Hallo,
mal grob zusammengefaßt ist Deine Argumentation contra Wasserstoff der geringe Wirkungsgrad bzw. der hohe Energiebedarf und die geringe Verfügbarkeit von Tankstellen. Ich bin vollkommen Deiner Ansicht, daß sich die sofortige, massenweise Verbreitung von Wasserstofffahrzeugen vor dem Hintergrund verbietet.
Wir haben es jedoch mit Veränderungen zu tun. Daß der Anteil der Verbrennungsmotoren in 25 Jahren immer noch bei gut 90% liegt, darf man wohl ausschließen. Gehen wir 10 Jahre zurück, lag der Anteil der Elektrofahrzeuge sicherlich noch nicht bei knapp 5%, sondern weit darunter. Vor 15 Jahren gab es keine Ladestationen vor Supermärkten, es gab keine Supercharger und es gab auch keine umfangreichen Förderungen inkl. Einbau, Sondertarife usw. für Privathaushalte. Hier haben wir also auch eine Entwicklung gesehen. Wir haben übrigens in den letzten Jahren und Jahrzehnten erlebt, wie sich Infrastruktur allmählich aufbaute, nämlich bei Gas und bei AdBlu.
Und ja: ich weiß, daß der Aufwand für die Errichtung einer Infrastruktur für Gas und AdBlu bei weitem nicht so aufwendig ist bzw. war wie die Errichtung einer für Wasserstoff. Nur heißt das nicht, daß das unmöglich ist.
Das zweite Argument, also der hohe Energiebedarf, ist natürlich auch grundsätzlich richtig, basiert aber darauf, wie wir heute Strom erzeugen - also mit hohem Anteil an Öl, Gas und Kohle. Aber ist ja kein Zustand, der zwingend anhalten wird. Petrochemische Produkte werden wir zukünftig immer mehr der chemischen Industrie vorbehalten müssen und der Anteil der erneuerbaren Energien wird weiter zunehmen.
Das Projekt Desertec wird Dir sicherlich etwas sagen. Die Idee, für alle mitlesenden, war ja, viel Solarenergie dort zu „erzeugen“, wo sie massenweise abgreifbar ist, nämlich in der nordafrikanischen Wüste. Den gewonnenen Strom könnte man wunderbar vor Ort dazu verwenden, Wasserstoff aus Meerwasser zu gewinnen und diesen dann via Pipeline oder Schiff zu den Verbrauchern zu fahren. Ja, es gibt technische und politische Schwierigkeiten, aber das ist ja dennoch kein Szenario, das völlig abwegig ist - erst recht, wenn man in Zeiträumen von Jahrzehnten denkt.
Es ist ja nun auch nicht so, daß es bei Elektrofahrzeugen keine offenen Fragen gäbe. Daß sich nun nach und nach die Hausbesitzer Ladestationen und E-Autos anschaffen, ist ja gut und schön. Nur ist hier irgendwann das Ende der Fahnenstange erreicht. Viel entscheidender als die Frage, wie man EFH-Besitzer dazu bekommt, sich ein E-Auto anzuschaffen, ist die Frage, wie man die zigmillionen Einwohner erreicht, die in Innenstädten in Häusern ohne Tiefgaragen wohnen und sich jeden Abend aufs neue einen Parkplatz - gerne auch in zweiter Reihe - suchen. Natürlich kann man jeden legalen Parkplatz mit einer Ladestation ausstatten oder am besten noch alle Verkehrsflächen mit Qi-ähnlichen kabellosen Lademöglichkeiten. Daß das am Ende aber billiger und mit weniger Infrastrukturmaßnahmen verbunden ist als der langfristige Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur…? Ich zweifle.
Viele Dinge funktionieren derzeit auch nur, weil viele Haushalte über zwei Fahrzeuge verfügen - eines mit Elektroantrieb, eines mit Verbrennungsmotor. Urlaubsreisen über längere Strecken bspw. Ja, klar, kann man auch alles lassen, aber da wollen wir ja eigentlich nicht hin, wenn ich die Diskussion richtig interpretiere. Wir fahren nächste Woche auf eine ostfriesische Insel. Zu weit entfernt, um die Strecke risikolos mit einer Akkufüllung. Nun braucht man für den letzten Teil der Strecke eine Fähre. Wie viel Zeit plant man für’s Laden ein? Eine halbe Stunde? Zehn Stunden, weil man die Fahrt ja auch mal - wie viele andere tausend - auch an Pfingsten machen möchte?
Ja, auch die Elektroautos und die Akkus werden sich weiterentwickeln, aber ich glaube, daß man sich keinen Gefallen tut, einen technologischen Weg völlig auszuschließen, wie das der VV von VW vor einiger Zeit gemacht hat. Die Infrastruktur für Wasserstoff wird ziemlich sicher kommen, weil die Technik für LKW schon relativ weit ist. Wenn die Infrastruktur erst einmal da ist und wenn dann in zehn Jahren oder so auch der Anteil der erneuerbaren Energien bei 80% oder so liegt, wird das ganze auch für die Privatfahrzeuge interessant.
Ich kann mir gut vorstellen, daß am Ende dabei herauskommt, daß es sowohl Wasserstoff- als auch Elektroautos für verschiedene Bedürfnisse geben wird.
Gruß
C.