Guten Abend,
da ich mittlerweile mit meinem Latein am Ende bin und das Gefühl habe, mich ständig im Kreis zu drehen, erhoffe ich mir hier ein paar Ratschläge zu meiner aktuellen Beziehungssituation. Die Geschichte ist etwas länger, weil ich alle Informationen mitliefern möchte, die von Belang sein könnten. Falls jemand das Bedürfnis haben sollte, noch weitere Informationen zu erhalten: bitte fragen.
Wir (34f und 39m) sind nun seit knapp einem Jahr zusammen. Sie hatte sich etwa ein Dreivierteljahr zuvor von ihrem damaligen Mann getrennt, von dem sie inzwischen auch geschieden ist. Aus dieser ersten Ehe hat sie ein Kind, das zum Zeitpunkt unseres Kennenlernens zweieinhalb Jahre alt war. Der Trennung ging eine ziemlich schwierige Zeit mit ihrem Exmann voraus, die mit der Geburt des Kindes begann. Eigentlich schon von da an war sie gewohnt, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, alles selbst zu organisieren und vor allem sich nur auf sich selbst und niemanden sonst verlassen zu können. Das Dreivierteljahr nach der Trennung war sie dann zwar tatsächlich allein und auf sich allein gestellt, was aber natürlich keine große Umstellung für sie war. Nach dem Jahr Elternzeit ging sie wieder Vollzeit arbeiten (Führungskraft), was notwendig war und ist, da sie das früher gemeinsame Haus alleine behalten hat (mit den dazu gehörigen Krediten).
Mein Hintergrund ist ein völlig anderer: ich war vorher über mehrere Jahre nicht mehr in einer Beziehung, habe mein Leben als Single genossen und es in der Zeit nie auf Beziehung und lange Zeit auch nicht auf Familie angelegt, wobei ich in der letzten Zeit schon den ein oder anderen Gedanken an ein eigenes Kind „verschwendet“ habe. Mit einer Partnerin zusammengelebt habe ich bisher noch nicht.
Wir haben schon frühzeitig (eigentlich am Abend unseres Zusammenkommens) über alles geredet, was man normalerweise erst nach längerer Zeit zur Sprache bringt (wir sind eh beide eher die rationalen Typen): Kinderwunsch (den sie auch hat), finanzielle Situation, ihr Wunsch nach (insbesondere finanzieller) Unabhängigkeit, ihre Sorge, dass sich ihr Kind wieder an jemanden gewöhnt, der irgendwann weg ist usw. Um es etwas zu übertreiben: wir waren uns sehr schnell einig, wie unsere Zukunft aussehen soll (soweit man die Dinge planen kann).
Seitdem hat sich unsere Beziehung wunderbar entwickelt, für ihr Kind bin ich inzwischen der zweite Papa und soweit es unsere beruflichen Termine und die Besuchstermine des Vaters erlauben (wir sind uns schon etliche Male begegnet und kommen miteinander aus, sind uns aber wohl auch einig, dass wir uns nicht mögen und dauernd sehen müssen, weswegen ich mir an den betreffenden Abenden/Vormittagen meist etwas vornehme), lebe ich inzwischen in ihrem Haus, unterhalte aber weiterhin meine eigene Wohnung.
Drei Knackpunkte gibt es aber. Der eine ist inzwischen prinzipiell erledigt, sitzt aber in meinem Kopf fest. Vor etwa einem halben Jahr ist sie mit einer Aufgabe betraut worden, die in jeder Hinsicht einen Kraftakt bedeutet (Aufbau einer neuen Organisationseinheit mit völlig neuen Aufgaben, mit ihr zugeteilten Mitarbeitern (also den klassischen Graupen) und das ganze rd. 300 km von ihrem bisherigen Wohnort und Arbeitsplatz entfernt). Es hat ungefähr eine Woche nach der Verkündung gedauert, bis sie so sehr vor der Aussichten zurückschreckte (Kind, Arbeit und auch noch Mann unter einen Hut zu bringen), dass sie die Beziehung in zwei Schritten letztlich beendete (mit genau dieser Begründung; es handelt sich also nicht um eine Spekulation. Wobei ich ihr schon vom ersten Tag angesehen habe, wie es in ihr arbeitete.). Wir kamen überein, es bei einer reinen Affäre zu belassen. Diese Entscheidung hatte für eine gute Woche Bestand. Danach war der Druck aus ihrem Kopf und wir kehrten schnell wieder in die alten Bahnen zurück. Seitdem weiß ich aber, dass sie ihre Prioritäten anders setzt als ich und im Ernstfall eher mich absägt als ihre Karriere zu beeinträchtigen (wobei sie nicht mehr nach höheren Weihen strebt). Für mich war in der Vergangenheit die Partnerin immer wichtiger als alles andere, d.h. wichtiger als Arbeit, Familie usw.
Ein anderer Knackpunkt ist, dass sie schubweise Panik bekommt, wenn ich wieder ein bisschen mehr einziehe. Neulich brachte ich z.B. den Hinweis, dass es vielleicht nicht schlecht wäre, die paar Spiele, die wir von der WM sehen werden, doch in HD und auf einem etwas größeren Fernseher zu schauen (zumal ihrer kurz vor dem Exitus steht) und deswegen einen meiner Fernseher mitzubringen. Es folgten aufgerissene Augen und eine völlige und fast hysterische Ablehnung des Vorschlages. Ich schlug daraufhin vor, meinen Fernseher nur vorübergehend vor ihren zu stellen und ihn nach der WM wieder mitzunehmen. Sie willigte zögernd ein, wobei ich aber inzwischen davon abgesehen habe, den Vorschlag umzusetzen. Ähnliches Beispiel: neulich merkte ich an, dass wir einiges an Geld sparen könnten, wenn ich bei ihr einen Zweitwohnsitz anmelde und dann meine Fahrten zur Arbeit steuerlich geltend machen kann. Die Reaktion fiel ähnlich aus; sie wolle es sich überlegen, sagt sie. Wohlgemerkt: sie ist sich ihrer Reaktionen bewusst und wir haben das auch offen besprochen. Sie will die Geschwindigkeit selbst bestimmen, was auch OK für mich ist, auch wenn ich mir wünsche, dass es schneller ginge. Andererseits ist ein mitgebrachter Fernseher kein Türschild und ein Zweitwohnsitz eine Formalie.
Wir sind uns weiterhin über das „Endziel“ einig, d.h. zusammenziehen und gemeinsames Kind, nur nicht über den zeitlichen Ablauf bzw. die Reihenfolge. Wir sind uns auch prinzipiell darüber einig, dass sie im August die Pille absetzen wird und wir schauen, was dabei herauskommt. Ich stehe allerdings auf dem Standpunkt, dass man vielleicht doch zusammenwohnen sollte, bevor bzw. wenn man ein Kind bekommt (zumal sie selber keinen Bock darauf hat, sich um zwei Kinder allein zu kümmern, nachdem sie schon beim ersten einen Teilzeitvater hatte, der sich immer dann kümmerte, wenn es ihm in den Kram passte (also ungefähr nie, was sich bis heute fortsetzt)), während sie schauen will, wie es sich ergibt und wonach ihr ist. Für eine kluge Idee halte ich es aber weiterhin nicht, unter dem „Druck“ einer Schwangerschaft zusammenzuziehen (zumal vorher noch das Dachgeschoss auszubauen wäre). Das Thema haben wir aber erst einmal zur Seite. Erfahrungsgemäß ist bei ihr sowieso nicht mit einer sofortigen Schwangerschaft zu rechnen. Es bleibt also Zeit.
Der dritte Knackpunkt ist aber der, der mir wirklich zu schaffen macht. Sofern wir nicht zusammen sind, findet unserer Kommunikation weitgehend per SMS statt (davon kann man halten, was man will, aber es ist in vielen Situationen zumindest praktikabler als bspw. zu telefonieren). Das gilt auch nicht nur für mich, sondern auch für ihre (reichlich große) Familie, ihre Freunde und Freundinnen und letztlich alle, mit denen sie so Kontakt hält. D.h. sie hat das Handy quasi permanent in der Hand. Nicht zuletzt auch, weil sie damit die Betreuung ihres Kindes und ihren Exmann koordiniert, der sie ständig versetzt, wenn er sich mal kümmern soll (bspw. Kind aus dem KiGa abholen) bzw. dummes Zeug anstellt (bspw. Kind spätnachmittags voll Zucker pumpen und anschließend bis zur Schlafenszeit auf dem Trampolin rumhopsen lassen).
Der einzige, der permanent durchs SMS-Raster fällt, bin ich. Ich bin der Ansicht, dass es zum Paar-Sein dazu gehört, dass man sich gelegentlich was über den Tagesverlauf erzählt, eine gute Nacht oder einen guten Morgen wünscht, wenn man schon nicht zusammen sein kann. Ich kann mir hingegen fast sicher sein, dass ich den ganzen Tag nichts von ihr höre, wenn sie auf Dienstreise ist, auch wenn sie den halben Tag im Zug herumsitzt (wo sie - wohlgemerkt - nicht arbeitet). Wünsche ich ihr am Vorabend eines solchen Tages noch eine gute Nacht, bekomme ich darauf im Regelfall keine Antwort – weder abends noch morgens noch tagsüber. (Andererseits kommt es immer wieder mal vor, dass sie mir wie aus dem Nichts ganz liebe Nachrichten schickt, in denen sie mir einen tollen Tag wünscht, mir schreibt, dass sie mich liebt usw.) Irgendwann bekomme ich dann eine SMS, in der sie verkündet, dass sie nun auf dem Heimweg ist und der Zug pünktlich ankommt – oder eben nicht.
Aber selbst das ist nicht der Regelfall. Selbst wenn ich frage, wann sie denn wohl am Bahnhof ist, bekomme ich darauf nicht zwangsläufig eine Antwort, was in dem Moment auch daran liegen kann, dass sie ab und an beschließt, ihr Handy komplett zu ignorieren, was sie mir aber vorher nicht sagt. Das führt dann dazu, dass wir uns unnötig nicht sehen, weil wir uns nicht mehr absprechen können, dass wir im Monat wenigstens 100 Euro unnötig an Sprit verballern, weil wir mit zwei Autos praktisch zeitgleich die gleiche Strecke fahren (sie könnte mich auf dem Weg vom Bahnhof zu sich nach Hause ohne jeden Umweg mitnehmen) usw. Es geht also nicht nur um meinen verletzten Stolz, sondern um rein praktische Aspekte.
Aber noch ein anderer Punkt ist dabei für mich wichtig: sie hat gelegentlich wirklich wichtige Termine, über die wir vorher sprechen, die sie beschäftigen und von denen ich dementsprechend genau weiß, wann sie stattfinden. Habe ich einen solchen Termin (was auch vorkommt), ist mein erster Gedanke, ihr davon zu erzählen. Entweder rufe ich an oder ich schreibe eine SMS, wobei sie auch immer die erste ist, die ich informiere. Bei ihr ist das anders: ich höre nichts und frage ich von mir aus nach, bekomme ich keine Antwort. Später am Abend oder am nächsten Tag wird mir dann alles erzählt, aber vorher erhalte ich nicht einmal eine Kurzfassung wie „Termin lief super, mehr später, bin gerade im Stress“.
Wir haben über all das schon mehrfach gesprochen. Sie weiß, dass mich das stört und dass ich mir mehr Kontakt/Austausch wünsche. Sie hingegen steht auf dem Standpunkt, dass sie sich meldet, wenn ihr danach ist und wenn sie weiß, dass sie sich melden soll(te), das erst recht nicht mag. Eine Sache, die dabei immer wieder durchkommt, ist, dass sie nicht kontrolliert werden möchte. Das aber liegt mir fern (was ich ihr auch sagte); mir geht es darum, dass ich interessiert bin und an ihrem Leben teilhaben möchte.
Der vorläufige Höhepunkt war dann neulich erreicht als wir gut eineinhalb Wochen getrennt voneinander Urlaub machten (doofe und lange Geschichte; die Urlaube waren schon sehr lange im Voraus geplant). Es gab Tage, an denen ich gar nichts von ihr gehört habe, auch wenn ich gelegentlich nachfragte, was sie so macht, wie es ihrem Kind geht usw. Da ich im Urlaub vor allem von Pärchen umgeben war, war ich gerade abends mitunter auch sehr einsam und habe die beiden vermisst. Auch das schrieb ich ihr irgendwann und dass ich mir erhofft hatte, mehr von ihr zu hören (zumal sie selber vorher vorgeschlagen hatte, gelegentlich zu skypen). Reaktion: mag erst recht nicht, wenn ich soll, komme gut zurecht, hab Du Spaß im Urlaub. Später habe ich sie dann gefragt, ob sie sich genauso verhalten hätte, wenn sie mit unserem gemeinsamen Kind unterwegs gewesen wäre. Das hat ihr zu knabbern gegeben und wie sie selber sagte, hätte sie sich dann wohl anders verhalten, aber sie wüsste nicht, wieso sie es in der aktuellen Konstellation anders gemacht hat.
Wobei eine Sache noch wichtig ist: sie erwartet (zu recht, wie ich finde), dass ich ihr Kind wie mein eigenes behandle, was ich versuche und was mir wohl auch ganz gut glückt (s.o.: inzwischen habe ich den Rang eines Zweitpapas erreicht). Andererseits hat sie mich lange (es wird besser) ausgeschlossen, wenn mit ihrem Kind etwas war (z.B. spontane Erkrankung, freiwilliger und erfolgreicher Verzicht auf die nächtliche Windel etc.). Das hat mich verletzt und rein logisch betrachtet läuft das auch ihrem eigenen Wunsch zuwider, dass wir uns als Familie gebärden und zwar unabhängig davon, dass ihr Kind nicht mein leibliches ist.
Über dieses Kommunikationsthema haben wir nun mehrfach gesprochen, ohne dass sie zu Kompromissen bereit wäre. Das Problem ist, dass ich an mir feststelle, dass ich allmählich bockig werde. Erhalte ich keine Reaktion auf meine Nachrichten, melde ich mich auch nicht mehr. Das führt zu verpassten Gelegenheiten für Treffen und zu einer bei mir tendenziell schlechteren Stimmung, was auch die Qualität der gemeinsamen Zeit reduziert.
Ich bin nun – wie ich eingangs schrieb – mit meinem Latein so ziemlich am Ende und ziehe allmählich die Beziehung in Zweifel, weil ich nicht weiß, ob ich damit dauerhaft umgehen kann. An den gegenseitigen Gefühlen besteht genauso wenig Zweifel wie an den Willen, den Rest unseres Lebens zu teilen, ein gemeinsames Kind zu haben und zusammenzuziehen (gleich in welcher Reihenfolge). In mir arbeitet es aber. Warum schreibt sie nicht, wenn sie im Zug sitzt und zig andere SMS schreibt, liest oder sich mit anderen Fahrgästen unterhält? Warum antwortet sie nicht zumindest am nächsten Morgen, wenn ich ihr abends eine gute Nacht gewünscht habe und sie im Stau steht oder im Zug sitzt? Warum schreibt sie von sich aus nicht mal, wie der Tag gelaufen ist, wie der Termin war oder die Beurteilung ausgefallen ist? Sie liebt mich, keine Frage, aber warum schreibt sie dann nicht? Bin ich ihr nicht wichtig genug? Wo stehe ich bei ihr in der Liste der Prioritäten? Wenn ich so weit hinten stehe, wie ich manchmal glaube, warum will sie dann mit mir zusammen sein und mit mir leben?
Ich weiß und verstehe, dass sie durch Arbeit und Verantwortung fürs Kind unter enormem Druck steht und auch mal froh ist, sich um nichts kümmern zu müssen und ihre Ruhe zu haben. Andererseits schreibt sie SMS in Rekordgeschwindigkeit und in drei Stunden Zugfahrt müsste es doch drin sein, sich mal kurz zu melden, gerade wenn man sich ein oder zwei Tage nicht sieht. Ich bekomme es auch nicht in meinen Kopf, dass sie meinen ihr bekannten Wunsch nach mehr Kommunikation konsequent ignoriert. Natürlich zählen auch in einer Beziehung die eigenen Bedürfnisse, aber Kompromisse gehören genauso auch dazu (die ich im Übrigen ständig mache, u.a. indem ich aufgrund unserer Wohnsituation 1,5 Haushalte führe (meinen allein und ihren zur Hälfte), mehrfach wöchentlich unter Zeitdruck zwischen Arbeit und unseren Wohnsitzen pendle, wenigstens zweimal die Woche mehr oder weniger freiwillig verschwinde, weil ihr Exmann das gemeinsame Kind immer in ihrem Haus besucht usw.)).
Bin ich mit meinen Bedürfnissen so sehr auf dem falschen Dampfer? Klammere ich, enge ich sie ein? Erwarte ich Kompromisse zu Lasten ihrer Bedürfnisse?
Für Meinungsäußerungen wäre ich dankbar.
Grüße R. Schmidt
P.S.
Heute Abend ist sie übrigens vom Vorstand (sie arbeitet für ein Unternehmen mit rd. 5000 Mitarbeitern) mit einer Handvoll anderer aufstrebender Führungskräfte zum Karrieredinner verabredet. Ich schrieb ihr gegen sechs (Beginn um sieben Uhr), dass ich an sie denke und stolz auf sie bin (was der Wahrheit entspricht und was sie von ihren Eltern nie gehört hat). Letztes Mal online war sie um kurz vor sieben (Whatsapp ist Teufelszeug), Wem auch immer sie geschrieben hat: ich war es nicht. Wenn ich wetten sollte, dann würde ich keinen Cent darauf setzen, dass sie sich heute noch einmal meldet, wenn sie im Hotel sitzt, um zu berichten, wie der Abend lief. Ich könnte schon wieder kotzen.
P.P.S.
Fremdgehen ist kein Thema. Ich habe meine Gründe dafür, dass ich das mit einer solchen Bestimmtheit schreibe und bitte darum, diese Aussage nicht in Zweifel zu ziehen.
P.P.P.S.
Für den Fall, dass jemand auf den Gedanken kommt, sie sähe mich nicht als gleichwertigen Partner: ich bin ebenfalls Führungskraft und unser Gehalt ist fast auf den Cent genau gleich hoch. Geistig bewegen wir uns ebenfalls auf dem gleichen Niveau, auch wenn sie immer wieder mal sagt, dass sie nicht sicher ist, ob sie mit mir mithalten kann. Was sie definitiv kann und was ich ihr auch immer wieder sage.