Es ist in der Tat eine eher ungewöhnliche Idee, aber wenn du dich dafür bereit fühlst, würde ich sagen: Versuch es. Das Schlimmste, was meines Erachtens passieren kann, ist, dass entweder das Kind dich für bescheuert hält und deine Kommunikationsversuche in der anderen Sprache zu ignorieren beginnt oder dass du selbst die Sache abbrichst, weil sie sich als Rohrkrepierer herausstellt. Idealerweise erwirbt dein Kind ein paar Kenntnisse, die zumindest nicht wesentlich schlechter sein werden als die, die eventuell in der Schule – auch von Nicht-Muttersprachlern vermittelt – hinzukommen. Wahrscheinlich liegt die Realität irgendwo in der Mitte.
Ich sehe zwei problematische Punkte, derer du dir bewusst sein solltest (und vielleicht schon bist):
Erstens befürchte ich, dass du nur auf relativ wenig Unterstützung für dein Projekt aus der Umgebung rechnen kannst. Das macht es schwieriger für dich, konsequent und konsistent zu sein – was ich allerdings für einen der kritischen Faktoren halte, wenn du mehr beibringen willst als eine Handvoll lose Wörter. Du siehst ja, dass die Resonanz schon hier nicht ungeteilt positiv ist. Ähnlich wird man eventuell reagieren, wenn du versuchst, in offensichtlich nicht muttersprachlichem Altslawisch im Supermarkt an der Wursttheke oder später auf dem Kindergartenfest mit deinem Kind zu interagieren. Du solltest zumindest einen Plan haben, wie du mit derartigen Situationen umgehst: Wenn du dich zum Beispiel entscheidest, die Fremdsprache nur innerhalb des Hauses zu sprechen, was ist dann, wenn Verwandtschaft ohne Kenntnisse diese Fremdsprache vorbeikommt? Dann gar kein Altslawisch mehr? Selbst muttersprachlichen Eltern, die zumindest ein akzeptables Verständnis der Umgebungssprache haben, fällt es oft schwer, ihre Kinder dazu zu bringen, mit ihnen in der zweiten Sprache zu interagieren. Wenn dein Kind jeden Tag mehrere Stunden lang mitbekommt, dass du auch prima Deutsch kannst, steigt eben die Wahrscheinlichkeit, dass es sich fragt, was der ganze Quatsch soll.
Zweitens könnte ich mir vorstellen, dass sich dein eigener Bewegungsraum in der Fremdsprache auf lange Sicht als kleiner denn erwartet herausstellt – und das kann nerven. In durch Unterricht erlernten Fremdsprachen hat man, auch wenn man sie gut beherrscht, oft weniger (zumal emotionale) Assoziationen zu Wörtern und Wendungen. In diesen Zweitsprachen arbeitet, verhandelt, diskutiert man, aber man bedient sich ihrer seltener, wenn es, sit venia verbo, ums Lieben und Hassen geht. Es ist nicht ausgeschlossen, dass du dich früher oder später eingeschränkt fühlst, wenn du feststellst, dass du in der Fremdsprache nicht so natürlich und treffend in Worte fassen kannst, wie gern du dein Kind hast oder wie wütend du gerade bist – eben, weil die Formulierungen in der Fremdsprache nicht dasselbe Gewicht zu haben scheinen wie deren deutsche Gegenstücke. Auch in weniger emotional aufgeladenen Situationen kann es einfach schade sein, wenn du immer wieder denkst ›Hm, das hätte ich jetzt gerne auf Deutsch gesagt‹, es dir aber um der Konsequenz willen verkneifst. Ich weiß nicht, ob ich darauf verzichten wollen würde, meinem Kind auch mein persönliches Deutsch mitzugeben, wenn dem bloß die unsichere Möglichkeit gegenübersteht, dass es eventuell später in einer Fremdsprache einen kleinen Vorsprung haben wird.
Wenn du dich auf derartige Herausforderungen eher freust als dass du sie scheust, dann, wie gesagt, versuch es und fang direkt an. Und berichte mal vom Erfolg.
Gruß
Christopher