Angenommen, du bist in einer Tiefschlafphase: Fühlt sich diese, während sie stattfindet, für dich anders an, wenn du danach noch eine Stunde weiterschlafen wirst, als wenn du erst zwei Stunden später oder nie wieder aufwachen wirst?
Aber völlig unterschiedliche Arten und Grade von Wahrnehmungen und Empfindungsfähigkeiten. Manche Komapatienten nehmen Umgebungsreize noch sehr gut wahr, so dass da der -zunächst dümmlichpolemisch- angesprochene Kerzenschein alles andere als unwesentlich ist. Bei anderen schon.
Mit Komapatienten mit Minimalbewusstsein ist durchaus noch eine rudimentäre Kommunikation möglich. Bei manchen Komapatienten kann man mit bildgebenden Verfahren Emotionen erkennen und differenzieren, bei anderen nicht.
Differenzierung ist in dieser Debatte definitiv wichtig, wenn auch für einen wewewa-Thread zu komplex.
Übrigens lesenswert:
Sexualität im Wachkoma ist ein oft tabuisiertes Thema. Nichtsdestotrotz ist es sowohl für Patienten als auch für Angehörige ungemein wichtig. Patienten im Wachkoma sind „wach“, sie nehmen ihre Umwelt wahr, sie haben die gleichen Bedürfnisse wie Menschen, die sich nicht einem solchen Koma befinden.
Wachkoma (bzw. das apallische Syndrom) ist ein Begriff, der sehr viele verschiedene Zustände des Bewusstseins beschreibt. Es gibt nicht „das Wachkoma an sich“.
Patienten im Wachkoma scheinen nicht auf unsere Ansprache zu reagieren. Das heißt aber nicht, dass sie nicht ansprechbar sind. Sie können mit Berührungen reagieren, aber nicht mit Sprache. Es gibt also durchaus Möglichkeiten, Kontakt mit Menschen in diesem Zustand aufzunehmen.
Sie können Emotionen ausdrücken. Das emotionale Bewusstsein ist jederzeit erreichbar. Die Frage ist nur, wie und ob wir dieses emotionale Bewusstsein erkennen oder darauf eingehen können.
Auch Wachkomapatienten müssen die Möglichkeit haben, geliebt zu werden, etwas zu spüren, sich selbst zu spüren. Und das sollte auch nicht tabuisiert werden.
Wenn es zu Erektionen, Reibebemühungen oder Ähnlichem kommt, dann sollte man das nicht einfach wegwischen.
Das Bedürfnis nach Körperlichkeit und Nähe ist beim Wachkomapatient genauso da wie bei jedem anderen auch. Allerdings wird das oft vergessen, weil die Krankheit in den Vordergrund gestellt wird.
Man sollte immer daran denken, dass zur Lebensgestaltung auch Berührungskonzepte dringend eingebunden werden müssen. Das wird sehr oft vergessen. Nicht nur aus therapeutischen Gründen, sondern tatsächlich, um Leben darzustellen.
Das auch als Kommentar zu deinen Ausführungen.
Ich habe hier meine Argumentation im Thread bewusst provokativ angelegt (auch weil gekoppelt an diesen aktuellen Fall), weil dieses Thema im heutigen gesellschaftlichen Klima, das Sexualität im Zweifel immer als Gewalt versteht, eine sachliche Herangehensweise sowieso nicht zulässt, aber nicht ich bin es, der den größten Käse schreibt in diesem Thread.
Doch, das kannst du mir gern glauben.
Ich würde gerne die Waage halten zwischen, um es in der Sprache der Statistik auszudrücken, dem Fehler erster Ordnung und dem Fehler zweiter Ordnung.
Dass es diesen Fehler zweiter Ordnung, die Tatsache, dass der Komapatient nicht mal vom Ehepartner erotisch-sexuell stimuliert werden darf, gibt, legt das verlinkte Interview eindrücklich nahe. Dieser Fehler zweiter Ordnung wird nur völlig begraben unter dem erster Ordnung (Trauma, Gewalt, Missbrauch, Überwältigung).
Gruß
F.
Es geht in diesem Thread entweder um einen objektiven Blick auf das Phänomen Wachkoma oder um einen subjektiv-erlebenden Blick des Im-Koma-Liegenden.
Beide sind völlig verschieden vom subjektiven Erleben im Tiefschlaf (ein Komapatient ist wach, der schläft nicht und der vegetiert auch nicht einfach nur so hin), so dass unverständlich ist, weshalb du das (und auch Alkohol, Drogen etc.) ständig einbringst, statt schlichtweg zum Thema zu argumentieren.
Zum Beispiel zur zentralen Frage, ob Im-Koma-Liegenden sexuelle Bedürfnisse unterstellt werden können oder sollten, und, wenn ja, obs „gut“ ist, ihm das zu verweigern.
Gruß
F.
Du verstehst aber schon, was ein Beispiel ist? Und zwar in diesem Fall eines mit einem Zustand, der dir selbst vertraut ist. Auch bei einem Wachkoma besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass es zeitlich begrenzt ist.
Aus dem von dir verlinkten, aber nur auszugsweise zitierten Artikel:
Selbst wenn eine Zustimmung erahnt oder interpretiert wird – zum Beispiel anhand einer Erektion – erlaubt das nicht, eine sexuelle Handlung durchzuführen. Es würde aber erlauben, eine sexuelle Handlung – im Sinne einer Selbstbefriedigung – zuzulassen. Ich darf jedoch selbst keine sexuellen Handlungen durchführen, weil das ein Missbrauch widerstandsunfähiger Personen wäre. Dafür bräuchte ich eine ganz klare Willensäußerung: „Ja, ich möchte Sex.“
Es ist doch ganz einfach: Wenn ich nicht weiß ob jemand etwas will, weil er sich nicht artikulieren kann, dann darf ich es auch nicht machen. Es sei denn, es existiert eine Willenserklärung (Patientenverfügung) oder die Handlung ist eindeutig zum Wohl (Lebenserhaltung, Verbesserung der Lebensumstände) sinnvoll und angebracht.
[quote=„KamikazeKatze, post:66, topic:9446066“]
Aus dem von dir verlinkten, aber nur auszugsweise zitierten Artikel:
Selbst wenn eine Zustimmung erahnt oder interpretiert wird – zum Beispiel anhand einer Erektion – erlaubt das nicht, eine sexuelle Handlung durchzuführen. Es würde aber erlauben, eine sexuelle Handlung – im Sinne einer Selbstbefriedigung – zuzulassen. Ich darf jedoch selbst keine sexuellen Handlungen durchführen, weil das ein Missbrauch widerstandsunfähiger Personen wäre. Dafür bräuchte ich eine ganz klare Willensäußerung: „Ja, ich möchte Sex.“/quote]
Ja, das ist -von mir völlig unbestritten- die aktuelle rechtliche Lage.
Gruß
F.
Dem kann ich mich voll anschließen und habe das im Thread auch schon klar ausgedrückt, dass es natürlich um den mutmaßlichen Willen geht (eine Verfügung ist bei dessen Herausfinden sicher ein wichtiger Aspekt) und um die Verbesserung der Lebensqualität.
Die aktuelle rechtliche Situation dagegen, wenn ich das richtig sehe, interessiert sich für den mutmaßlichen Willen und die Lebensqualität dagegen gar nicht, sondern untersagt Wachkomapatienten Sexualität grundsätzlich.
Gruß
F.
Dass der Ehepartner stimuliert, schließt ja aber Überwältigung, Missbrauch und Trauma nicht aus. (In Kathrin Schmidt, „Du stirbst nicht“, S. 56 der Taschenbuchausgabe, überrumpelt der Ehemann die Ich-Erzählerin mit Geschlechtsverkehr. Sie erlebt das alles andere als lustvoll. Hier ist die Lage eindeutig, denn sie war zwar im Sprechen und Denken verlangsamt und beeinträchtigt, aber doch einwilligungsfähig. - Natürlich, ich weiß nicht, inwiefern gerade diese Szene autobiographisch ist oder nicht.)
Eine mögliche Vergewaltigung in Kauf zu nehmen nur aus der Vermutung heraus, dass eventuell Geschlechtsverkehr und gerade dieser Geschlechtsverkehr erwünscht sein könnte, das ist hanebüchen und verdreht.
Jule
Das ist auch völlig korrekt. Der mutmaßliche Wille ist doch kein Entscheidungskriterium wenn es darum geht, dass dem Patienten im Zweifelsfall Leid angetan wird.
Wenn ich dem Patienten die Haare kämme, weil er sich mutmaßlich besser fühlt, wenn die Frisur gut aussieht, ist das o.k. Ich kann ihm aber doch keine Brustwarzenklemmen anlegen weil er mutmaßlich Schmerz als Lust empfindet. Was ist denn das für eine verquere Denke? Sex kann nunmal als angenehm empfunden werden oder aber als Vergewaltigung. Und damit ist Sex eindeutig von beiden Partnern zustimmungspflichtig.
Bingo. Und der Grundsatz ist, dass eine Einwilligung erforderlich ist. Ebenfalls Grundsatz ist, dass jedes Zuwiderhandeln eine Verletzung der persönlichen Integrität bedeutet. Grundsätzlich ist auch, dass ein solche Verletzung psychischen Schaden bedeutet.
Es ist hochgradig problematisch, dass du als Profi diese Aspekte bei deinen Überlegungen ignorierst, entsprechende Bedenken als „unsachlich“ oder „emotional“ abtust und als Krönung dann den Empörten mimst, dass man diese Kleinigkeiten im Rahmen doch nicht ernsthaft im Rahmen eines „wewewa-Postings diskutieren“ möchte.
Das ganze Thema lässt sich aber ohne nicht diskutieren! Es gibt keine Umstände, die in dieser Hinsicht zumindest potenziell nicht offensichtlich schädigend sind.
Das heißt also: Psychischer Schaden ist in deiner Aufzählung nicht vorgesehen, so lange das Ganze mit Würde passiert. Würde hattest du an anderer Stelle mit Kerzenschein definiert.
Ich weiß wirklich nicht ob du hier trollen willst. Wenn nicht, rate ich dir noch einmal dringend, dieses Thema zu supervidieren. Deine Position hierzu ist derart krass, dass du ohne dies zu tun einen weiten Bogen um Opfer sexueller Gewalt machen solltest!
Unter Umständen ist der „Fürsorgeaspekt“, der dich da treibt, oder das, was du dafür hältst, sogar so problematisch, dass man Bedenken haben muss, inwieweit du überhaupt unbearbeitet auf Frauen losgelassen werden solltest. Denn es ist durchaus denkbar, dass sich auch ohne biografischen Kontext sexueller Gewalt Situationen in einer Therapie ergeben können, in denen du, wie hier, krass das Gebot abstinenter Haltung verletzt!
Wenn du das nicht einmal als potenziell problematisch ansiehst, hast du deinen Job verfehlt.
Das ist, gänzlich unbestritten, der aktuelle rechtliche Grundsatz.
Ich finde diesen falsch und diskutiere dies hier „offen“ in einem Nicht-Rechtsbrett.
Zusammenfassung:
Hauptargument 1: in einem Rahmen, in dem Einwilligungsfähigkeit prinzipiell nicht gegeben ist, kann dieser Grundsatz, dass Einwilligung erforderlich ist, nicht sinnvoll angewendet werden.
Hauptargument 2: dieser Grundsatz ist unausgewogen, weil er nur die eine, negative Seite der Medaille (Schutz vor Missbrauch; Gefahren; Schaden) betrachtet, aber die positive einfach außer Acht lässt. Zu dieser positiven Seite gehört all das, weshalb einwilligungsfähige Menschen sich für Sexualität entscheiden können.
Einem Einwilligungsunfähigen quasi zu sagen: „Ich schütze dich, weil du selbst nicht mehr NEIN sagen kannst, dass du aber auch nicht mehr JA sagen kannst, interessiert mich nicht“, erscheint mir völlig falsch.
Unter der Voraussetzung, dass ein Teil der Im-Koma-Liegenden sexuelle Bedürfnisse haben, die sie nicht selbst befriedigen können (das wäre ein Sonderdiskussion; ich habe unten immerhin ein Experteninterview verlinkt), finde ich meine Argumentation wichtig und schlüssig.
Die ganze Polemik empfinde ich als eine Abwehr der Thematik und vor allem gesellschaftspolitisch motiviert, weil klar ist, dass eine Ausklammerung des Einwilligungsprinzips in diesem Feld als allgemeine Aufweichung im Bereich der Sexualität befürchtet werden kann.
Kennst du gute Studien dazu?
Vermutlich gibts die nicht, weil der Forschungsgegenstand „die Sexualität von Wachkomapatienten“ so wenig Beachtung findet.
Ich nehme sehr wohl an, dass gezeigt werden könnte (auch durch bildgebende Verfahren), dass so etwas wie „Sexualassistenz für Wachkomapatienten“ nicht-verletzend (damit ist auch die psychische Verletzung gemeint) möglich ist.
Damit meine ich nicht nur spezielle Sexualassistenten, sondern z.T. auch ganz banal Ehepartner.
Lass stecken.
Deine ewigen ad-hominem-Angriffe sind nicht mal mehr langweilig.
Gruß
F.
Klar, weiß ich was „Beispiele“ sind.
Darum ist es immer wieder erquicklich, wenn die Pädophile als „Beispiel“ herhalten muss in Diskussionen wie dieser (siehe ynots Beitrag) oder unweigerlich in Diskussionen zur Homosexualität. Ist ja nur ein Beispiel
Gruß
F.
Polemischer Quatsch.
Siehe meine Antwort an dich von ca. 14 Uhr 10.
Siehe meine Antwort an dich von ca. 14 Uhr 10.
Grundsätzlich hast du übrigens recht. Dieser Fürsorgeaspekt („das tut dem Patienten/der Patienten doch gut, das braucht er/sie, das hilft ihm/ihr“) ist (auch) meiner Meinung nach der Hauptaspekt für therapeutischen Missbrauch.
Gruß
F.
Und du wirfst anderen Polemik vor?
Du hast immer noch nicht begründet, warum deiner Ansicht nach dieser Grundsatz in diesem Fall nicht sinnvoll angewendet werden kann.
Du hast ebenfalls noch nicht erläutert, wie von außen festgestellt werden könnte, ob eine Person im Wachkoma eine an ihr vorgenommene sexuelle Handlung als angenehm und lustvoll oder als unangenehm und missbräuchlich empfindet.
Fändest du es denn richtig, zu einer einwilligungsunfähigen Person quasi zu sagen: „Weil du nicht NEIN sagen kannst, gehe ich einfach einmal davon aus, dass du zumindest gelegentlich JA sagen würdest, und ob du die sexuellen Handlungen dann als Vergewaltigung empfindest, interessiert mich nicht“?
Ich hoffe wirklich sehr, dass du nie, nie, niemals im beruflichen Rahmen mit Opfern von sexuellem Missbrauch zu tun hast.
Doch, finde ich schon.
Es muss immer um den „mutmaßlichen Willen“ gehen, und man muss den Mut haben, sich in beide Richtungen zu irren. Aber grundsätzlich zu sagen: „Wir könnten uns ja irren, also verweigern wir Wachkomapatienten auf jeden Fall die Befriedigung sexueller Bedürfnisse“ ist feige und falsch.
Ich habs oben so geschrieben: Wachkomapatienten können weder JA noch NEIN sagen. Ihnen nur den Schutz fürs NEIN zukommen zu lassen, weil sie es selbst nicht können, ohne auch zu berücksichtigen, dass sie auch Stellvertreterschaft fürs JA brauchen, weil sie selbst nicht in der Lage dafür sind, ist ungenügend.
Aber damit führst du das doch nur ad absurdum …
Wachkomapatienten ist ja nicht mal gestattet, wenn sie eine Erektion haben, dass ihnen dann der eigene Ehepartner den Penis stimuliert.
Über so etwas Normales (Ehepartner, ausgebildete Sexualassistenten usw.) reden wir doch in erster Linie und nicht über perverse BDSM-Spiele an Wachkomapatienten.
Gruß
F.
Nun, wenn man sich in die eine Richtung irrt, hat die Person im Wachkoma keinen Sex - etwas, was auch Millionen von gesunden und einwilligungsfähigen Menschen erleben, ohne dass sie daran zugrunde gehen.
Wenn man sich in die andere Richtung irrt, erlebt die Person im Wachkoma, wie sie vergewaltigt wird, ohne sich dagegen wehren zu können - und das eventuell wieder und immer wieder.
Was mag wohl schlimmer sein?
Du als Mann solltest wissen, dass eine Erektion zu haben, nicht gleichbedeutend damit ist, sexuelle Lust zu verspüren oder sexuelle Lust auf eine bestimmte Person zu verspüren.
Stimmt … und dass die Pflegerin es tut, schließt Ü, M und T nicht automatisch ein.
Natürlich braucht es Kriterien hinsichtlich eines „mutmaßlichen Willens“.
Partnerschaft ist eines dieser Kriterien, nicht das einzige.
Im Koma liegenden Menschen, deren Lebensqualität vermutlich nicht gerade die höchste ist, über Jahrzehnte auch noch die Befriedigung ihrer sexuellen Bedürfnisse vorzuenthalten, weil die Gegenwartsgesellschaft Sex fast nur noch mit Ü, M, V und T verknüpft, empfinde ich als unnötige Grausamkeit.
Gruß
F.
Die Gegenwartsgesellschaft verknüpft nicht Sex allgemein mit Überwältigung, Missbrauch und Trauma, sondern ausschließlich Sex, der nicht einvernehmlich und gegen des Willen eines der Beteiligten bzw. unter Ausnutzung der hilflosen Lage eines der Beteiligten stattfindet.
Dass die betroffene Person dadurch u.U. missbraucht und traumatisert wird, empfindest du nicht als unnötige Grausamkeit?
Ich für meinen Teil finde es deutlich grausamer, vergewaltigt zu werden als keinen Sex zu haben.