Lieber Wiz,
bevor du mich als übertrieben woke einstufst, bitte ich zu bedenken: Nur einer von uns beiden hat sich in einem Brett wie diesem so feministisch geäußert, dass ihm eine Fraue zujubelte: „Ich will ein Kind von dir“, und ich war es nicht. Außerdem erlaube ich mir den Hinweis, dass du vor einigen Jahren hier die Geschichte von einem Erlebnis mit einem Autokäufer erzählt hast, der sich deiner Meinung nach abfällig über Frauen geäußert hatte, und dass ich die Kritik schon damals übertrieben fand und bis heute übertrieben finde.
Ich wäre dir dankbar, wenn du deine heutige Kritik an diejenigen adressieren würdest, welche so argumentieren oder sich so verhalten, wie du es schilderst. Ich habe nichts dergleichen getan. Vielmehr habe ich herausgestrichen, dass ich mir kaum vorstellen kann, dass weiße Männer Frauen schlechter behandeln als nicht-weiße. Dieses „kaum“ rührt auch nur daher, dass ich mir ein „nicht“ in einer derart komplexen Welt nur selten erlaube. Allerdings suche ich ständig danach, mein Wissen zu erweitern und meine Ansichten zu hinterfragen. Das und nur das war der Grund für meine von dir als „unsinnig“ bezeichnete Frage. Zum Erkenntnisgewinn haben die Antworten nicht beigetragen, und für mich hat sich die Sache jetzt und hier auch erledigt. Ich bin also weg. Alles, was ich hier gelesen habe, kann ich tausendfach woanders lesen, ohne erst selbst fragen zu müssen. Auch das habe ich ja schon angedeutet:
„Interessant aber zu sehen, dass @C_Punkt lupenrein das vertritt, was wohl derzeit als politisch korrekt gilt […].“
Nicht neu, nicht originell, reine Reproduktion dessen, was ich täglich zu lesen und zu hören bekomme. Da steh’ ich nun, ich armer Tor …
Mein im hoffentlich besten Sinn des Wortes origineller Diskussionsbeitrag würde übrigens lauten, dass man doch dazu neigt, die Machtverteilung verzerrt darzustellen. Gerade uns Juristen kann das schnell einleuchten, wenn wir sehen, welchen hanebüchenden Unsinn unter anderem die Medien über die Stellung der Frau im Gesetz schreiben, objektiv falsch, wahrscheinlich oft vorsätzlich erlogen. Als ich meine Staatsprüfungen abgelegt habe, konnte man sich noch mit der Süddeutschen Zeitung auf die mündlichen Prüfungen vorbereiten. Heute veröffentlichen die so etwas:
„Heute“ ist aber auch falsch. Der Blödsinn ist sechs Jahre alt. Ein promovierter Jurist hat das geschrieben, der sich heute von Tilo Jung als „Justizexperte“ interviewen lässt. Und so wird die Straffreiheit der Vergewaltigung in der Ehe nicht nur fröhlich von aller Welt behauptet, sondern auch phantasievoll erweitert: Es versteht sich ja von selbst, dass straffrei dasselbe ist wie legal. Und jetzt musst nur noch jemand darauf kommen, dass das bedeutet: Die Gegenwehr der Ehefrau ist strafbar, weil eine Notwehr ausscheidet. Keine rechtswidriger Angriff, keine Rechtfertigung. In einem anderen Kontext habe ich das schon in einem Vortrag über Gender-Fragen gehört und das von einem Vortragenden, den ich sehr bewundere, und der sich nach seinen eigenen Worten eigentlich niemals öffentlich zu Themen äußert, über die er nicht mehrere Bücher gelesen hat. Das aber ist Macht: Viele Menschen von einer Lüge überzeugen, die wie alle guten Lügen mit einem Körnchen Wahrheit verbunden ist, um eine Stimmung zu erzeugen, ein Gesamtbild zu zeichnen, auf dem man fröhlich aufbauen und die Welt gestalten kann. Wenn C_Punkt schreibt, es sei allgemein bekannt, dass es Frauen so schwer haben, dann weil (mehr als ein Körnchen) Wahrheit darin steckt, aber wenn eben auch, weil es sehr schwer ist, sich ein Bild von der Wahrheit zu machen, ohne Experte oder Expertin für eine ganze Reihe von Fachgebieten zu sein. Ich interessiere mich nur für die Warheit und fühle ich mich in meiner Suche nach ihr durch zahlreiche Ideologien erheblich belästigt. Und leider drängt sich mir der Eindruck auf, dass das auch so gewollt ist.
Außerdem glaube ich originellerweise, dass die Bereitschaft weniger mächtiger Gruppen unterschätzt wird, sich nach Erlangung der ausreichenden Macht dieser gleichermaßen missbräuchlich zu bedienen. Mit originell meine ich nicht, dass das noch niemand außer mir so gesagt hat, sondern nur, dass ich es noch nie gehört oder gelesen habe. Ich plappere nicht nach, was ich irgendwo aufgeschnappt habe. Natürlich muss ich in einschränkend sagen, dass etwa die teilweise sehr bedenkliche Berichterstattung in Fragen des Sexualstrafrechts auch von anderen kritisiert wird und zwar nicht nur von Leuten, die Angst vor der Gleichberechtigung der Frau haben, sondern auch von Leuten, denen halt an Fairness gelegen ist, und die es gar nicht lustig finden, willkürlich vermeintliche Sexualstraftäter an die Grenze des Suizids zu treiben. Ich bin derzeit ziemlich schockiert von der Angelegenheit Luke Mockridge. Denn: Was da nun war oder nicht, weiß ich nicht. Ich sympathisiere mit keiner Seite. Es ist neuerdings aber ziemlich offensichtlich, dass sich einschlägige Medien mit ihrer Berichterstattung gewissenlos versündigt haben. Mich gruselt es vor der Zeit, in der so etwas gar nicht mehr an die Öffentlichkeit gelangt.
Ich möchte das aber nicht schreiben, ohne folgenden Dissens mit deinem Beitrag zu markieren:
Ich bin gerade nicht so einer, der Blut sehen will. Aber wenn sich irgendein Fall eignet aufzuzeigen, dass da was faul ist im Staate Spanien, dann doch dieser. Denn der Vorfall geschah vor laufender Kamera. Und die skurrilen Verteidigungsversuche des Täters hat dieser selbst in die Öffentlichkeit getragen. Das häufige Problem, dass niemand weiß, was wirklich war, gibt es hier gerade nicht. Das Nachtatverhalten rechtfertigt es locker, einen Rücktritt zu verlangen. Ich hoffe, dass man in diesem Fall nicht nachlässt. Den Vilda haben sie schließlich auch entlassen.
Ich bin dann mal weg.
Viele Dank und viele Grüße,
Guybrush