Kann die Vergangenheit gehört werden?

Hi

gerade kam mir eine Frage in den Kopf als ich einen Artikel las über das Verschwinden des Jungen Marco und dass Zeugen einen Schrei gehört hätten.
So nun zu meiner Frage die wohl manche gleich mal kopfschüttelnd wegklicken. Aber seid versichert, ansonsten geht es mit gut :wink:
Ist es möglich bzw. wäre es theoretisch möglich, die vergangenheit zu hören? Im Prinzip so wie eine Hintergrundfrequenz, die zwar ständig abnimmt, aber dennoch im Umfeld der ehemaligen Schallquelle (in Boden, Pflanzen, Gebäude, Luft) noch da ist? Das ist schon weit hergeholt aber ich stelle das einfach mal zur Diskussion, wohl wissend dass das vermutlich großer Quatsch ist.

Grüße Christian

Hallo,

Ist es möglich bzw. wäre es theoretisch möglich, die
vergangenheit zu hören?

Im Prinzip hört man immer die Vergangenheit. Das liegt daran, dass Schall eine gewisse Zeit braucht, bis er an deinem Ohr ankommt. Bei Donner und Blitz ist das schön zu sehen bzw. zu hören. Der Donner, den du hörst, ist ein Geräusch, das zur selben Zeit da ist wie der Blitz. Du hörst ihn aber später. Du hörst also das, was in der Vergangenheit da war, als der Blitz zuckte.

Schall läßt sich auch „speichern“, indem er reflektiert wird. Das Echo ist ein solches „gespeichertes Klangerlebnis“ aus der Vergangenheit.

Dann kann Schall natürlich auch andere, stationäre Materialien zum Schwingen bringen. Diese Schwingung wirkt nach, auch denn der Schall selbst schon wieder weg ist. Tutet man zB. eine Glocke mit ihrer Resonanzfrequenz an, dann beginnt sie, in diesem Ton zu schwingen. Schaltet man die äußere Schallquelle ab, klingt die Glocke nach.

Naja, und dann gibt es noch technische Möglichkeiten, Schall -bzw. die Information im Schall- in anderen Formen zu speichern (Tonband, Platte usw).

Also: Klares Ja. Die Begründung ist aber wohl sehr viel profaner, als Du hören wolltest :smile:

Das jemand in einen Wald geht und nach 2 Wochen die Schreie einer dort vergewaltigten Person „hören“ kann, ist m.E. nach unmöglich. Es gibt keine bekannte wissenschaftliche Grundlage, die eine solche Möglichkeit eröffnen würde und es ist experimentell auch noch nirgends gezeigt worden.

Grüße
Jochen

Hallo,

Ist es möglich bzw. wäre es theoretisch möglich, die
vergangenheit zu hören? Im Prinzip so wie eine
Hintergrundfrequenz, die zwar ständig abnimmt, aber dennoch im
Umfeld der ehemaligen Schallquelle (in Boden, Pflanzen,
Gebäude, Luft) noch da ist?

So wie du dir das vorstellst: Nein.

Das was du beschreibst, ist ja nicht anderes als ein Echo. Schallwellen werden immer teilweise reflektiert und schwächen sich mit jeder Reflektion ab. Aber nach wenigen Sekunden ist davon nichts mehr übrig.

vg,
d.

Hallo,

ja, kann man nicht nur, sondern es ist sogar erwiesen.

So tritt im Weltall ein Hintergrundrauschen auf, das als Geräusch des Urknalls gedeutet wird, der ja immerhin schon über 10 Milliarden Jahre her ist.

Aber vergangene Geräusche die dem Jungen jetzt noch helfen könnten, nein.

Gruß
Lawrence

Hallo,

So tritt im Weltall ein Hintergrundrauschen auf, das als
Geräusch des Urknalls gedeutet wird, der ja immerhin schon
über 10 Milliarden Jahre her ist.

Da hast Du jetzt aber was völlig falsch verstanden. Das ‚Echo vom Urknall‘ hat mit einem Geräusch genau gar nichts zu tun. Es handelt sich um elektromagnetische Wellen, sonst könnten sie wohl kaum durch das All gelangen. Und diese Wellen kann man weder sehen noch hören. Nur messen.
Gruß
loderunner

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Hi Kathrin/Christian,

gerade kam mir eine Frage in den Kopf als ich einen Artikel
las über das Verschwinden des Jungen Marco und dass Zeugen
einen Schrei gehört hätten.

natürlich ist das bitter, hätte man doch… Aber in der Praxis sind die Möglichkeiten begrenzt. Ein paar mal hab ich was gehört und zu Recht die Polizei gerufen, ein paar mal habe ich was gehört, was sich nach längerem Zuhören als harmlos darstellte - hoffe ich zumindest.

So nun zu meiner Frage die wohl manche gleich mal
kopfschüttelnd wegklicken. Aber seid versichert, ansonsten
geht es mit gut :wink:
Ist es möglich bzw. wäre es theoretisch möglich, die
vergangenheit zu hören? Im Prinzip so wie eine
Hintergrundfrequenz, die zwar ständig abnimmt, aber dennoch im
Umfeld der ehemaligen Schallquelle (in Boden, Pflanzen,
Gebäude, Luft) noch da ist?

Das ist verständliches Wunschdenken. Aber eben nur Wunschdenken. Egal welche Echos man zur Hilfe nimmt, nach ein paar Sekunden ist alles unwiederbringlich verloren.

Schall ist ja das Schwingen von Luft, oder auch Festkörpern. Nun schwingen die Teilchen ohnehin ständig, nennt sich Wärmebewegung. Das Gehör ist so empfindlich, dass man mit Hilfe (die berühmte Muschel am Ohr) sogar die Molekülschwingungen hören kann. Da bleibt leider kein Platz für verborgene Schallwellen.

Das ist schon weit hergeholt aber
ich stelle das einfach mal zur Diskussion, wohl wissend dass
das vermutlich großer Quatsch ist.

Die Idee ist gut, aber nicht realistisch. Und wenn man bedenkt, was die Gerichtsmedizin im speziellen und die Naturwissenschaften im allgemeinen heute können, sollte eine solche Frage nicht verurteilt werden.

Schlimm sind ja nicht die, die (naiv im positiven Sinne) fragen, sondern die, die (gar nicht so naiv, im besten Fall verblendet, im schlechten Fall Autoren, die von ihren Ergüssen leben) falsche Antworten geben.

Es ist nun mal so, da helfen auch keine Überwachungskameras, so leid es mir tut.

Zoelomat

Hallo Kathrin,

ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Deshalb schau mal hier auf Seite 72 oben.
(Da folgt auf das Bild auch noch ein erklärender Begleittext; und wenn Deine Mathe-Kenntnisse groß genug sind, kannst Du auch die Rechnung dazu nachvollziehen: Diese beginnt in der Mitte von Seite 60 [ist also etwas länger].)

Liebe Grüße
Immo

Hallo,

der link funktioniert (bei mir) nicht. Hast du noch einen anderen?

Grüße
Peter

Das Gehör ist so empfindlich, dass man mit
Hilfe (die berühmte Muschel am Ohr) sogar die
Molekülschwingungen hören kann. Da bleibt leider kein Platz
für verborgene Schallwellen.

Das ist leider falsch. Die Molekülschwingungen kann man nicht hören, dafür sind die viel zu hochfrequent und zu klein. Diese Schwingungen nimmt man als Wärme wahr.
Was man mit der Muschel am Ohr hört ist das Echo des Blutes das in den Adern rauscht.

Hallo Peter,

ich hab absolut keine Ahnung, warum der Link nicht funktioniert. Bei mir geht’s sowohl zu Hause als auch im Büro. Ich hab Dir jetzt auf http://www.flickr.com/photos/31544713@N08/5077550083/ das Bild mit Begleittext noch einmal hochgeladen.
Die Originaldatei findest Du auf http://geometrie.math.uni-potsdam.de/ (funktioniert diese Seite?), links auf „Lehre“ klicken, dann auf „Lehrmaterialien“. An fünfter Stelle der Tabelle findest Du dann ein „Skript zur Vorlesung über partielle Differentialgleichungen aus dem WS 2009/10“. Dies ist die von mir verlinkte Datei. Und dort, wie gesagt, auf Seite 72 oben ist das Bild.

Liebe Grüße
Immo

Hallo,

Das ist leider falsch. Die Molekülschwingungen kann man nicht
hören, dafür sind die viel zu hochfrequent und zu klein. Diese
Schwingungen nimmt man als Wärme wahr.

Richtig.

Was man mit der Muschel am Ohr hört ist das Echo des Blutes
das in den Adern rauscht.

Das glaube ich jetzt einfach mal nicht. Ist es nicht eher genau das Rauschen, was man auch bei einem voll aufgedrehten Verstärker ohne Eingangssignal hört? Blut sollte nicht rauschen, sondern ein pulsartiges (sic!) Geräusch erzeugen. Es fließt ja nicht kontinuierlich wie in einer Wasserleitung.
Gruß
loderunner

Das glaube ich jetzt einfach mal nicht. Ist es nicht eher
genau das Rauschen, was man auch bei einem voll aufgedrehten
Verstärker ohne Eingangssignal hört? Blut sollte nicht
rauschen, sondern ein pulsartiges (sic!) Geräusch erzeugen. Es
fließt ja nicht kontinuierlich wie in einer Wasserleitung.

Da ein Ohr keine Elektronik enthält (Hörgeräte lassen wir mal außen vor), können solche Effekte nicht auftreten.
Bei den Adern im Ohr handelt es sich ja nicht um große Schlagadern, sondern um feinste Äderchen. In diesen tritt praktisch kein Pulsschlag mehr auf. Daher entsteht ein gleichmäßiges Rauschen.

Blut sollte nicht
rauschen, sondern ein pulsartiges (sic!) Geräusch erzeugen. Es
fließt ja nicht kontinuierlich wie in einer Wasserleitung.

Das ist so nicht ganz richtig. Die Gefäße sind flexibel, das sind im Prinzip dünne Muskelschläuche. Das bewirkt, dass die Amplitude der Fließgeschwindigkeitsänderung abnimmt und auch die Phase sich verschiebt, jenachdem, wo man im Gefäßsystem ist. Im Kapillarnetz ist vom „Puls“ nicht viel zu spüren, da flißt das Blut tatsächlich recht gleichmäßig. Die Überlagerung der phasenverschobenen Amplituden in den größeren Gefäßen können auch als Rauschen interpretiert werden.

Gruß
Jochen

Ok, Ihr habt mich überzeugt! (owt)
-nix-

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Hallo Immo,

vielen Dank für deine Mühe, wenigstens hab ich nun das Bild betrachten können.
Die angegebene Seite funktioniert zwar, aber beim Abrufen der pdf-Datei zeigt mein Browser mir immer nur ein kleines icon an statt der Datei.

Beste Grüße
Peter

Nun ja, ich hab’s halt so gehört und es erschien mir plausibel. Wenn’s falsch ist - tut’s mir leid.

Auf der anderen Seite:

Mein Blut höre ich dann fließen, wenn ich mich falsch hinlege und mir Adern vom/zum Ohr abklemme. Ansonsten höre ich nichts.

Dass man ein Rauschen hört, wenn man sich eine Muschel oder auch die zu einer Kugel geformten Handflächen ans Ohr hält, ist eine unbestreitbare Tatsache, zumindest in der Vor-MP3-Generation.

Es scheint wohl so zu sein, dass Umgebungsgeräusche verstärkt werden, aber das Blut keine Rolle spielt, siehe auch /t/muschelrauschen/331361

Was zumindest meinen Ansatz „das Gehör arbeitet an der Grenze“ bestätigt.

oT: Browserprobleme
Hallo Peter!

beim Abrufen der
pdf-Datei zeigt mein Browser mir immer nur ein kleines icon an
statt der Datei.

Dann scheinst Dein Browser die Probleme zu machen. Kannst Du sonst PDFs im Browser anzeigen? Kannst Du überhaupt PDFs anzeigen?
Wenn Du die Datei herunterlädst (rechts klicken -> Ziel speichern), kannst Du sie dann anzeigen?

Ach übrigens, dass Du erst einmal auf den Link zur „preprint version“ klicken musst (neben der links ein kleines Icon angezeigt wird), hast Du gesehen? Das gilt dann natürlich auch beim Speichern, also nicht schon auf der Lehrmaterialienseite rechtsklicken!

Liebe Grüße
Immo

Im Grunde hat er aber Recht, ob nun „Geräusch“ oder elektromagnetische Welle - es ist ein Signal, das Informationen über den Urknall (besser: die frühe Geschichte des Universums) enthält, und darauf kommt es an.

Waldpoet

Das meint vermutlich, dass die Wellen sich nie ganz verlieren und möglicherweise irgendwo als Verzerrungen etwa eines Klumpens Lehm oder als infinitesimale Überreste der Schwingungen irgendwo in anderen Medien finden lassen sollten?
Das ist ganz sicher denkbar, aber als Methode in unserer Zeit kaum praktikabel.
Ich habe da einen prima Buchtipp: „Von der Liebe und ihren Bedingungen in der Nacht des 19. März 1929“ (Peter Hoeg), 6 Kurzgeschichten, eine mit dem Titel „Versuch mit der Dauer der Liebe“. Hier geht es nicht um Schallwellen, aber um Speicherung vergangener Ereignisse.