Hallo,
Sorry, meine erste Erfahrung mit Psychologie und/oder
Psychotherapie hatte ich im Schulunterricht, wo mir per Freud
ein kindlicher Penisneid unterstellt wurde.
Da mir als Kind trotz Aufwachsen auf einem Bauernhof mit
reichlich sichtbaren Penissen nie ein Penisneid untergekommen
ist, habe ich Freud ab der ca. 8. Klasse nicht mehr ernst
genommen (konnte ich im Unterricht nat. nicht anbringen, da
galt Lehrmeinung und ich konnte mir keine Miesen leisten).
Ich gebe Dir vollkommen Recht damit, dass das Fachgebiet Psychologie für Laien ein sehr umständliches und undurchsichtiges Thema ist. Viele reduzieren es auf Freud und eine Therapie bringen sie mit einem Sofa in Verbindung. Die meisten Menschen kennen noch nicht einmal den Unterschied zwischen einem Psychologen und einen Psychiater - und dann noch die Unterscheidung zwischen Psychologie als empirische Wissenschaft und den psychologischen Psychotherpeuten… da ist man schnell überfordert, wenn man sich nicht freiwillig oder weil man es muss damit beschäftigt hat.
Ich behaupte auch nicht, dass die Psycholgie nicht empirisch
zu richtigen Ergebnissen kommt. Aber Einzelfälle sind nach wie
vor ein Problem.
Die empirische Psychologie beschäftigt sich auch nicht mit Einzelfällen, sondern arbeitet quantitativ - sie versucht das menschliche Verhalten und Erleben zu beobachten, zu beschreiben und zu analysieren - und das geschieht fast ausschließlich mit großen Stichproben.
In der Therapie beschäftigt man sich mit dem Einzelfall, das hat aber weniger mit der empirischen Psychologie zu tun - sie liefert quasi nur die Grundlage, um eine Therapie überhaupt durchführen zu können.
Eine echte Wissenschaft kann Ursache und Wirkung auch für
Einzelfälle benennen oder forscht vor allem daran. Das
kann/macht die Psychologie m.E. kaum oder noch zu wenig.
Ursache und Wirkung ist ein schwieriges Thema und hat weniger damit zu tun, dass die Wissenschaft der Psychologie noch so jung ist. Vielmehr ist der menschliche Organismus so komplex, dass zu viele Faktoren in einem Kausalverhältnis einwirken und somit unberechenbar bleibt - ähnlich wie eine Turbolenz in der Physik.
Diese Wissenschaft ist kaum mehr als 100 Jahre alt, das ist
wenig. Umgerechnet in Physik noch weit vor Newton. Da ist mit
Fehlern zwangsläufig zu rechnen.
Ja.
So ist auch die Zoologie, Chemie, Physik etc. Da wurden
massenhaft Bücher geschrieben, ehe es halbwegs passte.
Noch vor 70 Jahren wurde die (inzwischen bestätigte)
Kontinentaldrifttheorie in Fachkreisen nicht ernst genommen.
Und die Geologie ist eine recht alte Wissenschaft.
Ich schätze, trotz Internet braucht jede Wissenschaft Zeit zur
Perfektionierung. Bei der „Behandlung“ von Patienten sollte
das berücksichtigt werden.
Mein persönlicher Glaube ist, dass wir einen Menschen nie ganz verstehen werden und schon gar nicht vom einen auf den anderen Wissen vollumfänglich übertragen können.
Die Tatsache, dass auch div. Quereinsteiger incl. Lehrer
Psychotherapie anbieten können, drückt den Mangel an
wissenschaftlicher Erkenntnis doch sehr deutlich aus.
Man sucht sich auch keinen Psychotherapeuten, sondern man sucht sich einen Psychologischen Psychotherapeuten. Erstere sind hauptsächlich Heilpraktiker (wobei es auch hier sehr gute gibt!) und letztere haben ein Studium der Psychologie absolviert (früher Diplom, heute Master) und anschließend die Therapeutenausbildung gemacht - diese Ausbildung ist fast umfangreicher als die zum Arzt.
Viele Grüße