Hallo,
ich finde Ch’ans Beitrag von vor einigen Tagen nicht mehr, als er - auf sehr sachliche Art und Weise - die Frage der Vereinbarkeit des Islam mit unseren Grundwerten analysierte. Entweder es ist hier mal wieder gelöscht worden oder ich falle der neuen „Übersichtlichkeit“ von w-w-w zum Opfer.
Jedenfalls hat sich die SPD nun um einen Faktencheck bemüht: Was ist dran an der Islamkritik der AfD?
Die Absicht, sich gegen die Thesen der AfD zu positionieren, ist klar - schließlich sind viele Muslime dank gezielter Vereinfachungen im Einbürgerungsrecht ja jetzt auch wahlberechtigt. Doch gelingt das der SPD mit diesem Faktencheck? Man muss bekanntlich immer genau hinschauen bzw. zwischen den Zeilen lesen:
Nur: „Den politischen Islam“ gibt es nicht. Was es gibt, sind Parteien, die sich auf den Islam berufen. Dazu zählen beispielsweise Ableger der sunnitischen Muslimbruderschaft oder die Schiiten-Parteien im Irak. Einige dieser Parteien messen religiösen Grundsätzen einen höheren Wert zu als individuellen Freiheitsrechten. Die meisten von ihnen befürworten demokratische Prinzipien. In Deutschland gibt es keine islamistischen Parteien.
Es gibt den politischen Islam nicht? Schön zu hören. Nur kann man ja in der Bibel Stellen dafür finden, die zur Trennung zwischen Staat und Religion berechtigen. Warum wird für diese Aussage nicht wenigstens eine Koranstelle angeführt? Vielleicht ist der Islam bzw. die Scharia schlicht und einfach auf Regeln für das Gemeinschaftswesen (= Staat) ausgerichtet? Das Fazit, es gebe keine entsprechende Partei, finde ich ebenso halbherzig. Es fehlt an Organisationsstrukturen. Schließt das aus, dass es bald solche geben könnte? Abgesehen davon scheinen ja auch die aktuell Regierenden gewisse Teile abzudecken, wenn man sich mal Maas’ Maßnahmen gegen vermeintlich sexistische Werbung oder Aktionen wie das Abhängen von Bildern in Berlin anschaut.
Allerdings: Schröter sieht das Kopftuch nicht als Emanzipationshindernis. Die Kopfbedeckung der Frauen sei allenfalls „ein Bekenntnis zu einer religiös begründeten moralischen Norm“, aber kein Zeichen der Unterordnung unter einen Mann.
Schön, dass Frau Professor das nicht so „sieht“. Jedoch ist das Kopftuch ein klar nach außen erkannbares Signal. Bereits der Umstand, dass für Frauen in der Öffentlichkeit Bedeckungsvorschriftenund sonstige Verhaltensregeln gelten sollen, während für Männer alles nicht ganz so streng ist, sollte einen doch aufhorchen lassen. Frau Schwarzer und andere haben sich hierzu schon geäußert. Abgesehen davon will die AfD offenbar nur die Vollverschleierung untersagen. Kann man guten Gewissens auf solch eine Regelung verzichten und gleichzeitig von Menschenwürde und Frauenrechten sprechen? Möglicherweise will die AfD aber das Kopftuch im öffentlichen Dienst abschaffen. Ein Zeichen der staatlichen Neutralität, wie man es zum Beispiel in der Türkei schon von Atatürk kennt.
Dazu ist zu sagen: Menschen können sich in eine Gesellschaft integrieren, nicht aber eine Religion. Der „Islam in seiner heutigen Form“ ist ein theoretisches Konstrukt, das so in der Realität nicht existiert. Es gibt säkulare und strenggläubige Muslime, Sunniten, Schiiten und Anhänger anderer islamischer Religionsgemeinschaften. Fakt ist allerdings auch, dass der radikale Salafismus seit etwa 20 Jahren zu den besonders stark wachsenden Strömungen zählt.
Zu Beginn das typische Argument, dass es ja nicht den einen Islam gebe. Es wird vergessen, dass alle Muslime gewissen Grundprinzipen nachhängen. Insbesondere die Verehrung des Propheten Mohammed, der nun einmal einen gewissen Lebenslauf aufweist. Zum anderen fragt man sich, wieso die gleichen Leute, die eine einheitlich Bewertung des Islam ablehnen, speziell nach solchen Attentaten wie zuletzt in Brüssel die Friedlichkeit „des“ Islams hervorheben. Der letzte Satz soll wohl deutlich machen, dass man das Problem des Islamismus wahrnimmt. Das soll vermutlich die SPD-Anhänger beruhigen, die sich auch Sorgen machen (vielleicht weil sie in gewissen Stadtteilen leben).
Hier gilt: Der Islam ist eine Religion wie das Judentum oder das Christentum und kann wie jede Religion politisch instrumentalisiert werden. Zu diesem Ergebnis gelangte eine an der Universität Chicago forschende Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich von 1987 bis 1993 mit fundamentalistischen und politisierten Formen der Weltregionen befasst hat. Der Wahabismus, der in Saudi-Arabien Staatsreligion ist, steht in einigen Punkten im Widerspruch zu unserem Grundgesetz. Das Gleiche lässt sich allerdings auch für die Gesetze von US-Bundesstaaten sagen, in denen die Todesstrafe zulässig ist.
Interessanter Whataboutism. Ja, in vielen Staaten wird ein Islam gelebt, der fernab unserer Grundwerte der Verfassung steht. Aber in den USA gibt es ja auch die Todesstrafe. Das macht das Problem natürlich viel weniger gefährlich.
Fakt ist: Die Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) hat 57 Mitglieder, von denen 45 die sogenannte Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam unterzeichnet haben. Die OIC ist kein Staatenbündnis wie die EU. Sie ist eine zwischenstaatliche Organisation, deren Vereinbarungen für die einzelnen Mitglieder nicht verbindlich sind. Die 1990 verabschiedete Kairoer Erklärung beinhaltet einige umstrittene Textstellen mit Hinweis auf die Scharia. Der Politologe Turan Kayaoglu forderte 2012 eine Revision des Dokuments, das aus seiner Sicht Defizite in puncto Meinungsfreiheit und Frauenrechte aufweist.
Also jemand „forderte“ eine Revision. Anscheinend will sich die SPD dieser Forderung anschließen. Das halte ich auch für berechtigt, schließlich sind die Grundsätze der Kairoer Erklärung der Menschenrecht, die laut SPD „einige umstrittene Textstellen“ beinhaltet, nichts anderes als eine klare Relativierung der Menschenrechte zugunsten der Scharia. Wenn dies - zurecht - als noch zu revidieren bezeichnet wird, ist dann die Kritik an der fehlenden Aufgeklärtheit nicht berechtigt? Und: Wo ist denn diese Revision? Wo wird sie konkret umgesetzt?
Alles in allem stellt sich die Frage, ob man nicht, je tiefer gehend man sich mit dem Thema auseinandersetzt, zu der Frage gelangt, dass mit der AfD-Ansatz berechtigte Fragen mit sich bringt?