Hallo Stefanie,
eigentlich nehme ich Antwortpostings nur ungern Satz für Satz auseinander, aber eben packt mich die Lust auf eine Diskussion im Netz. - Da wollen wir mal:
Das Problem mit der Kinderbetreuung ist, dass Du sie finden
MUSST. Das ist nicht das gleiche, wie mit Geschirr, das auch
mal eine Woche ungespült bleiben kann - von Masseuren oder
Gärtnern ganz zu schweigen.
Meine Beispiele waren eher humoristischer Art und nur als Erwiderung auf barbaras freundliches „Angebot“ an mich gedacht. Dass es einen qualitativen Unterschied zum „Kinderbetreuungspersonal“ gibt, ist mir klar.
Mit dem Geld ist es übrigens auch nicht ganz so einfach, wie
Du denkst. Z.B. sind viele akademische Karrieren im besten
Alter zum Kinderkriegen noch längst nicht abgeschlossen und
Doktoranden haben auf ihren halben Stellen nicht das Geld für
Bereitschaftspersonal.
Ja, diese Beispiele sind nachvollziehbar. Aber ich habe mich nicht auf Akademiker beschränkt, sondern ganz allgemein an „Karrierewillige“ gedacht. Schliesslich ist Karriere auch ohne Studium möglich. Der Denkansatz bleibt unverändert: Beruflicher Erfolg führt zu finanziellem Erfolg. Und jemand, der „Karriere machen“ will, strebt neben dem beruflichen Erfolg nach überdurchschnittlich hohem finanziellen Erfolg.
Ich kann mir jetzt die verrücktesten Sachen vorstellen, wie man aus dem Konflikt „Bestes Kinderkriegalter, aber wegen erst beginnender Karriere noch kein hohes Einkommen“ heraus kommt. Wie wäre es denn mit der Aufnahme eines „Karriere-Kredits“, der die Sprösslingsbetreuung während des beruflichen Aufstiegs (teil-)finanziert? Wie wäre es mit dem Aufbau von Gruppen, in denen sich Eltern in ähnlicher Lage organisatorisch und finanziell gegenseitig helfen? - Ja, ja, wilde Phantasien…
Abgesehen davon ist es nicht fair, die
Kinderbetreuungsstruktur so anzulegen, dass der von Dir
zitierte Fabrikarbeiter sie nicht nutzen kann. U.s.w.
Hier kann ich Dir grad nicht folgen. Was ist warum von wem nicht fair?
Ansonsten, was das Geld betrifft, habe ich nichts dagegen, als
Doppelverdiener auch angemessen für die Kinderbetreuung zu
bezahlen.
Aha. Erste Annäherung in Sicht
Aber das alles sind nicht meine Hauptprobleme. Das
Hauptproblem ist die Organisationsarbeit. Wenn Du Karriere
machst, dann hast Du lange Arbeitszeiten und bist beruflich
sowieso immer latent gestresst.
Au weia. Aus den letzen drei Wörtern lässt sich problemlos ein brettfüllender Megathread machen. Wir einigen uns besser darauf, dass das Deine persönliche Empfindung ist, die man nicht auf jeden anderen übertragen sollte.
Wenn Du daneben Kinder hast,
dann wirst Du die Berufsarbeit soweit reduzieren, dass Du mit
dem Kindern in der Freizeit noch etwas machen kannst. Aber -
und das ist wichtig - das letzte, was Du dann noch gebrauchen
kannst, ist weitere Organisationsarbeit: Tagesmütter
durchtesten, herumtelefonieren, sich in Wartelistenlisten
eintragen, persönlich 2x pro Woche vorsprechen, - oh Graus!
Erfahrungsgemäß muss das alles mindestens einmal im Jahr neu
organisiert werden, weil man entweder selbst umzieht, oder die
betreuenden Personen abspringen. All das ist zeitaufwändig,
nervenaufreibend, die Zeit fehlt Dir hinterher für die Kinder,
es hilft Dir niemand und - das ist das Entscheidende: wenn die
Betreuungsorganisation schiefgeht, dann läßt Du natürlich
nicht die Kinder wie den Haushalt oder den Garten einfach
einige Tage unbetreut - sondern Job ade!
Nicht völlig auszuschliessen, aber trotzdem ein Beispiel, in das Du beinahe alles gleichzeitig packst, was so schief laufen kann. Ich setzte noch einen drauf, denn es kann noch schlimmer kommen, Stefanie: Es könnte dabei regnen! - Vielleicht kann man diese Suppe auch auf etwas kleinere Flamme köcheln, dann sieht die Lage auf einmal nicht mehr ganz so düster aus. Dass es überhaupt keine Probleme gibt, hab ich nicht gesagt.
Und deshalb ist das nicht so einfach, wie Du glaubst. Was mich
betrifft, ich habe es nicht riskiert.
Verstehe ich Dich richtig? Du hast auch keine Kinder? - Na grossartig. Da unterhalten sich ja grad die zwei richtigen Theoretiker über praktische Kinderbetreuung. Die Frage sei mir erlaubt, wo Du Deine Erfahrungen gemacht hast, von denen Du oben berichtest? War es eine Freundin, der dieses ganze Leid widerfahren ist?
Ein Kind zu bekommen,
ohne dass die Betreuung gesellschaftlich organisiert ist und
es als Risiko abhzuhaken, dass die Karriere dabei den Bach
runter gehen könnte, das scheint mir wie ohne Fallschirm aus
dem 4. Stock zu springen und es dann als Risiko anzusehen,
wenn ich im Sprung keinen Heuhaufen zum Landen ausfindig
mache.
Den Vergleich habe ich ungefähr verstanden. Aber tu mir den Gefallen und spring auch nicht mit Fallschirm aus dem 4. Stock. Der Fallschirm würde sich während der 1,4 Sekunden dauernden Fallzeit nicht öffnen, der Aufschlag wäre mithin schmerzhaft.
Bestimmte Dinge müssen gesellschaftlich organisiert sein:
Strassenbau, öffentlicher Nahverkehr, Polizei, Wasser- und
Stromversorgung, Kinderbetreuung.
Ich denke, Du meinst nicht gesellschaftlich, sondern staatlich. Bleiben wir bei der Kinderbetreuung. Meine Meinung: Wenn Du darauf hoffst, das der Staat eine Rundum-Tagesversorgung leistet, kannst Du warten bis zum Sankt-Nimmerleinstag. Ich mag mir irren, und es wird vielleicht aufgrund sinkender Geburtenzahlen besser. Aber die verschuldeten öffentlichen Haushalte und die wirtschaftlichen Aussichten geben Anlass zu berechtigtem Pessimismus.
Gesellschaftlich hingegen geht einiges und wird in den nächsten Jahren noch viel mehr gehen (müssen). Privat organisierte und finanzierte Kinderbetreuung halte ich dabei für sehr realistisch. Um sich darauf zu verlassen, dass die staatlichen Leistungen in diesem (und anderen Bereichen) zukünftig auf gleichem Niveau gehalten oder sogar verbessert werden, muss man meines Erachtens ein gerüttelt Mass an Naivität mitbringen.
Nicht zuletzt, weil dies die
Verantwortlichkeiten regelt, wenn etwas schiefgeht. Wenn Du
z.B. zu spät zur Arbeit kommst, weil Du auf dem Weg dorthin im
Stau gesteckt hast, oder die Bahn Verspätung hatte, dann wird
Dir das i.A. nicht als persönlicher Fehler angelastet - wenn
Du dagegen wegen eines Ausfalls des Kindergartens oder der
Tagesmutter zu spät kommst, dann gilst Du sofort als
unzuverlässig. Schon mal drüber nachgedacht, warum?
Nein. Aber hast Du schon mal darüber nachgedacht, in solchen Fällen die Staugeschichte aus der Schublade zu holen? - Also solche Probleme sind keine.
Ich will Deine Meinung nicht durch den Kakao ziehen. Die Ausgangsfrage war: Karriere nur für Single-Frauen? Es hat hier einige Beispiele gegeben, wie Karriere auch in der Partnerschaft funktionieren kann. Auch mit Kindern ist Karriere möglich, wenn beide Partner ohne Unterbrechung weiterarbeiten wollen. Allerdings muss man zukünftig entweder sehr kreativ werden oder einen grösseren Teil seines Einkommens in die Kinderbetreuung stecken. Staatliche Versprechen oder gar Garantien halte ich für Volksverdummung. Gesetzespapier ist noch geduldiger als alle anderen Texte.
Das ganze Leben wird teuer. Man muss Prioritäten setzen.
Gruss,
Andreas