Hi!
So langsam überlege ich mir dann doch, ob diese ganze
Kopftuchgeschichte nicht einfach eine Möglichkeit für einige
Leute beinhaltet, ihrem Rassenhass Ausdruck zu geben, bzw.
sich wie auch bei den Themen zu dick, Punker, Obdachlosen
Großfamilien, Sparsamen/Geizigen ect. einfach mal über
irgendetwas - egal was *auszukotzen*.
Ein Kopftuch ist nur ein Kleidungsstück.
Damit kann man niemanden verletzen.
Das Kopftuch, um das es hier geht (und nicht um jenes der Cabrio-Fahrerinnen der Sechziger), hat eine ganze Reihe von inhaltlichen Bedeutungen, und der allergrößte Teil davon stellt etwas dar, das einer modernen, aufgeklärten westlichen Gesellschaft diametral entgegen steht.
Das Tragen eines Kopftuches ist zu allererst eine Reduzierung der Frau auf ein Sexualobjekt. Wenn zwölfjährige Mädchen von jetzt auf gleich ein Kopftuch tragen müssen, weil sie nach Meinung des Vaters plötzlich als Frau angesehen werden, dann heißt die Begründung stets, die Ehre der Frau sei vor den Blicken andere Männer zu schützen. Das Tragen des Kopftuches geht zumeist einher mit einer Reduzierung von Kontakten zu Jungen oder Männern, zum (freiwilligen?) Verzicht auf Sportunterricht in der Schule und zur Nichtteilnahme an Schulausflügen. Im Erwachsenenalter bedeutet das Kopftuch für eine Frau einn Rückzug auf die Familie und damit einhergehend den Verlust von Kontakten zu deutschen Mitbürgern (es gibt z.B. türkische Frauen, die als Kleinkinder nach Deutschland kamen, in der Schule deutsch lernten, und als Folge der kopftuchbedingten Insolation nach der Eheschließung ihr Deutsch - in Deutschland - wieder verlernten).
Das Kopftuch ist auch ein Symbol der Ungleichwertigkeit der Frau. Während Väter und Brüder sich frei bewegen können, sich kleiden können, wie es ihnen beliebt (gegeltes Haar, Ohrringe, Skaterklamotten), ist dies den Frauen und Mädchen, die dem Kopftuchdiktat unterliegen, streng untersagt. Es geht sogar so weit, dass für Mädchen die Zwangsehe besteht, weil die (männlichen!) Elternteile sich entsprechend abgestimmt haben (jüngst hat sich in D eine Organisation etabliert, die muslimischen Frauen in Zwangsehen Hilfestellung gibt - und natürlich von konservativen Kreisen dafür bedroht wird).
Frauen und Mädchen, die islamischen Glaubens sind und sich nicht an die Kleidungsvorschriften halten, laufen Gefahr, auf offener Straße beschimpft, geschlagen oder gar getötet zu werden (in Paris wurden Mädchen mit Benzin übergossen und verbrannt, weil sie sich weigerten, sich nach islamischer Sitte zu verhüllen). Erzähl also nicht, das Kopftuch würde niemanden verletzen.
Die Bigotterie der Kopftuchfraktion zeigt sich, wenn man sich das Frauenbild im türkischen Privatfernsehen anschaut. Aufreizend gekleidete Moderatorinnen und Showeinlagen von spärlich angezogenen Sängerinnen sind dort keine Seltenheit. Die Männer schwärmen von diesen Frauen, fordern von den weiblichen Mitgliedern ihrer Familie aber genau das gegenteilige Verhalten: Verhüllung, Unterwerfung, Anerkennung der männlichen Autorität.
Dazu kommt die Symbolik des Kopftuches als Ausdruck, dass eine kopftuchfreie Gesellschaftsform minderwertig und sittlich verdorben angesehen wird. Frau Ludin, die das Kopftuchurteil vor dem BVerfG erstritten hat, verweigert nicht ohne Grund einem nichtmuslimischen Mann den Handschlag.
Wenn dann noch Aussagen hinzukommen, das Kopftuch ist ein Symbol für ein Bevorzugung eines eigenen Rechtssystems - die Sharia -, dann gebe ich ganz ehrlich zu, dass ich ein Problem hätte, vor einem deutschen Gericht zu stehen, wo die Richterin ein Kopftuch trägt.
Die Frage ist, ob wir - beginnend mit dem Thema „Kopftuch“ - nicht Toleranz mit Gleichgültigkeit verwechseln, und die Erkenntnis, irgendwo Grenzen ziehen zu müssen, den Pawlowschen Reflex der Ausländerfeindlichkeit auslöst.
Grüße
Heinrich