Hallo Eiawell
Deine Ausführung über „Heidenkinder“, „Kindermissionsanstalten“ und „kindgerechte Indoktrination“ sind für mich einfach nicht sachlich, sondern sehr emotionsbeladen.
da kann ich nur vermuten, dass die Emotionen da auf Deiner Seite vorhanden sind. Ich sehe das ziemlich kühl. Sachliche Widerlegungen habe ich jedenfalls von Dir bislang nicht gelesen.
„Heidenkind“ - noch vor zwei Jahren musste sich eine Freundin bei der Schulleitung beschweren, weil die Religionslehrerin ihre Tochter vor den anderen Schülern ein „armes Heidenkind“ genannt hat. Immerhin bekam die Lehrerin einen Verweis - aber bezeichnend für den Umgang christlicher Erzieher mit nichtchristlichen Kindern ist das mE schon.
„Kindermissionsanstalten“ trifft genau den objektiven Sachverhalt. Oder warum bestehen die kirchlichen Träger von Kindergärten darauf, dass das Personal (im Gegensatz zu den Kindern) ausschließlich aus Angehörigen der eigenen Konfession bestehen muss? „Kindgerechte Indoktrination“ ist ebenso ein objektiver Sachverhalt. Lieder, Kinderbibel, Krippenspiele usw. usf. sind die speziell zu diesem Zweck entwickelten und angewandten didaktischen Mittel.
Du räumst doch selbst ein, Aggressionen gegen „die, die davon profitieren“, seien die Folge.
Ja und? Nochmals - das liegt an der Sachlage, nicht an deren Schilderung. Sollen wir jetzt z.B. Fukushima zu einem unbedeutenden kleinen Störfall schönreden um ja bloß keine Aggressionen gegen die Atomindustrie und ihre Lobby auszulösen?
Ja, das ist tatsächlich die Lage, da gibt es nichts dran zu rütteln.
An der Lage - der gesetzlichen Privilegierung der christlichen Kirchen auf Kosten aller (auch der nichtchristlichen) Bürger - gibt es durchaus etwas zu rütteln. Und je mehr Menschen diesen Vereinen aus guten Gründen den Rücken kehren, um so wackliger wird diese Lage. Es wird allmählich Zeit, dass mit der Trennung von Kirche und Staat auch in Deutschland endlich ernst gemacht wird - in durchaus nicht unchristlichen Ländern wie Frankreich oder den USA eine Selbstverständlichkeit.
Ich weiß jetzt auch grade nicht, wo du dein Kreuzchen bei der nächsten Wahl machen musst, um da Abhilfe zu schaffen, zum Thema Abschaffung der kirchlich getragenen Kindergärten kenne ich die Aussagen der dafür potentiell geeigneten Parteien wirklich nicht. Man sollte allerdings bedenken, dass die Präses der EKD-Synode bei den Grünen ist.
Was ich wähle, kannst Du ruhig meine Sorge sein lassen. Die Grünen werden es ohnehin nicht sein - nicht mehr, seit sie sich für die Unterstützung von Kriegseinsätzen verkauft haben. Was deren Religionspolitik angeht - nachdem der Antrag Jasberg u.a. „Trennung von Staat und Kirche“ auf der Bundesdelegiertenkonferenz letzten November gescheitert ist und stattdessen der Antrag „Für eine Neugestaltung des Religionsverfassungsrechts in Deutschland“ der BAG Christinnen und Christen angenommen wurde, sind sie auch als Vertreter einer religiös neutralen, strikt säkularen politischen Ordnung unglaubwürdig geworden.
Den Beschluss kannst Du hier nachlesen: http://www.gruene-partei.de/cms/default/dokbin/362/3… . Er enthält zwar einige grundsätzlich durchaus richtige Aussagen - Kernsätze wie:
„Diese Toleranz findet ihre Grenze da, wo Einzelne oder Gruppen ihre partikuläre Religion oder Weltanschauung für andere verbindlich machen wollen“.
„In seinem Umgang mit religiösen und weltanschaulichen Gemeinschaften und Verbänden muss der Staat gleichen Abstand wahren und als Hüter dieses Pluralismus auftreten. Er darf nicht einzelne von ihnen gegenüber anderen bevorzugen oder zu ihren Gunsten Abstriche an den für alle verbindlichen Grundregeln machen“.
- zieht jedoch keine angemessene Konsequenz daraus. Zwar sollen „in Zukunft“ bei Staatsverträgen keine Privilegien mehr zugestanden werden - wenn sie „der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zuwiderlaufen“. Von den bereits bestehenden Privilegien ist ohnehin keine Rede. Ist also nur hohles Politiker-Gewäsch.
Aber es gibt ja nicht nur die Grünen. Der politische Kampf um die Trennung von Kirche und Staat dauert jetzt schon über 200 Jahre, da kommt es auf ein paar Jahre mehr auch nicht an. Der Ausgang ist ohnehin absehbar.
Ich frage mich nur, ob du dir das Kennenlernen von fremden Kulturen und Religionen auch so strikt verbittest.
Sei doch nicht albern - bei der religiösen Früherziehung in kirchlichen Kindergärten geht es doch nicht um „Kennenlernen“ - wem willst du das denn weismachen?
Was, außer dem christlichen Glauben, gibt es konkret in deinem Leben, was du deinen Kindern vorenthälts in dem Sinne, dass du nicht einmal darüber sprichst?
Ich weiss nicht, wieso Du auf die Idee kommst, ich würde es vermeiden, mit meinen Kindern über Religion zu sprechen - oder hätte es vermieden (meine Kinder sind deutlich jenseits der 30). Mal zurückgefragt - was bringt Dich eigentlich auf die Idee, eine katholische oder evangelische Erzieherin sei besser qualifiziert mit Kindern über das Thema Religion zu sprechen als dessen Eltern?
Ansonsten - angesichts der Präsenz, die die Kirchen im öffentlichen Raum haben ist die Annahme, es sei möglich, Kindern da etwas „vorzuenthalten“ und sie vor christlichen Anwerbungsversuchen abzuschirmen schlicht Unsinn.
Warum drängt sich mir der Gedanke auf,dass es hier eigentlich nur um D e i n Interesse geht?
Vermutlich, weil ich das Interesse des Kindes anders verstehe als Du. Als Erziehungsberechtigter habe ich das Interesse des Kindes wahrzunehmen - und das verstehe zumindest ich so, dass ich es dazu erziehe, sich über sein Leben selbst Gedanken zu machen und seine Entscheidungen abzuwägen und begründet zu fällen. Dazu gehört auch, es an verschiedene weltanschauliche Konzepte heranzuführen - aber nicht, ihm mittels frühkindlicher Religionserziehung eines dieser Konzepte aufzudrängen.
Wie kannst du wissen, welche Entscheidungen dein Kind treffen wird?
Das kann ich nicht und das muss ich auch nicht - weil es diese Entscheidung irgendwann in eigener Verantwortung treffen wird. Ich kann aber nach Kräften dafür sorgen, ihm ein Grösstmaß an Freiheit der Wahl zu verschaffen. Religiöse Indoktrination im frühen Kindesalter - oder „religiöse Früherziehung“ im Sinne der christlichen Kirchen, das „Kennenlernen“ in konfessionellen Kindergärten, wenn dir das besser schmeckt - schränkt diese Freiheit ein.
Dennoch bin ich heute überzeugter Christ, und zwar aus eigenem Interesse!
Dann frage Dich einmal, ob Du bei einer christlichen Erziehung wirklich aus eigenem Interesse, aus freier Entscheidung, Christ wärst.
Freundliche Grüße,
Ralf