Kluge Beobachtungen in „Mein Kampf“?

Guten Tag!

Christian Hartmann leitet am Institut für Zeitgeschichte das Editionsprojekt Mein Kampf. Im aspekte-Interview (ZDF) vom 28. August 2015 sagte er:

Ich meine, man sollte den Autor auch nicht völlig unterschätzen. Schon Joachim Fest hat darauf hingewiesen, es sind immer wieder einzelne kluge Beobachtungen drin.

Welche „kluge[n] Beobachtungen“ (vermutlich von Herrn Hartmann nur dem Sinn nach zitiert) meinte Fest?

Eventuell meinte Fest massenpsychologische oder - worüber sich Heß 1974 in einem Spiegel-Interview äußerte: Stehen Sie auf, Nummer 7 - geopolitische Beobachtungen. Dazu merke ich an, dass ich Hitlers Schmähschrift noch nie gelesen habe.

Guten Tag Fischreiher!

Im Gegensatz zu Joachim Fest kannst du Herrn Christian Hartmann noch kontaktieren. Z.B über:

hartmann[at]ifz-muenchen.de

oder telefonisch:

089/12688-0

Daß Massenmörder auch kluge Beobachtungen machen können ist doch eine Binse.

SO WHAT???

Was soll das denn bedeuten, dass da „kluge Beobachtungen“ drin sind?

Dass wir alle Hitler verkannt haben?
Dass Hitler nicht nur böse oder schlecht war?

Geht’s eigentlich noch?

Aber klar: Er hat ja die Autobahnen gebaut, ohne die wir heute gar keine richtigen Deutschen wären, richtig?

bahh, ich geh k******

Gruß

Hallo,

offensichtlich ja. Historiker sehen ihren Job darin, eben nicht einfach nur beim Lynchmob mitzukreischen. Hättest Du Dir das Interview angesehen und Dich über die Hintergründe des Projekts informiert, dann hättest Du Deine Frage wahrscheinlich nicht gestellt.

Gut durchatmen und informieren :wink:.

Gruß
vdmaster

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nicht ihm. Der Aufarbeitung. Didaktisch oder politisch kann es sinnvoll sein, ihn kathegorisch als wahnsinnigen, bösartigen und einfältigen Menschen zu skizzieren, für ein Aufarbeiten oder Verstehen der Geschichte ist das aber nicht nützlich.

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Naja, ich bin zwar kein Fachmann, aber das Hörbuch davon hat gezeigt wie sehr man Hass thematisieren kann. Das ganze Buch besteht aus der Minderheit von Rassen verpackt in flammende Reden in irgendwelchen Kaschemmen. Die Minderheiten sind aus Hitlers Sicht fast alle ausser Deutsche. Hatte nur mal kurz das Hörbuch gehört, das hält man so ja nicht aus. Der Müll.

Und auch der damaligen Bevölkerung.

So, wie Hitler in den 60er Jahren immer dargestellt wurde, war es kaum denkbar, wie es denn überhaupt dazu kommen konnte, dass die Leute ihn gut fanden. Und auch das Dogma von der Einmaligkeit der Verbrechen verleitet zu der Annahme, dass so etwas nie wieder passieren könne.

Ich glaube nicht, dass so eine unrealistische Vorstellung einen weiterbringt.

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Hallo,

in diesem Zusammenhang fällt mir eine Frage ein, die ich immer schon stellen wollte, sie letzlich aber aus der Angst, missverstanden zu werden, nie stellte.

Wie sie lautet?

„War wirklich alles, was die Nazis machten, komplett (durch und durch) schlecht oder, wenn nicht vordergründig schlecht, dann doch zumindest aus niedrigen Beweggründen geschehen?“

Warum stelle ich diese Frage nicht?

  1. Sie könnte dahingehend missverstanden werden, dass ich mit den Nazis und ihren Taten sympathisiere und ihre Verbrechen relativieren möchte.
  2. Die Aussage „Es war nicht alles schlecht…“ wird von Sympathisanten und Beschönigern genutzt, ich will ihr keine Bühne geben.
  3. Weil es EGAL ist. Es ist vollkommen EGAL, ob jemals die Nazis eine Vorschrift oder ein Gesetz erließen, oder jemals die Nazis sinnvolle Entscheidungen trafen. Denn es wird durchaus eine Verordnung geben, die auch aus heutiger Sicht lauter, sinnvoll und gerecht war. Vielleicht eine Hygienevorschrift bei der Hühnerzucht, eine Normierung von Schrauben,… Irgendetwas werden sie bestimmt erlassen haben, was „gut“ ist. Es ist aber egal, denn die sonstigen Taten lassen jedwede positive Handlung oder Entscheidung komplett in den Hintergrund treten.

Daher - ohne das Buch oder Auszüge gelesen zu haben:
Sch***s doch was drauf, wenn Herr Hitler in seinem Buch „lichte“ Momente hatte, wo er etwas „Kluges“ von sich gegeben hat. Wir kennen sein „Hauptwerk“, seine Untaten.

Gleichzeitig und inmitten aller hochtrabenden Unordnung der Gedanken finden sich in dem Buch jedoch scharfsinnige Überlegungen, die unmittelbar aus tiefer Irrationalität hervortreten, nicht selten auch treffende Formulierungen oder eindrucksvolle Bilder“ (Joachim Fest. Hitler. Eine Biographie. 1973/2004. S. 308).

Welche Überlegungen, welche Formulierungen und welche Bilder Fest scharfsinnig, treffend oder gar eindrucksvoll fand, schrieb Fest im Anschluß an diesen Satz allerdings nicht, obwohl ein Doppelpunkt auf die Behauptung folgt. Auch auf den weiteren Seiten fand ich auf die Schnelle keinen Beleg für diese Behauptung. Wenn Fest Hitler hochtrabende Unordnung und Stil vorwirft, muß man aber auch sagen, daß der Stil von Fest ebenfalls ziemlich geschraubt ist. Es ist schon seltsam, wenn Fest auf der einen Seite Hitlers schiefen Stil präsentiert, ihm andererseits aber auch stilistische Brillanz bescheinigt (S. 310). Es ist seltsam, wenn Fest Meinungen zitiert und teilweise zu teilen scheint, daß Hitlers „Mein Kampf“ dessen Programm nicht wiedergibt oder Hitlers Weltanschauung als ungeordnete Collage verschiedener damals aktueller Ansichten darstellt (S. 310), dann aber ebenfalls anscheinend zustimmend Meinungen zitiert, wonach Hitlers Ansichten und Vorhaben von „atemberaubender Konsistenz und Folgerichtigkeit“ (Fest zitiert hier Ernst Nolte) seien, wenn man sie erst einmal aus „Mein Kampf“ extrahiert habe (S. 311/312).

Beste Grüße

Oliver

Noch ne Frage: Was sollte denn passieren, wenn man den Autor (also Hitler) unterschätze? Täten wir ihm etwa Unrecht?

Hallo

es hätten ja eigentlich Millionen für die Abschaffung diverser Nazisegnungen demonstrieren und die Abschaffung derer durchsetzen müssen. Warum ist denn das nicht passiert? Warum fordert die Krankenschwester nicht die Abschaffung der Nachtschichtzuschläge oder der Rentner die Krankenversicherung für Rentner?? Die Nazis waren ganz gewöhnliche Linke, die das Volk einfach mit diesen Massnahmen korrumpiert haben, heute ist das nicht anders, mögen auch die Ziele vielleicht anders sein
Als Lektüre: Götz Aly - Hitlers Volkssstaat

gruß
micki4

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@1Leuchtturm

Hast recht, und wie!
Wer sich überhaupt differenzierende Gedanken (ob gescheit oder ungescheit) über den Stil eines Textes des gloriosen allergrößten Führers aller Daitschen macht, und darüber hinaus die Dreistigkeit aufweist, sich überhaupt zu fragen, ob hie und da in dem wahnhaften Wüst auch ein winziges Durchschimmern schrägster unerwarteter Hellsichtigkeit irrlichtern könnte, den kann man nur als einen Wasserträger des Judenmordes, Euphemisator & Steigbügelhalter des tiefsten Bösen bezeichnen, wenn nicht noch Schlimmeres!
Cui bono?! Na, eindeutig der im Hintergrund fädenziehenden Außerirdischen, weißt Du das denn nicht?!

abifiz

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Hallo,

Grönings Beteiligung war 70 Jahre lang bekannt. Er hat sogar aktiv gegen Holocaust-Leugner Stellung bezogen. Seine Taten waren weder zu ihrer Zeit noch später strafrelevant.

Dagegen haben tausende von Soldaten in allen Dienstgraden trotz zugeklebter erster Seite sehr genau gewusst, was nach geltendem Recht erlaubte Partisanenbekämpfung und was Ermordung von Zivilisten ist. Was Raub ist oder Vergewaltigung. Und es gibt wohl kaum einen Fall, wo die Weigerung, aktiv Kriegsverbrechen zu begehen, geahndet wurde. Schwierig war es nach dem Krieg nur, diese Unrechtsbewustsein zu beweisen.

Auch bei den Endphasenverbrechen ist kaum ein „aktiver“ Zivilist verurteilt worden, wenn er nicht noch viele Jahre später mit der eigenhändigen Ermordung geprahlt hat. Vorteilsnahme am Vermögen enteigneter Juden, Novemberprogrome, Mitgliedsbeiträge und Spenden für SS etc. Klingt harmlos, aber Gröning ist nach 70 Jahren vor allem dafür angeklagt worden, dass seine Arbeit die SS finanziert.

Ich fürchte, genau diese Ansicht ist ein Grund, weshalb man nicht „objektiv“ über das dritte Reich diskutieren sollte. Der Holocaust war ja nicht „Mittel“, „Zweck“, „Ziel“ oder „Sinn“ der Naziherrschaft, sondern eher „banale“ Folge einer menschenverachtenden Entwicklung. Angefangen 33 mit der Ermordung einzelner Politischer Gegenspieler, über die Gewalt gegen Juden (wohl dosiert, d.h. nur soviel, wie es breiten Rückhalt im Volk hatte). Im Krieg gegen Polen brachen dann alle Dämme. Kriegsverbrechen wurden nicht mehr geahndet, die Tötung Unschuldiger Fremder wurde „salonsfähig“, bald auch die Tötung „unwerter“ Einheimischer. Nicht nur als geheime Verbrechen sondern auf breiter Front. Nicht nur wiederwillig auf Befehl von A.H., sondern aktiv getragen von hunderttausenden (ansonsten) rationaler Menschen.

Wie sollte da ein Neuaufbau gelingen mit nur diejenigen ohne Schuld. Die Lehrer, die Judenhass predigten und von unwertem Leben faselten waren auch nach dem 8. Mai im Amt. So wie die meisten Juristen, Polizisten oder Politiker, die das Regime bis dahin stützten.

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ausgesprochen unangenehm liest sich für mich dein Beitrag. Du kannst dir vielleicht denken warum. Folgende Stichwörter können da ggf. behilflich sein:
Wasserträger, Euphemismus, Persilscheinvergabe, Aufhübscherei, Steigbügelhalter.
Dann geht mir noch der altrömische Spruch durch den Kopf. Cui bono! Wem also nützt es.

Informier Dich über das Projekt und dann versuche es mit Deinen Stichwörtern abzugleichen.

vdmaster

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Das waren sie eben nicht. Sie waren von Grund auf totalitär und das haben sie mit dem linken Extrem wie er sich bspw. im Stalinismus zeigte, gemein. Ebenso den zelebrierten Führerkult.

Beide Extreme war vollständig demokratiefeindlich, was ganz gewöhnliche Linke eben nicht sind.

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Ein seltsames Posting. Die Frage, die Du immer schon stellen wolltest, aber sie nicht zu stellen wagtest, hast Du jetzt hier doch gestellt, obwohl Du behauptest, sie nicht zu stellen. Unweigerlich weckt diese Konstruktion viel mehr Argwohn bei mir als die Frage des UP, was Fest mit den „scharfsinningen Überlegungen“ in „Mein Kampf“ wohl gemeint haben könnte.

Deine Frage ist auch nicht egal, sondern es ist die falsche Frage. Denn nicht nur die Taten selbst können zur Verdammung führen, sondern auch ihr Zweck. Wenn Hitler bei einem öffentlichen Auftritt einem kleinen Mädchen über die Wange streichelt, ist der Handlung selbst noch nicht zu entnehmen, wie sie zu bewerten ist. Aber der Zweck dieser Handlung war die Propaganda für den lieben „Führer“ des nationalsozialistischen Deutschlands. Das Mädchen war Hitler egal. Er hätte es im nächsten Moment ohne Federlesens erschießen oder in die Gaskammer bringen lassen, wenn er einen Anlaß dafür gehabt hätte. Die Inszenierung des lieben „Onkel Adolf“ für die nationalsozialistische Weltanschauung und deren Ziele macht die Handlung verurteilenswert. Denn die nationalsozialistische Weltanschaung und Ziele lehnen wir mit guten Gründen ab: Der Nationalsozialismus ist antirepublikanisch, antiparlamentarisch, antiliberal, antidemokratisch, antirechtsstaatlich, antisemitisch, rassistisch, imperalistisch, militaristisch, menschenverachtend.

Alles, was die Nazis taten, war mit dieser Ideologie und ihren Zwecken verseucht, selbst wenn manche Handlung von Nazis nur für sich genommen auch anders als nationalsozialistisch und zum Guten zu gebrauchen wäre. Der 1. Mai als Staatsfeiertag zum Beispiel. Eine Gewerkschaftsforderung. Hitler hat sie aufgegriffen und umgesetzt. Doch hat er die Idee vollkommen pervertiert und für seine Zwecke mißbraucht: Denn der 1. Mai 1933 war der Auftakt zur Zerschlagung der Gewerkschaften und der Gleichschaltung der Arbeitnehmer in der Deutschen Arbeitsfront. Trotzdem blieb der 1. Mai nach der Befreiung vom Nationalsozialismus Feiertag, schon unter den Alliierten. Also nicht daß der 1. Mai ein staatlicher Feiertag war oder ist und daß die Nazis ihn in Deutschland als erste dauerhaft dazu gemacht haben, entscheidet über seine Bewertung, sondern welche Inhalte und welche Zwecke damit verbunden sind.

Beste Grüße

Oliver

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Wenn du dich weigerst Hitler mit seinen Vor- und Nachteilen, seinen guten
und seinen bösen Seiten wie sie jeder Mensch hat zu sehen billigst du ihm
dadurch einen quasi göttlichen Status (wenn auch negativ) zu.

Ohne geniale Fähigkeiten auf mehreren Gebieten wäre es undenkbar gewesen
eine solche Machtfülle anzuhäufen. Viele äußerst kompetente Zeitgenossen
berichten von Unterredungen mit ihm in denen er hervorragende Eigenschaften
zeigte. Das beginnt natürlich beim Machtinstinkt und der Rethorik und geht über
ein phänomenales Gedächtnis bis zu einem gewinnenden Wesen. Ich nenne da
nur Neville Chamberlain.

Das dem die sattsam bekannten Schreckenstaten gegenüberstehen ist klar und
wie Hitler in der Bilanz seiner Leistungen zu sehen ist ebenfalls … mit seiner
Stigmatisierung zum ‚unaussprechlichen Bösen‘ aber baust du ihn zu einem
Popanz auf und machst ihn zur ‚Sauron‘-artigen Gestalt.

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Nicht ich habe die Aussage gemacht, sondern Joachim Fest, ein renommierter Historiker, dessen Aussage Hartmann aufgegriffen hat. Dass das Buch nationalsozialistische Inhalte, die widerlich und abstoßend sind, enthält, ist allgemein bekannt.

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Nun in der Endphase ist Herr Hartmann sicherlich sehr beschäftigt. Trotzdem danke für den Vorschlag!

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