Entstehung und Entwicklung des Polytheismus
Hi.
Die Theologen mögen ja noch so schöne Wortsalven und Begriffe (er)finden ala Dreifaltigkeit, um den Anspruch einer monotheistischen Religion aufrecht zu erhalten - aber in der Praxis ist die katholische Kirche eine abergläubische, götzenverehrende Vielgötterei! Sorry!
Wieso hat es einer Reise nach Rom bedurft, um die banale weltliche Seite des Vatikans zu erkennen? Weißt du nicht, dass der Vatikanstaat im vielfachen Millionenbereich mit Aktien spekuliert - u.a. auch in der Rüstungsbranche - und sogar mit der Mafia Geschäfte macht? Und da regst du dich auf, wenn im Petersdom ein Kiosk harmlosen Kitsch an Touristen verscherbelt?
Es folgt ein aus Platzgründen sehr vereinfachender Überblick über die Entstehung von Poly- und Monotheismus:
Bis zum Neolithikum (im Orient ab ca. 10.000 bis 3.500 vuZ) gab es keinen Polytheismus, sondern einen auf eine weibliche, freilich apersonale Gottheit gerichteten ´Monotheismus´ (paläolithische Urmutter-Religion). Ich setze diesen Begriff in Anführungszeichen, weil er nicht im Sinne des heutigen Sprachgebrauchs zu verstehen ist, aber zum Ausdruck bringen soll, dass es noch keinen Polytheismus gab. Der Grund für die Sakralisierung des Weiblichen bestand in der Gebärfähigkeit der Frau, die mit der Fruchtbarkeit der Natur analog gesetzt wurde und dadurch religiösen Status erhielt. Vom männlichen Beitrag zur weiblichen Fruchtbarkeit war bis zum Neolithikum (d.h. der Einführung der Viehzucht) noch nichts bekannt. Daher kam es erst ab dieser Zeit zu einer zusätzlichen Sakralisierung des Mannes in Form des Stierkults.
Für einige Jahrtausende bildeten also eine Muttergöttin und ihr als Stier verehrter Sohn-Geliebter das neusteinzeitliche Pantheon. Mit der Ausdifferenzierung des politisch-sozialen Systems ab dem 5. Jt. vuZ wurde auch der Götterbereich ausdifferenziert, d.h. verschiedenen natürlichen und kulturellen Funktionen wurden Götter (beiderlei Geschlechts) zugeordnet, um deren Beistand im Kontext des jeweiligen Bereichs rituell ersucht wurde. In der sumerischen Kultur kannte man sogar Götter mit Zuständigkeit für die Spitzhacke und den Pflug. Bis Mitte des 3. Jt. vuZ war die Liebes- und Fruchtbarkeitsgöttin Innana und von da an bis Anfang des 2. Jt. deren akkadische Version Ischtar (mit hinzugekommenen Kriegskompetenzen) noch vor den Göttern Enki und Enlil die angesehenste Gottheit in Mesopotamien, belegt u.a. durch den Dank, den der mächtigste Kriegsherr des 3. Jt., Sargon von Akkad, der Inanna/Ischtar für seine militärischen Siege abstattete.
Was zeigt das Ganze? Dass a) Göttlichkeit zunächst einmal nichts anderes als sakralisierte Fruchtbarkeit bedeutet, die symbolisch auf eine anthropomorphe bzw. theriomorphe Gestalt projiziert wird (Urmutter, dann Stiergott) und dass b) mit zunehmender gesellschaftlicher Komplexität auch andere Bereiche bzw. darin enthaltende Funktionen mit Gottheiten ausgestattet werden.
Die wichtigsten Gottheiten standen in einem familären Verhältnis zueinander, denn sie waren nichts anderes als in den übernatürlichen Bereich projizierte menschliche Figuren, die mythologisch nach Stammbäumen geordnet wurden, z.B. Nammu als göttliche Urmutter des Himmelsgottes An und der Erdgöttin Ki, aus deren Verbindung der Sturmgott Enlil und die Muttergöttin Ninlil hervorgehen, die wiederum eine mächtige Vierheit weiterer Götter hervorbringen. Dieser von Nammu ausgehende Stammbaum zeigt, wie sehr der altsteinzeitliche Kult um eine Urmutter die viel späteren polytheistischen Systeme noch prägte. Aus dem gleichen Grund behielt auch die Göttinnen Inanna und Ischtar - wie oben gezeigt - noch lange Zeit eine Vorrangstellung bei. Dieser Umstand ist bedeutsam, da er die heute verbreitete, aber grundfalsche Vorstellung korrigiert, dass die höchste Gottheit im religiösen Denken der Menschen immer schon männlich gewesen sei.
Der Polytheismus speiste sich also aus zwei voneinander unabhängigen Quellen: a) er spiegelte politisch-soziale und kulturelle Funktionen wieder (Herrschaft, Ökonomie, Geschlechtlichkeit) und b) symbolisierte Naturerscheinungen als anthropomorphe göttliche Wesenheiten, auf die der Mensch durch kultische Aktivitäten Einfluss nehmen konnte.
Die Entwicklung zum Monotheismus verlief parallel zur Entwicklung des Großreichsgedankens, wie er durch die Könige des assyrischen Reichs vorangetrieben wurde. Die assyrischen Könige standen, wie alle altorientalischen Könige, in der Funktion des Mittlers zwischen Götter- und Menschenwelt, genauer: Sie galten als Statthalter des Staatsgottes Assur, der zunehmend im Sinne eines inklusiven Monotheismus verstanden wurde, d.h. alle anderen Götter, auch die fremder Staaten, fungierten nur als ausführende Organe des Assur.
Diese Dynamik wurde von einigen einflussreichen israelitischen Jahwe-Verehrern aufgegriffen und schrittweise auf ihren Gott übertragen.
Am Ende dieses Prozesses stand Deuterojesajas Version des Jahwe als einziger Gott mit Herrschaftskompetenz über die gesamte Welt. Dieser theologische Schritt stand im äußersten Widerspruch zur politischen Ohnmacht des israelitischen Volkes, das zur Zeit des babylonischen Exils sogar staatenlos war. Der Trick war, Jahwe nicht mehr als Staatsgott zu interpretieren, sondern als Schutz- und Kampfgott des von ihm erwählten ´Volkes Israel´. Allerdings verlief der bis dahin führende monolatrische Prozess über mehrere Jahrhunderte und gegen den Widerstand des Volkes, das hartnäckig an der Göttervielheit festhalten wollte, vor allem an der Verehrung der Liebesgöttin Aschera (eine Variante der Inanna/Ischtar).
Es dauerte aber nicht lange, da regte sich, unter dem Einfluss der hellenistischen Philosophie und der ägyptischen Religion, wieder die alte polytheistische Sehnsucht nach einer Göttin, verklausuliert in der Figur der jüdischen ´Frau Weisheit´, der personifizierten Chokmah als ´Gefährtin´ und Botin des Jahwe, nachempfunden unter anderem den ägyptischen Göttinnen Isis und Ma´at. Die Entstehung dieser Figur wird gewöhnlich auf die nachexilische Zeit datiert, ist möglicherweise aber bereits vorexilischen Ursprungs (so Christa Kayatz, Theologin Uni Duisburg-Essen). Eine Kostprobe aus dem AT:
(Sprüche 8)
22 Der HERR hat mich gehabt im Anfang seiner Wege; ehe er etwas schuf, war ich da. 23 Ich bin eingesetzt von Ewigkeit, von Anfang, vor der Erde. 24 Da die Tiefen noch nicht waren, da war ich schon geboren, da die Brunnen noch nicht mit Wasser quollen.
Natürlich haben auch die jüdischen Engel unbewusste polytheistische Wurzeln, vermittelt über den Mazdaismus, dessen Vorstellungen, darunter auch die von Engeln, während des babylonischen Exils Einfluss auf die israelitische Theologie nahmen. Vom Ursprung her waren die mazdaistischen Engel degradierte Götter aus polytheistischen Systemen, die durch den Mazdaismus monotheistisch revolutioniert wurden.
Es dauerte auch im Christentum nicht lange, bis polytheistische Neigungen an Oberhand gewannen in Gestalt der Trinität, der Heiligenverehrung und der Marienverehrung. Der implizite Polytheismus der Trinitätsidee wird zwar von der Theologie leidenschaftlich bestritten, tritt aber wegen der offensichtlichen Unlogik des Konstrukts - sofern dieses einen monotheistischen Anspruch erhebt - offen zutage. Die Marienverehrung ist unverhohlen polytheistisch, da der Marienfigur wundersame Heil-Fähigkeiten zugeschrieben werden, die früher manchen Göttinnen zu eigen waren, z.B. der ägyptischen Isis und der griechischen Artemis. Und dass die sog. Heiligen für die Betenden die Fürbitterfunktion bei Gott haben, entspricht eins-zu-eins der Aufgabe der altorientalischen ´persönlichen Schutzgötter´, für ihre menschlichen Schützlinge bei den oberen Göttern ein gutes Wort einzulegen. Maria steht also in der Nachfolge der altorientalischen Muttergöttin und die Heiligen in der Nachfolge der altorientalischen persönlichen Schutzgötter.
Auch die islamischen Engel Azrael, Israfil, Dschibril und Mikaal gehen, vermittelt über das Judentum, auf die mazdaistische Engeltradition zurück. Als die Menschen umgebende Schutzwesen stehen sie in der Tradition der altorientalischen persönlichen Schutzgötter, die - wie oben erwähnt - auch für die christlichen Heiligen Modellfunktion haben.
Chan