Konnte Jesus von Nazareth eigentlich lesen und schreiben?

Guten Tag,

mich beschäftigt (ernsthaft!) folgende Frage:

Jesus von Nazareth soll als Sohn eines Handwerkers aufgewachsen sein (also nicht unbedingt in intellektueller Umgebung). Nun kann es wohl als hinreichend zuverlässig gelten, dass er später in den letzten Jahren vor seinem Tod als Prediger erfolgreich war, also überdurchschnittliche rhetorische Fähigkeiten angenommen werden können.

Zugleich hat er aber anscheinend selbst keine schriftlichen Werke hinterlassen (obwohl es durchaus schriftliche Zeugnisse noch wesentlich älterer Publizisten, wie Platon, Aristoteles gibt). Daran, dass sie etwa im Zeitablauf verlorengegangen sein könnten, wird es wohl nicht liegen. Vielmehr scheint es so, als ob er zu Lebzeiten nichts für die Nachwelt Relevantes in schriftlicher Form von eigener Hand hinterlassen hat, zumal auch in späteren Werken anderer Autoren ja nirgends auf Schriftwerke des Nazareners Bezug genommen wird.

Deshalb stellt sich mir die Frage: Konnte Jesus von Nazareth eigentlich selbst überhaupt lesen und schreiben?

Ja, mir ist die Story bekannt, dass er schon als zwölfjähriges Wunderkind mit den Priestern und Schriftgelehrten im Tempel diskutiert haben soll, was ja wohl einige Kenntnis der heiligen Schriften seiner Zeit voraussetzen würde.
Aber, sehen wir diesen Bericht einmal mit kritischen Augen:
1. Von wem stammt er? Vom Evangelisten Lukas. Nicht von irgendeinem Augenzeugen.
2. Wann wurde diese Sage aufgeschrieben? Ungefähr fünfzig Jahre nach Jesus’ Tod. Lukas wird also selbst kaum Augenzeuge der Begebenheit gewesen sein, da er bestenfalls ungefähr gleichaltrig wie Jesus war. Und falls doch: Wie wahrscheinlich ist es, dass ein Teenager sich für spätere Jahrzehnte merkt, wenn er zufällig Zeuge einer Diskussion eines anderen Teenagers mit der intellektuellen Elite wird? Wahrscheinlicher ist also, dass der Autor Lukas die Geschichte auch nur vom Hörensagen kennt. Er war also selbst nicht in der Lage, sie zu überprüfen und sich für ihren Wahrheitsgehalt zu verbürgen.
3. Angenommen, der Bericht des Lukas über den 12jährigen Jesus stimmt - muss sich der Knabe deshalb seine Schriftkenntnis zwingend selbst angelesen haben? Es ist zweifelhaft, dass Lesefertigkeiten zur damaligen Zeit im einfachen Volk weit verbreitet waren, auch in biederen Handwerkerhaushalten galiläischer Kleinstädte wird das nicht besser gewesen sein. Vorausgesetzt, dass der minderjährige Jesus sich also fachlich bereits auf Augenhöhe mit den Schriftgelehrten befand, wird er diese Kenntnis wohl auch nur infolge mündlicher Weitergabe erworben haben. Möglicherweise, weil er selbst - wie die meisten Zeitgenossen - überhaupt nicht lesen konnte?

Es ist auch kaum vorstellbar, dass Jesus vor lauter Predigen und Wundertun vielleicht nicht die Zeit gefunden hat, irgendeinen wesentlichen Gedanken, den er sonst in seinen Predigten unters Volk gebracht hat, selbst niederzuschreiben. Wenn man sich vorstellt, welchen Haufen von Papier kurze Zeit später der Apostel Paulus hinterlassen hat, der wohl nicht weniger beschäftigt war und nicht weniger in der Welt herumgereist ist als Jesus selbst, scheint es eher zweifelhaft, dass Jesus überhaupt in der Lage gewesen wäre, irgendetwas aufzuschreiben.

Und schließlich: Warum sollte jemand, der wie Jesus eine ganze Religion weiterentwickelt hat, nicht erkannt haben, welche Bedeutung schriftlichen Hinterlassenschaften auch für spätere Jahrhunderte zukommt und wie man mit ihrer Hilfe (siehe wieder Platon etc.) die eigenen Überzeugungen auch weit in die Zukunft tragen kann? Na sicher, er war noch nicht wie Luther in der Lage, seine Schriften mittels Buchdruck breit in die Massen zu streuen, aber Auf- und Abschreiben gab es auch zu Jesus’ Zeit bereits als Mittel der Vervielfältigung.

Mich interessiert nun, wie die oben gestellte Frage von Seiten theologischer Experten beantwortet wird.

Hallo,

das ist weniger eine theologische als eine historische Frage. Galiläer hatten in Palästina den Ruf, einfache und wenig gebildete Leute zu sein. Bildung erhielten in erster Linie Jungen in der Form der Einweisung in die Thora durch ihren Vater. Josef, der an Vatersstatt für Jesus verantwortlich war, hätte Jesus also in die Thora einweisen müssen. Vielleicht ist Josef aber früh gestorben. Im Gegensatz zu seiner Mutter Maria und den „Geschwistern des Herrn“ liest man nur am Anfang von Josef, danach hört man nichts mehr von ihm. Weitere Bildung konnte man in Thoraschulen und in den Synagogen bekommen. Jesus wird die Thora durch Lesungen in den Synagogen kennengelernt haben, also durch mündliche Überlieferung. Ob er selbst lesen und schreiben konnte, ist tatsächlich ungewiß. Lukas berichtet über den erwachsenen Jesus:

So kam er auch nach Nazaret, wo er aufgewachsen war, und ging, wie gewohnt, am Sabbat in die Synagoge. Als er aufstand, um aus der Schrift vorzulesen, reichte man ihm das Buch des Propheten Jesaja. Er schlug das Buch auf und fand die Stelle, wo es heißt“ (Lk 4,16; EÜ).

Ob diese Stelle historisch zutreffend ist, ist fraglich. Daher ist unklar, ob Jesus wirklich lesen konnte. Vom Schreiben ganz zu schweigen.

Sehr wahrscheinlich waren Jesus, die Jünger und die erste Generation der Apostelschüler keine gebildeten Menschen. Das haben sie und die ersten Christen auch niemals behauptet. Schon in der Apostelgeschichte schreibt Lukas:

"Die Mitglieder des jüdischen Rates waren überrascht, mit welcher Sicherheit Petrus und Johannes sich verteidigten, obwohl sie offenkundig keine Gelehrten waren, sondern einfache Leute. Es war ihnen schnell klar, dass die beiden zur Gefolgschaft von Jesus gehörten (Apg 4,13; EÜ).

Der hl. Justin der Märtyrer schreibt um 150 n.Chr. in seiner 1. Apologie:

denn von Jerusalem gingen Männer aus in die Welt, zwölf an der Zahl, ganz ungebildet und der Rede nicht mächtig; aber durch die Kraft Gottes haben sie dem ganzen Menschengeschlechte gezeigt, daß sie von Christus gesandt waren, allen das Wort Gottes zu predigen“ (Justin der Märtyrer, 1. Apologie, 39).

Der hl. Paulus hat selbst nicht viel geschrieben. Wir haben nur einige wenige Briefe in der Bibel, die unter seinem Namen verfaßt sind. Einige davon sind von ihm, einige nicht. Paulus bediente sich oft eines Schreibers. Manchmal ist der Name des Schreibers auch im Brief genannt, manchmal heißt es als Besonderheit, daß Paulus einen Briefabschnitt eigenhändig geschrieben hat. Aber gereist ist Paulus mehr als Jesus, v.a. weiter: Paulus war in Syrien, Zypern, Kleinasien, Griechenland und in Rom tätig. Er wollte sogar nach Spanien. Jesus hat nur in Palästina gewirkt. Paulus soll ein gebildeterer Jude aus Tarsus in Kilikien gewesen sein.

Auch unter den späteren apostolischen Vätern, also noch eine Generation weiter, sollen noch ungebildete Menschen gewesen sein, die aber zumindest schon selbst geschrieben haben. So schreibt z. B. Eusebius von Cäsarea in seiner „Kirchengeschichte“ im 4. Jahrhundert über den Apostolischen Vater Papias von Hierapolis (Ende des 1. bis Anfang des 2. Jahrhunderts), einem angeblichen Schüler des Apostels Johannes oder ein Schüler des Presbyters Johannes (von dem zwei der drei Johannes-Briefe der Bibel stammen):

Papias bietet aber auf Grund mündlicher Überlieferung auch noch andere Erzählungen, nämlich unbekannte Gleichnisse und Lehren des Erlösers und außerdem noch einige sonderbare Berichte. […] Obwohl er, wie man aus seinen Worten schließen kann, geistig sehr beschränkt gewesen sein muß, hat er doch sehr vielen späteren Kirchenschriftstellern, die sich durch das Alter des Mannes verleiten ließen, wie dem Irenäus und denen, die sonst noch solche Ideen vertreten, Anlaß zu ähnlichen Lehren gegeben.

Die defizitäre Bildung der frühen Christenführer war übrigens Gegenstand des Spotts der Christentumsgegner: So hat der platonische Philosoph Celsus von Alexandria die fehlende Bildung der Christenführer angegriffen und gemeint, daß deren christliche Lehre nur beim einfältigen Volk ankomme, daß Jesus der uneheliche Handwerkerssohn der Maria gewesen sei, daß er deshalb immer wettere, nörgle, drohte und schimpfte („Ihr Otternbrut!“), weil er aufgrund seiner geringen Bildung unfähig gewesen sei, zu verstehen, worüber er rede, und andere zu überzeugen.

Warum Jesus und seine Apostel (entgegen der Überlieferung) nichts selbst aufgeschrieben haben, ist aber abgesehen von dem möglichen Grund, daß sie des Lesens und Schreibens nicht ausreichend mächtig gewesen sein konnten, auch aus anderer Sicht erklärbar: Zum einen wurden religiöse Sprüche und Lehren im Judentum häufig zunächst mündlich weitergegeben und erst später aufgeschrieben. Zum zweiten bestand gar nicht die Notwendigkeit, viel schriftlich niederzulegen: Die frühen Christen erwarteten ja das baldige Ende der Welt. Das schrieb noch Paulus in seinen frühen Briefen. Wozu in dieser Situation etwas aufschreiben? Erst als das Ende nicht kam, die Apostel tot oder alt und auch ihre Schüler schon betagter waren, entstand das Bedürfnis, das bisher nur mündlich Überlieferte aufzuschreiben und es an die folgenden Generationen weiterzugeben. Außerdem kam es zu ersten Auseinandersetzungen mit Andersdenkenden (Irrlehrern) und später zu Rechtfertigungsdruck gegenüber dem Staat und gebildeteren andersgläubigen Heiden (Celsus).

Beste Grüße

Oliver

Welchen Unterschied hätte es denn gemacht, wenn Jesus das von ihm Gesagte und Gewirkte aufgeschrieben hätte? Wäre seine Geschichte dann glaubwürdiger gewesen in den Augen der Leute, die den Evangelien jetzt nicht glauben? Würdest Du jemandem glauben, der selbst aufschreibt, daß er Gottes Sohn ist und die Erlösung des Menschen bringt, im Vergleich zu den schriftlichen Berichten seiner Jüngersjünger? Wahrscheinlich nicht. Oder glaubst Du Mohammed, weil dessen Bericht göttlicher Offenbarung zeitnäher am Geschehen aufgeschrieben wurde als die Offenbarung Jesu Christi?

Nein, Du würdest die Erfindung des Computers, des Internets im 1. Jahrhundert und die des Warpantriebs in jetziger Zeit fordern oder das Aufstellen der Weltformel der Physik. Es hätte zwar im 1. Jahrhundert n.Chr. überhaupt keiner verstanden, was damit gemeint gewesen wäre und einen Nutzen hätte es auch nicht gehabt: Was sollen römische Legionäre mit Wurfspieß und Kurzschwert im Weltall? Noch nicht einmal heute würden wir wohl Warpantrieb und Weltformel verstehen, wenn sie uns gegeben würden. Aber für Dich hängt der Beweis der Göttlichkeit daran, daß jemand übernatürliche Kräfte wirken lassen kann und sie hieb- und stichfest dokumentiert. Aber Jesus hat von seinen Wundern keine Fotos und keine Videoaufzeichnung („Das Jesus-Video“) hinterlassen. Als Gottes Sohn hätte er das doch wenigstens hinbekommen können. Nur diese Dokumentation würdest Du auch anzweifeln, da man so etwas fälschen kann. Aber nein, Jesus konnte wahrscheinlich noch nicht einmal lesen und schreiben und hat’s deshalb „verpeilt“, es sich beizubringen und seine Geschichte aufzuschreiben. Ja, er hat seine Geschichte nicht aufgeschrieben. Er hat mündlich gelehrt, seine Jünger haben seine Botschaft weitergegeben, spätere Generationen haben sie aufgeschrieben. Seine Jünger, Paulus und andere haben sie bezeugt:

Denn vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift, und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift, und erschien dem Kephas, dann den Zwölf. Danach erschien er mehr als fünfhundert Brüdern zugleich; die meisten von ihnen sind noch am Leben, einige sind entschlafen. Danach erschien er dem Jakobus, dann allen Aposteln. Als Letztem von allen erschien er auch mir, dem Unerwarteten, der «Missgeburt». Denn ich bin der geringste von den Aposteln; ich bin nicht wert, Apostel genannt zu werden, weil ich die Kirche Gottes verfolgt habe“ (1 Kor 15, 3-9; EÜ).

Zeugenaussagen sind heute vor Gericht genauso als Beweis zugelassen wie Dokumente. Eine Sache ist bewiesen, wenn das Gericht von ihrer Richtigkeit überzeugt ist - an sie glaubt.

Jesus, seine Jünger, Paulus und viele andere haben für ihren Glauben ihr „normales“ Leben aufgegeben, haben sich gegen die Gesellschaft, in der sie lebten, zu ihrer Botschaft, der Botschaft Christi, bekannt, sind für ihren Glauben und ihr Bekenntnis ins Gefängnis gekommen, wurden gefoltert und getötet, manche durch Enthaupten, manche durch Kreuzigen, manche in den Arenen des Römischen Reiches. Zu Tausenden.

Aber Du forderst als Beweis für die Göttlichkeit Christi die Erfindung von Internet und Computer im 1. Jahrhundert n.Chr. Warum keine Lottozahlenvorhersage? „Es wird euch nur ein Zeichen gegeben werden. Das Zeichen der 6 Richtigen aus 49 am 27.2.2015. Schreibt sie auf! - Meister, was sind die 6 Richtigen aus 49? - 3 5 15 …“ Die könnte man heute nachprüfen, aber für Petrus und Co. hätten diese Zahlen keinerlei Wert gehabt. Also hätten sie sie vergessen. Zu Recht. Denn so etwas ist unwichtig. Die Botschaft Jesu Christi ist nämlich nicht: „Hey, Leute, ich bin so toll, ich kann Wunder wirken und ich bringe euch die Erlösung - die Champions League im HD-TV“. Du verwechselst den christlichen Glauben mit einem naiven Kinderglauben.

Beste Grüße

Oliver

2 Like

Hallo & und in Zukunft vielleicht schönere Tags von w-w-w …

In den synoptischen Evangelien steht nirgends, dass Jesus etwas geschrieben oder gelesen hätte, nur in der Überlieferung des Johannes - und dort auch nicht in allen Textzeugen - wird an einer Stelle (Joh 8,6) bemerkt, dass Jesus mit dem Finger etwas in den Sand zeichnete/schrieb: κατεγραφεν. Das äußere menschliche Liebesleben wurde von Gott schon immer sehr stark reglementiert; auch wenn Jesus vielleicht wusste, dass alle Ankläger selber etwas mit der Dame hatten, könnte er hier eine Entscheidung nach Vorschrift, nach einer Antwort des priesterlichen Orakels („Licht & Recht“) gefällt haben. Die Dame hätte ein Recht auf eine anständige Behandlung gehabt, kein willkürliches Urteil!

In apokryphen Evangelien ist von Lehrern die Rede, die (vergeblich) versucht hätten, Jesus Lesen und Schreiben beizubringen, am bekanntesten die Geschichte mit einem Lehrmeister namens Zachäus, dem Jesus ausführlich das Aussehen (nur) des ersten Schriftzeichens erklärte. Die große Frage um das Zweite Schriftzeichen könnte ein Hinweis darauf sein, dass hier das griechische Alphabet gemeint gewesen sein könnte, dessen B nicht nicht von den Phönikiern übernommen worden war, aber auch, dass das hebräische Alphabet gemeint gewesen sein könnte, d.h. die Bedeutungen speziell des ersten Schriftzeichens אלף als „Lehrer“, „Rindvieh“ und „1000“ …

Meine Gegenfrage: Warum hätte Jesus Lesen lernen sollen, wenn er wusste, was wo geschrieben stand und wozu hätte er Schreiben lernen sollen, wenn alles zum Thema Wissenswerte (d.h. die Tora, die Psalmen und die Propheten) bereits aufgeschrieben existierte, er nur den Auftrag hatte, zu versuchen, kurzfristig Voraussetzungen dafür zu schaffen, die in der Diaspora verstreuten Israeliten in dem auch diesen verheißenen Land versammeln zu können: Nächstenliebe & Opferbereitschaft und keine vorzeitige Provokation der römischen Soldaten, die sich das Recht gegeben hatten, Einheimische zum Tragen des Gepäcks, ihrer Ausrüstung zu zwingen und Ohrfeigen zu verteilen?

Der verlinkte Text ist interessant, läßt aber nach schneller Durchsicht genau das Gegenteil von dem erwarten, was Du schreibst: So heißt es im Abschnitt „Ausbildung und Erwerb in biblischen Zeiten“ auf den Seiten 11 und 12

„Auch in Israel zielte Erziehung in allen Bevölkerungsschichten mithin nicht nur auf die Übermittlung sittlich-religiöser Werte und Normen, auf Moral und Charakter – und sicherlich zum Wenigsten auf dem Wege der Verbreitung von Literalität. […] Insbesondere zu Zeiten, als die Mehrheit der Bevölkerung in Dörfern lebte, reichte, neben mündlicher Übermittlung und der Nutzung des Gedächtnisses, ein einfaches »Buchhaltungssystem« aus. […] Die Übermittlung von Geschichten und Legenden, Naturvorstellungen und Gottheitsbildern, Weisheitslehren und Verhaltensvorschriften, Kenntnissen und Erfahrungen – all dies war Gegenstand des Erzählens, mündlicher Mitteilung und Tradierung. Nur allmählich verbreiteten sich Lesen, Schreiben und Rechnen; und auch als die Schriftkultur im antiken Israel längst in Gebrauch war, verdrängte sie die Oralität als wichtigstes Medium der Übermittlung nicht. […] Falls also Kenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen übermittelt wurden, so galt dies wohl in allen hier in Betracht kommenden Epochen für die große Mehrheit der Bevölkerung nur rudimentär und beschränkt auf das für die jeweilige Erwerbstätigkeit Notwendige

Man bedenke, daß Jesus nicht in Jerusalem aufwuchs, sondern auf dem Lande. Nazareth soll nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ein Dorf in einer spärlich besiedelten Landschaft gewesen sein mit vielleicht 200 bis 500 Einwohnern. Entgegen dem Bericht im Lukasevangelium (Lk 4,16ff.) hat man keine Überreste einer Synagoge gefunden.

Über die Lehrhäuser bei den Synagogen in der Zeit der Makkabäer und später heißt es dann in dem verlinkten Text auf Seite 32:

„Welches Bild kann man sich nun von diesen, in der populären Literatur oft und gern erwähnten, Lehrhäusern machen, die es in Palästina und in der Diaspora, vor allem in Babylonien gab und zwischen denen reger Austausch bestand? Nur wenig läßt sich als gesichert annehmen. Dazu gehört, daß Pentateuch und Mischna die wichtigsten Inhalte des Studiums der Jünglinge bildeten, welche öffentliche Ämter in jüdischen Gemeinden anstrebten, denn sie enthielten das Material zu allen wichtigen religions-, zivil-und strafrechtlichen Fragen.

Zimmerleute im Galiläa der biblischen Zeit werden also höchstens nur insoweit lesen und schreiben gelernt haben, wie sie es für ihren Beruf gebraucht haben, also vermutlich ziemlich wenig. Denn öffentliche Ämter in jüdischen Gemeinden werden sie in der Regel wohl nicht angestrebt oder gar bekleidet haben. Deshalb halte ich es für wahrscheinlicher, daß ein Mensch wie Jesus von Nazareth nicht oder kaum lesen und schreiben konnte. Man liest auch nirgends im NT, daß Jesus seinen Jüngern etwa das Studium der Thora mittels Lesen nahegelegt oder ihnen etwa aus der Thora vorgelesen hat. Es wird immer nur von Sprüchen und von Gleichnissen berichtet.

Beste Grüße

Oliver

1 Like

Den Rest des Postings buche ich unter Quatsch ab, nur zu diesem Satz etwas: Zu Jesu Zeiten wurde Hebräisch kaum noch verwendet. Man sprach im Allgemeinen Aramäisch. Eine Bibelversion in einer dem Aramäischen sehr nahe verwandten Sprache ist die syrische (nicht arabische) Peschitta. Nach Ansicht der syrisch-orthodoxen Kirche von Antiochia und der assyrischen Kirche geht die Peschitta direkt auf Jesus und seine Jünger zurück. Tatsächlich ist die Peschitta wohl eine Übersetzung aus dem Griechischen.

Beste Grüße

Oliver

1 Like

Das finde ich durchaus unlogisch.
Wenn Gott doch seinen Sohn nicht als Gott, sondern als Menschen auf die Welt sendet, so ist es doch ganz klar in der Absicht, dass er auch deren Schwächen und Schwierigkeiten haben soll. Was sollte das Ganze dann sonst?

Oder er hätte ihn eben nicht als unehelichen Sohn von irgendjemand, sondern wenigstens als König und Superstar auf die Welt kommen lassen.

Und überhaupt: alle menschlichen Fertigkeiten. Konnte er Cello spielen? Handschlag Überschlag? Auf dem Seil tanzen? Russisch und Spanisch sprechen? Spitzen klöppeln? Differentialrechnung? -

1 Like

Danke für die Blumen. :slight_smile:

Die Frage wurde schon vor fast 2000 Jahren gestellt, allerdings etwas anders formuliert. Ich zitiere einmal aus dem Markusevangelium, weil es wohl das älteste Evangelium ist:

"Die Leute, die vorbeikamen, verhöhnten ihn, schüttelten den Kopf und riefen: Ach, du willst den Tempel niederreißen und in drei Tagen wieder aufbauen? Hilf dir doch selbst und steig herab vom Kreuz! Auch die Hohenpriester und die Schriftgelehrten verhöhnten ihn und sagten zueinander: Anderen hat er geholfen, sich selbst kann er nicht helfen. Der Messias, der König von Israel! Er soll doch jetzt vom Kreuz herabsteigen, damit wir sehen und glauben. Auch die beiden Männer, die mit ihm zusammen gekreuzigt wurden, beschimpften ihn." (Mk 15,29-32; EÜ).

Die Antwort ist: Die Sache darf man sich nicht als eine Art Science Fiction vorstellen, wie wir sie aus unseren Romanen und Filmen kennen. Gott wirkt und bewirkt im Menschen etwas, benutzt ihn als sein Werkzeug, inspiriert ihn zu bestimmten Taten. Aber der Mensch bleibt ein Mensch seiner Zeit und reagiert auch wie ein solcher. Wir dürfen nicht vergessen, daß Jesus Christus für Christen Gott und Mensch zugleich ist. Als Gottes Sohn und Messias hat Jesus von Nazareth in seiner Zeit und mit den damaligen Mitteln den Willen seines Vaters in die Tat umgesetzt: für unsere Sünden am Kreuz zu sterben, einen Neuen Bund zu schließen und uns dadurch zu erlösen.

Beste Grüße

Oliver

in seiner Zeit und mit den damaligen Mitteln

Nun ja, das erklärt zumindest, weshalb er (falls er es, wie angenommen, nicht konnte) sich nicht Lesen und Schreiben beigebracht und auch darauf verzichtet hat, das Internet zu erfinden: Er sagte sich wahrscheinlich „Was soll’s, das kann ja heutzutage sowieso kaum einer lesen und Computer hat auch noch keiner. Und es für spätere Generationen aufzuschreiben, wäre ‚außerhalb der Zeit‘.“

Oder wiederum anders erklärt: Beim Tote aufwecken war Jesus nicht Mensch, sondern Gott. Aber was Lesen und Schreiben anbetraf, war er Mensch und sagte sich wohl: „Das sind so typisch menschliche Fähigkeiten, die habe ich aber leider nicht gelernt. Und als Gott habe ich es nicht nötig, Informationen mittels Schrift weiterzugeben oder aufzunehmen, weil ich ja eh alles weiß und über alles den Überblick habe.“

So ungefähr?

Hallo,

natürlich konnte Jesus lesen und höchstwahrscheinlich auch schreiben! Im übrigen hebräisch.

Im Judentum heisst die Bibel Tora. Laut jüdischem Brauch wird nahezu jedem jugendlichen männlichen Juden ein Rabbiner zugewiesen, der mit ihm aus der Tora liest und ihm den jüdischen Glauben lehrt. Dieser Rabbiner sollte als Lehrmeister angesehen werden.

Aus einigen sehr glaubwürdigen Dokumentationen geht hervor das Jesus spätestens mit 13 Jahren bis ungefähr zum 30. Lebensjahr in Tibet gelebt hat. Als Tibetischer Mönch lernte in jedem Fall lesen und schreiben.
Jetzt wird so mancher stutzen und sagen blödsinn! Aber man halte sich mal die vielen Übereinstimmungen des Buddhismus zum Christentum vor Augen! Rosenkranz mit der exakt gleichen Anzahl der Perlen zum Beispiel. Und wo war Jesus laut Bibel in dieser Zeit? Da klafft eben genau solch eine Lücke. Und stellt Jesus nicht genau solch ein gutmütiger Mensch zu sein und predigt die nächsten Liebe etc.?

Aber es sind halt nur Indizien die vorliegen. Jeder bildet sich ja seine eigene Meinung oder lässt sich eine Meinung (zum Beispiel seiner Kirche) aufdrücken.

Beste Grüsse

Alex

Naja die Postings von Aiwendli habe ich garnicht gelesen und direkt unter „Jemand der sich profilieren muss und der gut abschreiben kann“ verbucht. Ich habe zu der Frage ob Jesus lesen und schreiben konnte nur meine eigene Meinung geschrieben und so weit es mir in Erinnerung geblieben wahr niedergeschrieben(Dokumentation).
Aber Herr Doktor muss ja das was er auf seinen Vorlesung und so weiter aufgenommen hat als einzig wahre Möglichkeit festhalten sonst müsste alles gelernte ja über kurz oder lang revidiert und neu gelernt werden?!?

Habe hier mal solch eine Doku rausgesucht https://www.youtube.com/watch?v=tGR2ipksXw4

:smile:

Ich habe weder etwas irgendwo abgeschrieben noch in einer Vorlesung gelernt, sondern mir im Eigenstudium selbst erarbeitet und anhand der von mir gelesenen Quellen belegt. Wenn Du irgendwelche begründeten Argumente hättest, die ebenso fundiert wären, dann würde ich sie ebenso berücksichtigen. Aber da das nicht so ist, tue ich es nicht.

Beste Grüße

Oliver

Hallo nochmal,

gut dann belege ich zumindest mal den Satz den du als falsch bewertest. Jesus hat wenn er das Lesen und evtl auch das Schreiben aus dem Tanach gelernt hat in hebräisch gelernt. Wir reden hier vom schreiben und lesen lernen. Und nicht welche Sprache gesprochen wurde! Und hier noch eine Aussage die ich allerdings nicht belegen kann: Denn es gilt bei den Juden, als übrigens auch bei den Moslems(Koran) als Sündenfall die Schriften zu übersetzen! Natürlich gibt es heute jede dieser Schriften auch in anderen Sprachen aber das sicher öffentlich erst in der Neuzeit!

Ach und damit du einen Beleg oder eine Quelle hast hier bitte direkt aus Wikipedia:


Als Tanach oder Tenach [taˈnaχ] oder [təˈnaχ] (hebräisch ‏תנ״ך ‎ TNK) bezeichnet das Judentum die Bibeltexte, die als normativ für die eigene Religion gelten. Der Tanach besteht aus den drei Teilen Tora („Weisung“), Nevi’im („Propheten“) und Ketuvim („Schriften“). TNK ist das Akronym der Anfangsbuchstaben dieser Teile. Sie enthalten insgesamt 24 in hebräischer Sprache verfasste Bücher. Zwei davon enthalten einige aramäische Textpassagen. In neuerer Sekundärliteratur wird der Tanach oft als „jüdische“ oder „hebräische Bibel“ bezeichnet.


Die Basis aller späteren Entwicklungsformen des Hebräischen ist die Sprache der heiligen Schrift der Juden, der hebräischen Bibel, deren Quellschriften im Laufe des 1. Jahrtausends v. Chr. entstanden und kontinuierlich redigiert und erweitert und schließlich um die Zeitenwende kodifiziert wurden. (Alt-)Hebräisch wird daher oft mit dem Begriff „Biblisch-Hebräisch“ gleichgesetzt, selbst wenn dies weniger sprachhistorisch als literaturhistorisch begründet ist: Althebräisch als die Sprache der Bibel. In der Bibel wird die Sprache ‏שְׂפַת כְּנַעַן‎ sefat kena‘an („Sprache Kanaans, Jes 19,18“) genannt. Nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels durch Nebukadnezar II. im Jahre 586 v. Chr. und dem darauf folgenden babylonischen Exil kam die dortige Amtssprache Aramäisch unter den Juden in Umlauf, sodass das Hebräische fortan in Konkurrenz zum Aramäischen stand und viele Einflüsse von diesem aufnahm.
Nach der Zerstörung des Zweiten Tempels zu Jerusalem im Jahre 70 n. Chr. verlagerte sich das Zentrum jüdischen Lebens von Judäa nach Galiläa und ins Exil. Etwa ab dem Jahre 200 hörte Hebräisch auf, als Alltagssprache zu fungieren. Es blieb indessen eine Sakralsprache, wurde jedoch nie ausschließlich zu liturgischen Zwecken benutzt, sondern auch zur Abfassung von philosophischen, medizinischen, juristischen und poetischen Texten, so dass sich das Vokabular des Mittelhebräischen im Laufe der Jahrhunderte erweitern konnte. Es ist ebenfalls bezeugt, dass sich die verstreuten jüdischen Gemeinden zur Verständigung untereinander des Hebräischen bedienten.

Die andere Quelle ist eine Doku vom ZDF siehst du ja oben den entsprechenden Link.

Wie ich schon sagte muss sich dazu jeder seine eigene Meinung bilden da es alles auf Indizien beruht. Aber auch deine Quellen werden hauptsächlich auf Indizien beruhen! Soviel zum Thema: Verbuche ich unter Quatsch!

Beste Grüsse

Alex

Mit Quatsch meinte ich den „Rest“ Deines ersten Postings, also das hier

in dem Du behauptest hast, Jesus sei im Alter von 13 bis 30 Jahren in Tibet Mönch gewesen.

Ein paar Anmerkungen möchte ich noch zu Deinem jetzigen Posting machen:

Juden haben zwischen 250 v.Chr. und 100 n.Chr. die Thora und weitere religiöse Texte ins Griechische übersetzt. Die meisten Bücher waren bis ca. 100 v. Chr. übersetzt. Das Werk ist als Septuaginta bekannt. Moderne Bibelwissenschaftler belegen, daß Judenchristen wie z.B. Paulus den Tanach häufig in dieser Version benutzten.

Was den Koran betrifft: Wenn es ein „Sündenfall“ wäre, den Koran zu übersetzen, warum gibt es dann eine Reihe gläubiger Muslime, die ihn z.B. in die deutsche Sprache übersetzt haben, z.B. Hofmann, Rassoul, Zaidan und Karimi? Warum haben die Azhar-Universität in Kairo und das saudische Religionsministerium auf Anordnung des damaligen saudischen Königs Fahd deutsche Übersetzungen des Korans in Auftrag gegeben?

Zu den vermutlichen Lese- und Schreibkenntnissen Jesu möchte ich aus dem Buch „Urchristliche Mission“ (2002) von Eckhard J. Schnabel zitieren:

Wie viele Menschen in Judäa und Galiläa lesen und schreiben konnten, ist umstritten. In einer neueren Studie kommt Catherine Hezser [2001] nach einem ausführlichen Überblick über das gesamte relevante Material zu dem Schluss, dass Lese- und Schreibkenntnisse im römischen Palästina nicht sehr weit verbreitet waren. Im 1. und 2. Jh. haben, so Hezser, die Menschen in erster Linie aus pragmatischen Gründen geschrieben: zur Abgrenzung und Identifizierung des Grabes der Familie, zum Schutz von Eigentumsrechten, zur Eintreibung von Schulden, zur Buchführung, zur Identifizierung von Ernteerzeugnissen und zur Deklaration von Eigentum an Gefäßen. Wenn Meir Bar-Ilan recht hat, konnten in Städten wie Tiberias 2 bis 15% der Bevölkerung (Frauen eingeschlossen) lesen und schreiben, in anderen Städten nur 1%, und in manchen Dörfern gab es niemanden, der lesen und schreiben konnte. Nicht alle, die lesen konnten, konnten auch schreiben, in den Schulen wurde vor allem (oder ausschließlich?) das Lesen gelehrt.“ (Schnabel, 2002, Urchristliche Mission, S. 203/4).

Diese Passage deckt sich mit dem in diesem Thread von jemand anderem verlinkten Uni-Manuskript und stützt meine Meinung. Ich bin so fair zu erwähnen, daß Schnabel im Anschluß an diese Passage auch kurz die Auffassung des damaligen evangelischen Theologieprofessors Rainer Riesner von Ende der 1980er Jahre referiert, der zufolge ein frommer Jude zur Zeit Jesu eine solide, auf die Kenntnis der Thora konzentrierte Bildung besessen und Lesen und Schreiben beherrscht habe.

Ich darf zum Abschluß aus der Heiligen Schrift, genauer aus dem Johannes-Evangelium, zitieren, in dem folgender Satz steht (jetzt aus der dem Grundtext im Allgemeinen näheren Elberfelder Bibel):

„Als es aber schon um die Mitte des Festes war, ging Jesus hinauf in den Tempel und lehrte. Da wunderten sich die Juden und sagten: Wie kennt dieser die Schriften2, da er doch nicht gelernt hat?“ (Joh 7,14-15.; ELB).

Anmerkung 2 lautet: o. Wie kann dieser überhaupt lesen.

Die Neue Jerusalemer Bibel kommentiert dazu: „Seine [Jesu] Herkunft verhüllt seinen göttlichen Ursprung: Woher kommt sein Wissen, da er keinen Unterricht bei den Rabbinen erhalten hat?

Ich halte es vor diesem Hintergrund weiterhin für eher unwahrscheinlich, daß Jesus als Pflegesohn eines vielleicht früh verstorbenen Zimmermanns in Nazareth in Galiläa lesen oder sogar schreiben gelernt hat.

Beste Grüße

Oliver

Herzlichen Dank für die Einladung zu dieser Frage. Zu dem v.a. von aiwendil schon ausführlich Geschriebenen kann ich allerdings kaum etwas wirklich Neues hinzufügen. Die „Jesus liest“-Stelle wurde schon genannt, und sie ist meines Wissens die einzige konkrete Angabe dazu - für wie zuverlässig man sie hält, muß jeder für sich selbst beantworten. Alles andere sind Spekulationen und Schlußfolgerungen, die man für schlüssig halten kann aber nicht muß.

Gruß, Martinus

Hallo,

ok ok mag sein das ich mich bei der Aussage das es ein Sündenfall darstellt im Bezug auf das Judentum irre. Für den Islam gilt das allerdings! Wobei man hier natürlich auch verschieden Glaubensrichtungen hat und einige das eine oder das andere anders darstellen.

Siehe evangelisch und katholisch. Zwei Religionen die gleich und doch sehr unterschiedlich sind.

Und viel anders wird es bei den Juden sicher auch nicht gewesen sein!

Jesus in Tibet. Wo war er denn ab seinem ca. 13 Lebensjahr? In der Bibel taucht er doch wohl erst wieder auf als er um die 26 Jahre alt ist? und wenn du dir die Doku anschaust wurde dort in einem tibetischen Kloster eine Schrift gefunden in der von einem Jesus geschrieben wurde. die Schrift passt wohl auch exakt in den Zeitraum. Weiter wird auch hier von wundersamer Heilung von Kranken gesprochen etc… Also zumindest mal eine Prüfung wert bevor man es als Quatsch abstempelt.

Überlegung:
Ich selbst war nicht dabei! Aber es hört sich alles sehr plausibel an. Wir sollten ja vielleicht auch mal davon ausgehen das Jesus einfach nur ein merkenswerter Mensch gewesen ist und seine Lehren kann man ohne weiteres einen buddistischen Touch abgewinnen! Nur hätte er sich damals Gott abgewandt, hätte er wahrscheinlich kaum Anhänger gefunden. Er selbst war ja wahrscheinlich auch selbst ein gläubiger Jude und hat seine Akzente aus dem Buddhismus einfach nur einfliessen lassen. Es war ja vielleicht auch garnicht die Absicht von Jesus das aus seinem Dasein eine neue Religion entstehen sollte. Hat er evtl. nur versucht die Welt ein wenig besser zu machen?!?

Nunja ich werde mal nicht weiter auf deine ganzen Texte eingehen. Irgendwie kommt es mir aber vor als das du die Jahreszahlen nicht ausgiebig genug beäugst bei deinen Aussagen.
Hier geht es ja um den Zeitraum in dem Jesus lesen und evtl auch schreiben gelernt haben soll. Ob da die Römer schon das Judentum so stark beeinflusst haben das die Ihre heilige Schrift übersetzten? Das bezweifele ich stark! Soetwas wird sicher, wenn überhaupt, nur über mehrere Gernaerationen hinweg passieren! Da sind die Rabbis so wie du eingestellt. Das was wir wissen wird so beibehalten und da gibt es nichts dran zu rütteln! :wink: Spass!

Hallo Oliver,
möglicherweise ergibt sich nach genauer (und nicht nur schneller) Durchsicht des Textes ein etwas differenzierteres Bild. Wenn im Text von „Ausbildung und Erwerb in biblischen Zeiten“ gesprochen wird, ist dies angesichts des Zeitraumes, den diese „biblischen Zeiten“ umfassen, doch reichlich grob.

Einen ersten Überblick auf die speziell hier interessierende nachexilische und insbesondere durch den Hellenismus beeinflusste Spätperiode der „biblischen Zeiten“ gibt der auf S. 8 beginnende Abschnitt „Die Erzieher Israels – Zur sozialen Zwischenschicht der Intellektuellen“. Insbesondere die hier diskutierte Beziehung zwischen Leviten und Schriftgelehrten ist bedeutsam:

> Wie zwischen Leviten und Schriftgelehrten (bzw. zwischen diesen einerseits, Priestern und Leviten andererseits) die Grenzen zu ziehen sind, ist in mancher Hinsicht eine offene Frage. Bis in spätnachexilische Zeit hinein stellten Leviten die Vermittlungen her „zwischen der zentralen Einrichtung des Tempelkults und dem Volk, zwischen Schrifttradition und ihrer Aneignung für den praktischen Gebrauch“; waren sie eine Gruppe, „die in allen maßgeblichen Sektoren der Gesellschaft vertreten war und trotz aller divergierenden Interessen […] einen bildungsgeschichtlich integrierenden Faktor darstellte.“ (S. 9, Hervorhebung von mir).

Ohne dies nun im Einzelnen weiter auszuführen - es ist eine Kurzbegründung für die Tatsache, dass Literalität im Judentum der hellenistisch / römischen Zeit kein Privileg einer gesellschaftlichen Elite (mehr) war. Wobei „praktischer Gebrauch“ von Literalität für einen selbstständigen Handwerker (wenn nicht gar Bauunternehmer) sicherlich einen deutlichen Vorteil darstellt - jedenfalls einen größeren als für einen Bauern oder Viehhirten.

Drei weitere mE beachtenswerte Zitate, die sich mehr gegen Ende des Textes (ab s. 31) finden:

Daß Israel ab dem 3. Jahrhundert v. in Wechselwirkung mit der griechisch-hellenistischen Kultur stand, ist eingehend diskutiert und belegt. Wohl in allen Orten, die jüdische Bevölkerung tolerierten, entstanden Synagogen als Stätten des Torastudiums so wie der Gesetzesauslegung und innergemeindlichen Rechtsprechung durch die Rabbinen. Damit waren die Synagogen zugleich Stätten einer kulturell vielfältigen, regional differenzierten Entwicklung des Judentums in Palästina und in den Ländern der weit verzweigten jüdischen Diaspora.
[…]
Lehrhäuser entstanden vermutlich teils bei den Synagogen oder waren in bestimmten Funktionen damit identisch, teils wurden sie zum Zweck der Abgrenzung von jenen Gemeinden, die sich aus rabbinischer Sicht dem Hellenismus allzusehr assimiliert hatten, wohl unabhängig von Synagogen gegründet. Welches Bild kann man sich nun von diesen, in der populären Literatur oft und gern erwähnten, Lehrhäusern machen, die es in Palästina und in der Diaspora, vor allem in Babylonien gab und zwischen denen reger Austausch bestand? Nur wenig läßt sich als gesichert annehmen. Dazu gehört, daß Pentateuch und Mischna die wichtigsten Inhalte des Studiums der Jünglinge bildeten, welche öffentliche Ämter in jüdischen Gemeinden anstrebten, denn sie enthielten das Material zu allen wichtigen religions-, zivil- und strafrechtlichen Fragen.
[…]
Die Rabbinen trafen sicherlich Vorsorge für die Übermittlung ihrer Lehren an die nachfolgenden Generationen. Hezser geht davon aus, daß sie dies aber über lange Zeit hinweg eher informell taten: Studenten schlossen sich ihnen aus eigener Wahl an; einige wurden zu engen Mitarbeitern, die ihrerseits zu eigenständiger rabbinischer Gelehrsamkeit gelangten, während andere über oberflächliche Kenntnisse der Tora nicht hinausgelangten. Fortgeschrittene Studenten, die in der Lage waren, selbst zu lehren und in jüdischen Gemeinden als Ratgeber zu fungieren, wurden dann auch als Rabbi bezeichnet.

In dieser hier angedeuteten rabbinischen Tradition ist sicher auch der Rabbi Jeschua zu sehen (bzw. sollte nach Intention der Evangelisten so gesehen werden) - gleich, ob es sich bei ihm um eine historische Gestalt oder literarische Fiktion handelt. Darauf deutet am offensichtlichsten die Titulierung „Rabbi“ hin, aber auch die häufigen Verweise bzw. Zitate aus der Torah, die ihm zumindest in den Mund gelegt wurden und über rein „oberflächliche Kenntnisse“ deutlich hinausgehen. Und natürlich auch die gerne als originell ‚christlich‘ ausgegebene Lehre der Nächstenliebe, die nicht nur in der Torah ihre Grundlage hat, sondern insbesondere schon in Rabbi Hillels Lehren einen zentralen Stellenwert einnahm und damit zeitnahen Vorläufer hatte .

Freundliche Grüße,
Ralf

Diese Frage scheidet Gläubige und Ungläubige.
Für den Gläubigen ist Jesus der Gottessohn und damit hat ER alle menschlichen Fertigkeiten beherrscht.
Der Bericht von Johannes über die Auferweckung des Lazarus lässt keinen Zweifel an der Gottessohnschaft Jesu.

Die von Dir zitierten Passagen lassen meiner Ansicht nach keinen anderen Schluß zu:

Zum einen hatte ich aus einer von Dir jetzt zitierten Passage bereits selbst zitiert, nämlich derjenigen, in der steht, daß sich über die Lehrhäuser nur wenig als gesichert annehmen läßt außer daß sich dort die Jünglinge bildeten, welche öffentliche Ämter in jüdischen Gemeinden anstrebten - was für Jesus nicht belegt oder angenommen werden kann. Ebenfalls nicht Deine Ansicht, Jesus sei (möglicherweise) „Bauunternehmer“ gewesen. Da er aus einem Dorf wie Nazareth und nicht aus einer Stadt wie Jerusalem kam, ist dies eher unwahrscheinlich. Gnilka stellt sogar in seinem Jesus-Buch die Frage, ob die Einnahmen aus dem Beruf Jesu überhaupt zum Leben gereicht haben.

Zum anderen zitiert der Abschnitt die von mir in diesem Thread anderswo ebenfalls genannte Catherine Hezser, deren Arbeit belegt, daß der größte Teil der Bevölkerung auf dem Land - zu dem Nazareth in Galilä gehört - über so gut wie keine Lese- und Schreibkenntnisse verfügt haben wird.

Diese Aussagen beziehen sich auf das römische Palästina im 1. und 2. Jahrhundert, also einen Zeitraum, in dem Jesus und seine Jünger gelebt haben. Dein Gegenargument der viel zu ungenauen Datierung

kann deshalb nicht überzeugen.

Schließlich kann man sich nicht auf die in dem von Dir verlinkten Text genannte rabbinische Ausbildung bei Jesus berufen, weil erstens - wie ich ebenfalls anderswo in diesem Thread bereits anmerkte - u.a. das Johannes-Evangelium eine solche Bildung Jesu gerade verneint:

Ich hatte in meinem ersten Posting in diesem Thread auch auf die Passage in der Apostelgeschichte hingewiesen, in der es heißt:

Wenn man in den griechischen Grundtext schaut, so findet man

θεωρουντες δε την του πετρου παρρησιαν και ιωαννου και καταλαβομενοι οτι ανθρωποι αγραμματοι εισιν και ιδιωται εθαυμαζον επεγινωσκον τε αυτους οτι συν τω ιησου ησαν (Apg 4, 13; GNT).

Die Bezeichnung anthropoi agrammatoi bezieht sich nach überwiegender Meinung auf Menschen, die über keine formale Ausbildung in den Schriften verfügten. In der Strong’s (G62) finden wir die Übersetzung

„G62
ἀγράμματος (agrammatos) [ag-ram-mat-os]
From G1 (as negative particle) and G1121; {unlettered} that {is} illiterate: - unlearned.“

Zweitens, weil Rabbi zur Zeit Jesu noch eine informelle Respektsanrede war und nicht den Rabbi aus den späteren rabbinischen Akademien meinte. Auch das steht in dem von Dir verlinkten Text.

Ich nehme an, daß Jesus wohl durch Hören in der Synagoge von Kapernaum (in Nazareth gab es wohl keine) oder durch Hören der Worte von Schriftgelehrten außerhalb der Synagoge mit den heiligen jüdischen Schriften in Berührung gekommen ist. Irgendwann wird er von der Bewegung des Täufers erfahren und aus Interesse zu ihm gewandert sein. Dort wird er durch Hören des Täufers und Gespräche mit dessen Jüngern noch mehr erfahren und sich schließlich seine eigene Meinung gebildet haben, die auch von der Ansicht der Täuferbewegung abgewichen ist. Folgerichtig kam eine Zeit der Isolation in der Wüste, aus der Jesus dann mit seiner eigenen Botschaft nach Galiläa zurückgekehrt ist und begonnen hat, sie in der Synagoge von Kapernaum zu verkünden. Darauf reagieren die Einwohner, die ihn kennen, erst mit Verwunderung (Woher kennt er die Schrift so gut? Er hat doch nicht studiert.) und dann mit Ablehnung. Jesus beginnt eigene Schüler, die Jünger, um sich zu sammeln. Diese Chronologie folgt dem Markus-Evangelium. Das halte ich für glaubwürdig. Aber bei Jesus Lese- und Schreibfertigkeiten anzunehmen, für eher unwahrscheinlich.

Beste Grüße

Oliver

Nachtrag zu „Frage von Seiten theologischer Experten beantwortet“

Zitiert aus der us-amerikanischen „Urantia-Offenbarung“, hier eine deutschsprachige Übersetzung

[…]

Schon beherrschte Jesus dank der Hilfe seiner Mutter den galiläischen Dialekt der aramäischen Sprache; und nun begann sein Vater, ihn in Griechisch zu unterrichten. Maria konnte nur wenig Griechisch, aber Joseph sprach sowohl Aramäisch als auch Griechisch fließend. Als Lehrbuch zum Studium der griechischen Sprache diente das Exemplar der hebräischen Schriften — eine vollständige Übersetzung des Gesetzes und der Propheten unter Einschluss der Psalmen — die sie beim Verlassen Ägyptens als Geschenk erhalten hatten. Es gab in ganz Nazareth nur zwei vollständige Exemplare der Schriften, und der Umstand, dass die eine davon sich im Besitz der Zimmermannsfamilie befand, machte aus Josephs Heim einen viel besuchten Ort und verschaffte dem heranwachsenden Jesus die Begegnung mit einer nahezu endlosen Reihe von sich ernsthaft bemühenden Studierenden und aufrichtigen Wahrheitssuchenden. Noch vor diesem Jahresende wurde das unschätzbare Manuskript der Obhut Jesu anvertraut. An seinem sechsten Geburtstag hatte er erfahren, dass das heilige Buch ihm von Freunden und Verwandten in Alexandria geschenkt worden war. Nach sehr kurzer Zeit konnte er es mühelos lesen.

[…]

Jesus hatte jetzt mit sieben Jahren das Alter erreicht, in dem die jüdischen Kinder offiziell ihre Erziehung in den Synagogenschulen zu beginnen hatten. Folglich trat er im August dieses Jahres seine bewegte Schulzeit in Nazareth an. Schon las, schrieb und sprach dieser Knabe fließend zwei Sprachen, das Aramäische und das Griechische. Er hatte sich nun an die Aufgabe zu machen, die hebräische Sprache lesen, schreiben und sprechen zu lernen. Er war wirklich begierig auf das neue Schulleben, das da vor ihm lag.

Drei Jahre lang, bis er zehn war, besuchte Jesus die Grundschule der Synagoge von Nazareth. Während dieser drei Jahre studierte er die Anfangsgründe des Gesetzbuches, wie es in hebräischer Sprache überliefert war. In den folgenden drei Jahren studierte er in der Schule für Fortgeschrittene die tieferen Lehren des heiligen Gesetzes und lernte sie durch die Methode der lauten Wiederholung auswendig. Er machte seinen Abschluss an dieser Synagogenschule während seines dreizehnten Lebensjahres und wurde seinen Eltern von den Leitern der Synagoge als ein ausgebildeter „Sohn des Gebotes“ übergeben, der von nun an ein verantwortlicher Bürger der Gemeinschaft Israels war, was notwendigerweise seine Anwesenheit am Passahfest in Jerusalem erforderte. So wohnte er in jenem Jahr, von seinen Eltern begleitet, zum ersten Mal dem Passahfest bei.

[…]

Während seiner Synagogenjahre war er ein glänzender Schüler, der den großen Vorteil besaß, drei Sprachen zu beherrschen. Anlässlich des Abschlusses der Studien Jesu an seiner Schule bemerkte der Chazan von Nazareth zu Joseph, er fürchte, „von den tiefschürfenden Fragen Jesu mehr gelernt zu haben“, als er „imstande gewesen war, dem Jungen beizubringen“.

Jesus lernte viel während seiner Studienzeit, und die regelmäßigen Sabbatpredigten in der Synagoge waren für ihn eine große Quelle der Inspiration. Man pflegte bedeutende Besucher, die sich den Sabbat über in Nazareth aufhielten, zu bitten, das Wort in der Synagoge zu ergreifen. Während Jesus heranwuchs, hörte er viele große Denker aus der ganzen jüdischen Welt ihre Ansichten darlegen, unter ihnen viele kaum orthodoxe Juden, da die Synagoge von Nazareth ein fortschrittliches und aufgeschlossenes Zentrum hebräischer Denkweise und Kultur war.

Wenn sie mit sieben Jahren in die Schule eintraten (gerade in dieser Zeit hatten die Juden ein obligatorisches Erziehungsgesetz eingeführt), war es üblich, dass die Schüler ihren „Geburtstagstext“ auswählten, eine Art goldener Regel, die sie während ihrer Studien leiten sollte und über die sie sich anlässlich ihres Schulabschlusses mit dreizehn Jahren oft ausführlich ausließen. Der von Jesus gewählte Text stammte vom Propheten Jesaja: „Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, dass ich den Demütigen gute Botschaft bringe und all jene heile, die gebrochenen Herzens sind, den Unterdrückten Freiheit verkünde und die geistig Gefangenen befreie.“

[…]

Um diese Zeit begegnete Jesus einem Mathematiklehrer aus Damaskus, und nachdem er sich einige neue Zahlentechniken angeeignet hatte, verbrachte er während mehrerer Jahre viel Zeit mit Mathematik. Er entwickelte einen scharfen Sinn für Zahlen, Strecken und Proportionen.

[…]