Hallo Mirjam,
Hi Anwar,
Was allerdings das totale Verbot von religiösen Symbolen
(zumindest an Schulen etc.) betrifft, kann ich die Aufregung
nicht verstehen. Ein Lehrer/eine Lehrerin darf…
…Boss/Gucci-Klammotten tragen und sich damit als Snob outen,
…darf wohl auch Eminem T-Shirts tragen und sich damit als
Anhänger(in) eines Lärmfabrikanten, den man fälschlicherweise
als Musiker bezeichnet und der darüber hinaus noch Texte
fragwürdigen Inhalts publiziert, darstellen,
…darf seine/ihre sexuelle Orientierung durch
unmißverständliche Symbole darstellen,
…darf wohl auch ein Peace Symbol/PACE Aufdruck auf
seiner/ihrer Kleidung tragen und damit verdeutlichen, dass
er/sie der Friedensbewegung angehört,
Kurzum: So ziemlich jeder Aspekt des Lebens wird auf diese
Weise abgedeckt, warum sollte ausgerechnet bei der Religion
eine Ausnahme gemacht werden?
Ich würde sagen: weil die Religion eben doch etwas anderes ist, als Markenklamotten.
Religion heißt auch, sich an gewissen Moralvorstellungen und sogar Regeln festzuhalten. Doch dies nur nebenbei, denn es geht hier nicht um die persönliche Freiheit.
Es geht mir nämlich nicht darum, dass Frauen im allgemeinen kein Kopftuch / Kreuze tragen sollten. Sondern darum, dass sie dies in einer öffentlichen Anstalt tun. Die Religion ist nicht staatlich, und es sollte keinem erlaubt sein, in einer staatlichen Position seinen Glauben öffentlich zu tragen. Wenn eines der Kinder privat die Lehrerin fragt, was für eine Religion sie hat, darf sie das dem Kind von mir aus erzählen. Aber eben als Privatperson.
Das Kopftuch ist nunmal nicht nur religiöses Symbol. In vielen
Teilen der Welt / der Bevölkerungen wird es als Symbol der
Unterdrückung der Frau gesehen.
Seltsamerweise nur in den Ländern, in denen die einheimische
Bevölkerung gerade kein Kopftuch trägt.
Das ist schlichtweg falsch. In Afghanistan gibt es z.B. Frauen (natürlich nicht alle, aber doch viele), die den Tschador nicht freiwillig tragen, es aber tun müssen, weil sie sonst gesellschaftlich nicht mehr akzeptiert werden.
Hier wird außerdem
immer gerne als Gegenbeispiel die Türkei aufgefahren: Dazu
muss man mal sagen, dass die Verhältnisse in der Türkei für
Frauen weit schlimmer sind, als in so manchem anderen
islamisch geprägtem Land.
Die Türkei hat ein großes Gefälle innerhalb des Landes, es fehlen leider in vielen Bereichen noch Regelungen (oder die Regelungen werden nicht durchgesetzt), z.B. arbeitsrechtlich.
Dennoch bemüht sich die Türkei, den Laizismus durchzusetzen.
Weiterhin kann man wohl kaum wegen ein paar Verrückten, die
ein Symbol mißbrauchen, dieses Symbol gleich verteufeln.
Fakt ist, dass es heute noch einige Länder gibt, in denen über 50% der Bevölkerung unterdrückt wird, diese Leute haben keine politischen Rechte. Dies geschieht oft in Verbindung mit dem Islam (wobei ich nicht sage, dass der Islam an und für sich bereits frauenfeindlich sein muss!) - und ausgedrückt wird es unter anderem auch dadurch, dass die Frauen sich von Kopf bis Fuß verhüllen müssen. Das Kopftuch wird oft als Anklang daran und deshalb nicht gerne gesehen.
Wenn Du ein junges Mädchen mit Kopftuch siehst, weißt Du nie: trägt sie es freiwillig.
Zum Zweck der Verbannung religiöser Symbole aus dem Unterricht: ich
kenne einen Fall, wo ein türkischer Vater sein in der Türkei lebendes
Teenager-Mädchen nach Deutschland geholt hat, um es zu zwingen, ein
Kopftuch zu tragen
Das ist eine schiefe Argumentation:
Finde ich nicht. (s.u.)
In Deinem Beispiel lässt
Du den Vater ein Grundrecht benutzen, welches ihm gar nicht
zusteht, dafür lässt Du das Mädchen seine ebenfalls vom
Grundgesetz geschützten Rechte nicht wahrnehmen.
Das ist so, als wenn man das Auto fahren verbieten wollte,
weil dadurch ja auch jemand Straftaten begehen kann, die er
vorher nicht begehen konnte (z.B. Autodiebstahl).
Nein, es ist eher etwa so, wenn man in Amerika das Recht auf die eigene Waffe zum Schutze der Bevölkerung verbieten würde.
Hier gibt es ja das Recht auf eine eigene Waffe nicht (im Gegenteil!) - gerade um eben die Rechte der Rest der Bevölkerung zu schützen.
Denn hier kommen sich das Grundgesetz sozusagen selbst in die Quere: jeder hat das Recht, ein Kopftuch zu tragen - aber es gibt eben auch Missbrauch desselben. Ist es nun wichtiger, die Leute zu schützen, die ein Kopftuch tragen wollen, oder wichtiger, die Leute zu schützen, die gerade keines tragen wollen, es aber (z.B. auf Druck der Familie) müssen?
Eine schwierige Frage.
In der
Türkei ist das Tragen von Kopftüchern in allen öffentlichen
Anstalten untersagt - auch den Schülern. Und dies in einem
islamischen Land.
Wenn ich gemeine wäre (was ich ja eigentlich bin), würde ich
sagen, dass wohl die Türken die einzigen sind, die das, was
sie da aufführen, als Islam bezeichnen.
Es geht eben um die Religion des einzelnen Menschen, und nicht um die Religion des Staates (der Staat sollte eben religionslos sein). Ich habe mich wohl ausgedrückt, es hätte heißen sollen: Und dies in einem Land, in dem der Großteil der Bevölkerung den islamischen Glauben hat.
Ich persönlich bin kein Atheist, aber dennoch der Meinung,
dass Gott in der Verfassung nichts zu suchen hat. Weder der
islamische noch der christliche.
Echt jetzt? Du bist für die Abschaffung der Religionsfreiheit,
die ja auch im Grundgesetz geregelt ist?
Neeeneee mein lieber! Das hast Du falsch verstanden. Ich habe nichts von Religionsfreiheit gesagt. Jeder sollte an das glauben, woran er glauben will.
Jedoch beginnt z.B. die Schweizer Bundesverfassung mit den Worten: «Im Namen Gottes, des Allmächtigen». Oder in der deutschen Verfassung in der Präambel: „Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen“ Das sollte m.E. gestrichen werden.
Worauf soll das alles denn hinauslaufen? Dass Lehrer (und am
Ende auch Schüler) aus paranoider Furcht sich evt. als
religiös zu „outen“ und amit ihren Job zu verlieren, zu
überhaupt keiner ethisch/moralischen Frage mehr Stellung
beziehen?
Wie gesagt. Du hast es falsch verstanden.
Persönlich finde ich einen verschwiegenen Fanatiker, der mir
trotzdem eine reinwürgt (z.B. über schelchte Noten), wenn ich
was falsches sage/tue, als Lehrer wesentlich störender, als
jemand, der zu seiner eigenen und fremden Religionen eine
offene Einstellung hat.
Das kann Dir immer passieren. Es wird immer Menschen geben, die Dir eine reinwürgen (ob mit oder ohne religiöse Vorstellung).
Da würde sich auch mit dem Kopftuchverbot kaum etwas (weder zum Positiven noch zum Negativen)ändern.
Es geht ja nicht darum, den Leuten ihre Religion zu verbieten, sondern im Staat die religiösen Symbole abzuschaffen.
Grüße,
Mirjam