übrigens ist im Roman, den @Kreszentia ja verlinkte, tatsächlich (was auch sonst!?) von fahrenden Autos die Rede. Bei den ersten Regentropfen auf der Frontscheibe dächten speziell Bonner spontan panisch an Aquaplaning und führen in Zeitlupe (= so ein Quatsch!)