Moin Hardy
Nochmals, die Vorteile Israels liegen weniger bei der direkten
Staatsgründung Palästinas, sondern bei einer Konsolidierung
der Lage.
So schlecht ist die Lage für Israel doch gar nicht. Wie gesagt, mit den arabischen Nachbarstaaten hat man sich ziemlich gut arrangiert und die paar schrottigen Kassams und Selbstmordattentate richten kaum ernsthaften Schaden an. Was meinst du aber, was los ist, wenn die extremistischen Kräfte in der Lage sind, über dann von Palästinensern kontrolierte Außengrenzen richtig moderne Waffen nach Palästina reinzuschmuggeln? Zudem dürfte es zweifelhaft sein, dass die Israelis dann noch nach Belieben Militäraktionen in Gaza und im Westjordanland durchführen können. Einen Staat Palästina wird es nur ohne israelische Truppen auf palästinensischem Boden geben (was z.B. auch die Räumung der ganzen israelischen militärischen Sperrgebiete entlang des Jordans einschließen würde). Warum sollten die Israelis sich darauf einlassen? Das würde die Sicherheitslage in Israel kaum Verbessern, ganz im Gegenteil. Zudem würden die Israelis die Kontrolle über wichtige Wasservorkommen im Westjordanland verlieren.
Vielleicht wird das an einem (sicherlich wenig
perfektem) Beispiel deutlich: Welchen direkten Vorteil hatte
Deutschland an dem Auseinandergehen von Tschechien und der
Slowakei? Ich sehe keinen, außer dem Vermeiden der höchst
unerquicklichen Situation eines kontinuierlichen Konflikts
zwangsvereinigter Tschechen und Slowaken. Darum: Sollen sie
sich doch trennen, wenn sie damit glücklich werden.
Du Beschreibst die Situation in der ehemaligen Tschechoslowakei sicherlich richtig, nur sehe ich leider überhaupt keine Parallelen zu der Situation Israel/Palästina.
Ähnlich Israel. Wie die Palästinenser zusammenleben, ob als
Staat oder als Provinz Jordaniens oder als staatenlose
Konglomerat autonomer Familien muss Israel nicht wesentlich
tangieren, wenn sie die Israelis nicht behelligen. Wenn ihr
Glück im Staat Palästina liegt, nur zu!
Du hast selbst gefragt, was einen Staat ausmacht, und dazu ein paar Antworten bekommen. Wenn aus Palästina ein souveräner Staat wird, dann tangiert das Israel in fast jedem Bereich der jetzigen Besatzung.
Nein, dass muss jedem klar sein, der sich mit diesem Thema
beschäftigt und Hoffnungen hegt: Kurzfristig verbessert sich
nichts. Es gibt keinen Friede-Freude-Eierkuchen-Schalter, den
man einfach umlegen kann. Einen Karren, der jahrzehntelang in
den Sumpf gefahren wurde, wird nicht innerhalb von Monaten
wieder flott. Es geht darum, eine glaubhafte Richtung
einzuschlagen, einen Prozess anzustoßen. Ich bin kein Israeli,
aber ich bin mir ziemlich sicher, Israel würde auch einem
Staat Palästina Terroranschläge nicht übelnehmen, wenn
sichtbar wäre, dass die dortigen Behörden a) nach Kräften
versuchten, die Täter zu finden und adäquat zu bestrafen und
b) hinreichende Anstrengungen unternähmen, zukünftige
Anschläge zu unterbinden.
Wie lange hat es gedauert, bis die Israelis z.B. wegen dem Beschuss mit Kassams wieder Militäraktionen gegen Gaza unternommen haben, nachdem sie die Siedlungen da geräumt hatten? 4-6 Wochen? Mir scheint, da fehlt es ein wenig an Geduld für einen „langfristigen Prozess“.
Freilich, die aktuelle Situation in den Autonomiegebieten ist
keine allzu günstige Ausganglage (optimistisch ausgedrückt).
Ich sehe keine Persönlichkeit, der ich zutraue, den steilen
und hindernisreichen Weg zu einem Kompromiss zu gehen.
Einen Kompromiss kann man nur da eingehen, wo es auf beiden Seiten etwas zu verhandeln gibt. In einer Situation, wo die Palästinenser den Israelis nichts bieten können, was diese nicht schon längst hätten oder sich einfach nehmen, wenn sie wollen, braucht man nicht verhandeln und somit auch keine Kompromisse schließen. Die Israelis verhandeln schon seit Jahren nicht mehr, für sie ist das reine Zeitverschwendung.
Wenn sich diese nun fänden und sich auf den Weg machten, dann
glaube ich fest daran, dass eine deutliche Mehrheit sowohl der
Palästinenser als auch der Israelis ihnen folgen würden und
die Splittergruppen über kurz oder lang ihre jetzige Bedeutung
verlören. Frage doch mal Naomi oder Raed dazu.
Sowohl auf Palästinensischer, als auch auf Israelischer Seite, hat sich die Mehrheit meiner Meinung nach zunehmend radikalisiert.
In welcher Form hat Israel denn hier deiner Meinung nach
materiell draufgezahlt? Da bin ich echt mal gespannt.
Der Sinai hat Öl in nicht unerheblicher Menge. Und Uran. Zudem
mussten Siedlungen aufgegeben werden.
Das ist ein einfaches Rechenbeispiel. Ist ist im allgemeinen Sinnvoller, mit den Nachbarstaaten Handel zu treiben, wenn diese über eine gut ausgerüstete Armee verfügen, als zu versuchen, ihnen auf militärischem Weg Land zu stehlen. Ich garantiere dir, dass auf lange Sicht Israel nichts vom Sinai gehabt hätte, außer einem Haufen ausgebleichter Knochen. So machen die Israelis in Ägypten Urlaub und ich bin mir sicher, was die Bodenschätze angeht, wird man zu zufriedenstellenden Handelsbeziehungen finden. Das ist eben der Unterschied, ob man ein Land angfreift, das über eine Armee verfügt, oder ein Land, dass quasi schutzlos ist. Was meinst du, wie nett die Israelis plötzlich zu den Palästinensern wären, wenn diese über ein gutes Arsenal moderner Waffen verfügen würden?
Ich glaube, du unterschätzt den israelischen Wähler. Warum,
glaubst du, genoss die damalige Ein-Mann-Null-Programm-Partei
Kadima aus dem Stand eine so überwältigende Unterstützung
seitens der Bevölkerung? Weil die Israelis Scharon zutrauten,
er schafft es, auch wenn es schwierig wird.
Was zu schaffen? Für Ordnung zu sorgen? Das sicher, aber nicht mit Verhandlungen sondern mit Waffengewalt. Sharon war ein Hardliner, der nie einen Hehl aus seinem Ansinnen gemacht hat. Der Plan Sharons war es meiner Meinung nach, die Palästinenser in ein paar isolierten Arealen zusammenzutreiben, große Mauern dort herum zu bauen, die Palästinenser dort vollkommen zu isolieren und sie nach Gutdünken zu beschießen oder anderweitig zu „bestrafen“ und aushungern zu lassen. So dürfte die „Ordnung“ ausgesehen haben, die Sharon sich vorgestellt hat (und die ja auch großteils bereits in die Tat umgesetzt wurde). Gerade dass Sharon gewählt wurde, ein Mann, den man vor Jahren noch mit Schimpf und Schande wegen der Massaker in Palästinensischen Flüchtlingslagern aus dem Amt gejagt hat, zeigt mir, dass die israelische Bevölkerung eher nicht in Richtung „Verständigung“ driftet.
Sie wären ihm auch
bis zu einer Staatsgründung Palästinas gefolgt, weil sie ihm,
auch bei Rückschlägen, vertraut hätten, dass der Weg
letztendlich zum Erfolg führt.
Hier siehst du die kümmerlichen Ghettos, die Sharon für die Palästinenser als „Staat“ vorgesehen hatte: http://www.palestinemonitor.org/Special%20Section/Ro…
Um diese kleinen Gebiete noch ein paar Mäuerchen mit Minenfeldern und Selbstschussanlagen herum…perfekt. Und endlich Frieden für Israel, oder nicht?
Gruß
Marion
Die Israelis wissen, dass niemand ihnen „Frieden“ versprechen
kann. Sie wären schon mit der „Aussicht auf Frieden“
glücklich. Wie Mose, der nur die „Aussicht“ auf das gelobte
Land hatte.
Gruß
Hardey