Lebensfähigkeit von Staaten

[MOD] … OT
Hallo,

das gehört nicht in dieses Brett, seid so nett und tauscht Komplimente per Mail aus.

Gruß, Rainer
[MOD]

da man es beliebt, meine Postings hier komplett zu löschen,
wenn ich auf den unter 1. von dir genannten Punkt versuche zu
antworten, hier der Rest. Entschuldige die Form, aber ich kann
den Text nur der Löschbenachrichtigung entnehmen.

Liebe Marion,

gerne entschuldige ich jede Form, wenn nur der Inhalt gut ist.

wwwA> Ich hab nicht davon geredet, dass die
palästinensische
wwwA> Regierung sich mit Waffen eindeckt, sondern
dass extreme
wwwA> Terrorgruppen die Souveränität der Palästinenser über
ihre
wwwA> Landesgrenzen nutzen, um sich mit modernen Waffen
einzudecken. Die
wwwA> Hizbollah im Libanon hat ihre Waffen ja auch nicht
von der
wwwA> libanesischen Regierung bekommen.

Und doch ist der Libanon ein unabhängiger Staat.

wwwA> Wenn die Palästinenser den niederträchtigen Zynismus
eines Sharons
wwwA> besitzen würde, dann würden sie ihrerseits ein paar
verstreut
wwwA> liegende Areale im heutigen Israel, umringt von hohen
Mauern und
wwwA> palästinensischem Gebiet als Vorschlag für einen
Staat Israel auf den
wwwA> Tisch legen. Das würde die Israelis mit Sicherheit
amüsieren und die
wwwA> Weltöffentlichkeit ganz tüchtig empören. Ansonsten
wüsste ich nicht,
wwwA> worüber man von israelischer Seite aus verhandeln
sollte. Bislang hat
wwwA> sich Israel noch jedes palästinensische Land
einverleibt, dass es
wwwA> haben wollte, das geht auch ohne jede
palästinensische Zustimmen.
wwwA> Dazu braucht es nur der IDF und ein paar Bulldozer.

Es gibt eine Landkarte von palästinensischer Seite: Sie ist oben auf dem Hamas-Emblem abgebildet. Soll ich sie dir beschreiben?

wwwA> Sag ich doch. Darum gibt es ja von israelischer Seite
aus keinen
wwwA> Grund, über irgendwas zu verhandeln.

Wenn man dich so reden hört, dann fragt man sich warum es überhaupt jemals einen Staat gegeben hat, der seine Unabhängigkeit erlangte.

wwwA> Gegenwärtig realistisch ist noch nichtmal, dass die
demokratisch
wwwA> gewählte Regierung in den besetzten Gebieten ihrer
Arbeit nachgehen
wwwA> kann.

Da sehe ich die Israelis in einer nachgeordneten Verantwortung. Und ich halte es ganz und gar nicht für die Aufgabe einer demokratisch gewählten Regierung, sich in die Entführung von Soldaten zu verstricken.

Die Palästinenser können den Landraub der
Israelis nicht
wwwA> stoppen, aber sie können wenigstens davon Abstand
nehmen, diesen auch
wwwA> noch zu legitimisieren. Solange die Palästinenser den
Landraub der
wwwA> Israelis nicht anerkennen, bleibt er
völkerrechtswidrig und somit ein
wwwA> Verbrechen.

Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass eine Haltung „Soll es uns doch richtig weh tun - je mehr es schmerzt, umso böser erscheinen die Israelis“ im Sinne der Palästinenser sein soll und auch nicht Ausdruck des Willens der Mehrheit der Palästinenser ist.

wwwA> Was du vorschlägst hat ungefähr die gleiche Qualität,
wie von einer
wwwA> vergewaltigten Frau zu verlangen vor Gericht zu
erklären, es wäre
wwwA> doch gar nichts gewesen, damit der Täter straffrei
geht, weil er
wwwA> ansonsten droht, sie bei nächster Gelegenheit zu
erwürgen. Das wäre
wwwA> „nehmen, was realistisch ist“.

Ein solches Verlangen an eine Frau ist moralisch ungehörig. Hingegen wenn kein Gericht, keine Polizei, keine Gesellschaft da ist, die Frau zu schützen, sollte sie die Drohung ernstnehmen und deren Umsetzung erwägen. Die Weltgeschichte läuft nach anderen Spielregeln als unsere heimisch-heimelige Welt, ob es uns gefällt oder nicht.

Manchmal, so denke ich, blenden die Diskussionen über den israelisch-palästinensischen Konflikt aus, dass es um die Schicksale von Menschen geht. Freilich wäre es toll für die Palästinenser, das Territorium nach dem UN-Teilungsplan oder zumindest nach dem Waffenstillstand von 1967 zu erhalten. Wenn das aber nicht geht, dann ist es für die heute Lebenden ein schwacher Trost, dass in fünfzig Jahren die Ausgangslage vielleicht eine ganz andere ist. Ich wünsche mir für die Palästinenser hier und heute einen Staat, wegen mir ein Rumpfpalästina ohne Jerusalem und dreigeteilt, weil das immer noch besser ist, als das, was sie bislang in ihrem Leben kennenlernen durften. Der Rechtsanspruch auf Ostjerusalem macht keinen Menschen satt.

Gruß
Hardey

Moin,

wwwA> Hizbollah im Libanon hat ihre Waffen ja auch nicht
von der
wwwA> libanesischen Regierung bekommen.

Und doch ist der Libanon ein unabhängiger Staat.

Was nichts daran ändert, dass der halbe Südlibanon kürzlich von den Israelis verwüstet wurde, weil die libanesische Regierung selbst mit den Hizbollah nicht fertig wird. Viel anders wird es dann in diesem gelobten Feien Staat Palästina auch nicht sein, sprich genau wie heute.

wwwA> Dazu braucht es nur der IDF und ein paar Bulldozer.

Es gibt eine Landkarte von palästinensischer Seite: Sie ist
oben auf dem Hamas-Emblem abgebildet. Soll ich sie dir
beschreiben?

Ist mir bekannt. Der Unterschied ist nur, dass Israel durch die IDF und ihre Bulldozer die Macht haben, ihren Landraub durchzuziehen, die Hamas hingegen NOCH nicht, weil sie nicht über die entsprechenden Waffen verfügen, und ich möchte, dass letzteres auch so bleibt.

wwwA> Sag ich doch. Darum gibt es ja von israelischer Seite
aus keinen
wwwA> Grund, über irgendwas zu verhandeln.

Wenn man dich so reden hört, dann fragt man sich warum es
überhaupt jemals einen Staat gegeben hat, der seine
Unabhängigkeit erlangte.

Verhandlungen sind immer dann erfolgreich, wenn für alle Beteiligten , insbesondere für die stärkere Seite, daraus ein Vorteil erwächst.

wwwA> Gegenwärtig realistisch ist noch nichtmal, dass die
demokratisch
wwwA> gewählte Regierung in den besetzten Gebieten ihrer
Arbeit nachgehen
wwwA> kann.

Da sehe ich die Israelis in einer nachgeordneten
Verantwortung. Und ich halte es ganz und gar nicht für die
Aufgabe einer demokratisch gewählten Regierung, sich in die
Entführung von Soldaten zu verstricken.

Seh ich auch nicht. Regierungen sollten freidlich und demokratisch ihr Land zum Wohle Aller regieren. Macht man dies zum Maßstab, sollte man 90% aller Regierungen dieser Welt entmachten, einschließlich der Israelischen.

Die Palästinenser können den Landraub der
Israelis nicht
wwwA> stoppen, aber sie können wenigstens davon Abstand
nehmen, diesen auch
wwwA> noch zu legitimisieren. Solange die Palästinenser den
Landraub der
wwwA> Israelis nicht anerkennen, bleibt er
völkerrechtswidrig und somit ein
wwwA> Verbrechen.

Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass eine
Haltung „Soll es uns doch richtig weh tun - je mehr es
schmerzt, umso böser erscheinen die Israelis“ im Sinne der
Palästinenser sein soll und auch nicht Ausdruck des Willens
der Mehrheit der Palästinenser ist.

Du meinst, die Palästinenser sollten „um des lieben Friedens Willen“ den Landraub der Israelis legalisieren? Schöne Idee, aber diesen Frieden werden sie durch eine solche „Staatsgründung“ nicht bekommen, genau so wenig wie die Israelis.

Ein solches Verlangen an eine Frau ist moralisch ungehörig.
Hingegen wenn kein Gericht, keine Polizei, keine Gesellschaft
da ist, die Frau zu schützen, sollte sie die Drohung
ernstnehmen und deren Umsetzung erwägen.

Nicht jede Frau erträgt es, wieder und wieder vergewaltigt zu werden. Manch eine schnallt sich vielleicht lieber einen Sprengstoffgürtel um den Bauch, um dem Ganzen ein Ende zu machen.

Die Weltgeschichte
läuft nach anderen Spielregeln als unsere heimisch-heimelige
Welt, ob es uns gefällt oder nicht.

Zumindest haben wir hier die Möglichkeit und ich meine auch die Pflicht, lautstark darauf hinzuweisen, dass es uns nicht gefällt, was da passiert. Zumindest das sollten wir aus unserer eigenen Vergangenheit gelernt haben.

Manchmal, so denke ich, blenden die Diskussionen über den
israelisch-palästinensischen Konflikt aus, dass es um die
Schicksale von Menschen geht. Freilich wäre es toll für die
Palästinenser, das Territorium nach dem UN-Teilungsplan oder
zumindest nach dem Waffenstillstand von 1967 zu erhalten. Wenn
das aber nicht geht, dann ist es für die heute Lebenden ein
schwacher Trost, dass in fünfzig Jahren die Ausgangslage
vielleicht eine ganz andere ist. Ich wünsche mir für die
Palästinenser hier und heute einen Staat, wegen mir ein
Rumpfpalästina ohne Jerusalem und dreigeteilt, weil das immer
noch besser ist, als das, was sie bislang in ihrem Leben
kennenlernen durften. Der Rechtsanspruch auf Ostjerusalem
macht keinen Menschen satt.

Das kannst du vielleicht noch Menschen versuchen zu erklären, die das Wort „Hoffnung“ noch kennen, aber keinen Menschen, die bereits als Kinder den Berufswunsch „Selbstmordattentäter“ angeben. Bei diesen musst du schon etwas anders ansetzen.

Gruß
Marion

Liebes Forum,

Bei Spekulationen über das mögliche Aussehen eines Staates
Palästina kommt immer wieder das Argument, das theoretische
Konstrukt sei nicht lebensfähig. Darum frage ich, ab wann ist
ein Staat lebensfähig, was sind die erforderlichen
Bedingungen?

Moin moin,

der Begriff „lebensfähig“ trifft es wohl auch nicht ganz. Grundsätzlich haben wir hier drei Begriffe.

Volk: Ein Volk, also einen großen Haufen Menschen, die sich zusammengehörig fühlen. Vielleicht war das nicht immer so, aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt sollte das so sein. Da das Volk die Basis eines jeden Staatswesens darstellt, auch einer nicht-Demokratie, ist es also wichtig, EIN Volk zu haben.
An diesem Punkt beginnt es bei den Palästinensern schon etwas zu hakeln. Da immer noch Hamas und El Fatah ihre Meinungsverschiedenheiten bürgerkriegsähnlich austragen, können einem Zweifel kommen. Nicht ohne Grund wurden in der Geschichte immer schon derartig gespaltene Nationen als zwei Staaten behandelt. Siehe USA/CSA,obwohl es bei den Palästinensern ja da noch Hoffnung gibt.

Nation: Eine Nation entsteht eigentlich, wenn das Volk in einem eigenen Territorium sitzt. Diese Bedingung ist mit den Autonomiegebieten wohl klar erfüllt.

Staat: So, hier wird es kitzlig. Denn in Wirklichkeit ist ein Staatswesen ja nur die Administration einer Nation. Ein Staatswesen kann demokratisch legitimiert sein, es kann durch politische Tricks sich selbst legitimieren (wie mit unserer seltsamen Verfassung in Deutschland), es kann durch Feudalstrukturen legitimiert sein oder auch durch Mischformen davon.
Da es in den Palästinensergebieten Wahlen gegeben hat, und diese auch meines Wissens nicht wegen ihrer Durchführung durch Wahlbeobachter bemängelt wurden, haben die Palästinenser also ein demokratisch legitimiertes Regierungsorgan und mit dessen nachgeordneten Organen auch ein Staatswesen.

Fazit hier: Wenn die Jungs aufhören dauernd Bomben nacheinander zu schmeißen sind sie also ein Staat.

Aber …

der vielfach verwendete Begriff der Lebensfähigkeit beinhaltet zwei weitere Problemfelder.

Geld: Ein Staatswesen, das pleite ist, ist zwar existent, aber nicht desto Trotz handlungsunfähig. Das würde auf die Palästinenser, deren eigene Wirtschaftsleistung gering ist, zutreffen, wenn es keine Hilfsgelder mehr gibt oder aber wenn ein noch größerer Teil der Hilfsgelder einfach versacken würde.

Politik: Ein Staatswesen muss nach innen soviel Autorität haben um das Land und das Volk beherrschen zu können. Der springende Punkt ist das „nach innen“. Außenpolitische Isolation ist also kein Argument, auch wenn das propagandistisch manchmal so dargestellt wird. Die Frage ist also, inwieweit ein Staatswesen handlungsfähig ist, in dessen Volk ein großer Bodensatz an potentiell gewaltbereiten Gegnern des Staatswesens sitzt.
Natürlich hat es für solche Fälle auch schon brachiale Lösungen gegeben. Siehe Saddam und die Kurden im Irak. Nur, in dem Moment, in dem sich ein Staatswesen gewaltsam gegen das eigene Volk richtet, und sei es auch nur eine Minderheit, kann man ernste Zweifel an dessen Legitimation hegen.

Fazit hier: Die Palästinenser können einen lebensfähigen Staat aufbauen. Bisher balancieren sie aber noch sehr oft auf der Kippe.

Gruß
Peter Brendt