Lebenslänglich für Raser

Da weder Absicht noch Vorsatz, einen Menschen zu töten, bestehen oder nachweisbar wären, und niedere Motivgründe im Sinne eines Vorteilgewinns durch Tötung einer (un)bestimmten Person nicht vorliegen, ist „Neuland“ wohl schon wieder untergegangen.

Neue Gesetze ja, und sie sollten wirklich abschreckend sein (Fahrzeugentzug für Halter bei Nichtangabe des Fahrers festgestellter Rennen, Führerscheinentzug bei Rennen für mindestens 6 Monate, und hohe Haftstrafen bei Schädigung jedweder Art gegenüber Dritten).

Franz

Es wurden gängige Rechtssprechungsprinzipien kombiniert und angewandt. Der Vorfall (in der Summe seiner Einzelakspekte) selbst war einmalig, so dass es im Ergebnis erstmalig zu dem bekannten Verfahrensausgang kam und Neuland betreten wurde.

Gruß
vdmaster

Am besten warten wir auf die schrftl. Urteilsbegründung unter „Aktenzeichen: 535 Ks 8/16“.

Ja, eben.
Da wäre doch was dabei gewesen.

Jou, machen wir. Und diskutieren dann die Fehlentscheidung :sunglasses:

Franz

[quote=„C_Punkt, post:40, topic:9405310“]

Willkür nicht (hab ich auch nicht behauptet).
Zurechtbiegen schon, meintetwegen können wir es aber affektloser „Neuinterpretation“ nennen :wink:

Gruß
F.

Ich hoffe, dass ich hier antworten darf, da ich keine Jurakenntnisse habe, die ja wohl zur Teilnahme an diesem Thread zwingend erforderlich sind, wie ich lesen musste.
Grundsätzlich begrüße ich dieses Urteil. Es muss endlich mal diesen Idioten Einhalt geboten werden!
Allerdings habe ich Bauchschmerzen bei der Urteilsbegründung. Anscheinend sind sich wohl alle einig, dass die geltenden Gesetze das Urteil nicht hergeben und es in der nächsten Instanz kassiert wird. Wie kommt denn nun ein Richter darauf, sich über die geltenden Gesetze zu erheben und ein Urteil spricht, um den Männern mal eine vor den Bug zu geben? Die Gesetzgebung ist immer noch Aufgabe der Legeslative.
Der nächste Richter ist der Meinung, dass man mal etwas gegen Ladendiebstahl tun müsste und verurteilt den Täter zu Hände abhacken. Das gibt das Gesetz zwar nicht her, aber man muss ja mal ein Zeichen setzen?!

Ich lasse mich übrigens gern eines Besseren belehren!

Data

Nö. Ich bin der Ansicht, dass es kassiert werden könnte, aber nicht zwingend wird. :wink:

Oke, das hatte ich nicht gesehen, hatte Mal eine andere Studie, da war das deutlicher aufgedröselt.

Spielt dabei nicht auch eine Rolle, dass die Fahrer schon vorher durch bedrängen und bedrohen anderer Verkehrsteilnehmer aufgefallen sind?
Da wird man ihnen ja gesagt haben, dass das tödliche Folgen haben kann…

Und wenn jemand mit seinem Auto droht, z.b. äußert, dass er ihn"wegräumt"( mir selbst schon mehrfach passiert) - zeigt er dann nicht selbst, dass er sein Auto als tödliche Waffe wahrnimmt und bereit ist, einzusetzen?

Bufo

Ich denke ja, dass unsere Autofixierte Gesellschaft massiv Anteil hat an solchen Geschehnissen wie in Berlin.
Dem Auto und seinem Fahrer wird ja fast alles vergeben.

Täglich höre ich als Ausrede für das tägliche Zuparken einer Feuerwehrzufahrt:" irgendwo muss ich ja Parken" das ist allgemein anerkannt, niemand unternimmt etwas gegen diese Gefährdung von Menschenleben. Wer die Behörden informiert, ist eine typisch deutsche Petze.

Blitzer sind Wegelagerer, Politessen ebenfalls. Es gibt da einen großen fast rechtsfreien Raum, den jeder stillschweigend akzeptiert.

Und Risikoeinschätzung kann sich nicht entwickeln, wenn z.b. die Presse nach Unfällen berichtet, dass die niedrig stehende Sonne, der Schnee, die Straßenführung schuld am Unfall waren und nicht etwa die unangepasste Geschwindigkeit…

Die Berliner Raser befinden sich also durchaus in logischer Folge und Gesellschaft.

Bufo

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Zum Glück wird ja längst nicht alles umgesetzt, was so angedroht wird. Sonst sähe es noch ganz anders auf unseren Straßen aus. Ich will diese Jungs ganz sicher nicht in Schutz nehmen, und bin in diesem Fall absolut für eine harte Bestrafung. Nur sind an einen Mordvorwurf nun einmal juristisch sehr strenge und hohe Anforderungen zu stellen, die ich hier als nicht erfüllt ansehe. Und daran ändert sich auch nichts, wenn jemand vorher schon massiv negativ im Straßenverkehr aufgefallen ist. Das ist im Rahmen der Bestrafung unter den passenden Hausnummern selbstverständlich heran zu ziehen, und soll und muss hier auch massiv strafschärfend wirken. Nur überwindet man damit mE (und so sehen es auch viele andere Juristen in ersten Stellungnahmen zum Urteil) hier nicht die Grenze zum Mordvorwurf. Ich weiß, dass solche Überlegungen für Nichtjuristen schwierig nachvollziehbar sind. die im konkreten Einzelfall einfach nur zu einer möglichst massiven Bestrafung kommen wollen, und denen es dabei nur Recht ist, wenn dann Schlagworte wie „Mord“ fallen, worüber man dann zu lebenslanger Haft kommen kann. Aber Juristen sehen über den Einzelfall hinaus eben auch eine Gesamtsystematik, und da muss sich jeder Einzelfall einsortieren können, und muss die Verhältnismäßigkeit gegenüber anderen Fällen gewahrt bleiben. „Ich fahr Dich platt“, wird sicherlich jeden Tag x-fach im deutschen Straßenverkehr gebraucht, es gibt üble Drängler, Säufer, Raser, … die teils verheerende Unfälle auslösen. Nur ist dies eben noch nicht die Ebene, in der man mE juristisch korrekt von Mord sprechen kann, wenn es dabei zu Todesopfern kommt.

Gehen wir mal davon aus, dass die Sache zumindest bis zum BGH geht. Und sollte der die Verurteilung stützen, würde ich mich auch nicht wundern, wenn es hier zu einer Verfassungsbeschwerde käme. Einen Ansatz hierzu habe ich ja schon zitiert. Es gibt auch diverse weitere BVerfG-Urteile, die man hier sicherlich anführen könnte. Dann wird man sehen, inwieweit das BVerfG sich eher an seiner bisherigen Rechtsprechung orientieren wird, oder die zumindest teilweise „präzisiert“/aufgibt.

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Danke für deine Erläuterungen. Ich denke, ich habe das schon verstanden, was Mord von anderen Tötungen so unterscheidet. In der Zeit war schon vor dem Urteil ein ausführlicher Artikel dazu.

Habe da keine ganz klare Meinung zu (immer noch nicht). Klar ist, dass da durchaus Zeichen gesetzt werden müssen. Glaube aber, dass das Auswüchse unserer Autogesellschaft sind und man auch da was ändern sollte

Heute bei uns in der Zeitung: zwei Fahrer, die sich ein Rennen auf der A3 liefern…

Welcher anerkennenstwerter Grund für diese Tat fiele Dir ein? Die Schwere ist ja nicht mehr zu toppen, denke ich. Auch von der Schuld her passt es doch. Welche mildernden Umstände will man hie rnoch geltend machenß Augenmaas?
Davon abgesehen ganz theoretisch die Frage, ob nun das höchste Gericht zu dem Urteil kommen könnte, dass hier doch Mord vorliegt und eine neue bisher nicht im § 211 StGB angeführte Voraussetzung einführt?

Was soll die Polemik? Niemand spricht hier von „anerkennenswerten Gründen für die Tat“ Ganz im Gegenteil!

Ich habe ganz sachlich versucht auf einer möglichst allgemeinverständlichen Ebene darzustellen, warum man als Jurist Bauchschmerzen bei der Subsumption des konkreten Sachverhalts unter den Mord-Tatbestand bekommt.

Und das hat überhaupt nicht mit „mildernden Umständen“ zu tun. Wenn Du gelesen und verstanden hättest, was ich geschrieben habe, wäre Dir aufgefallen, dass ich statt von mildernden, ausschließlich von verschärfenden Umständen geschrieben habe. Nur eben nicht im Rahmen einer Verurteilung aufgrund eines Mordes, sondern z.B. aufgrund eines Totschlags oder einer fahrlässigen Tötung, weil hier mE einfach die gewählte Hausnummer nicht passt. Nur weil eine schwere Folge eingetreten ist, und jemand massiv Schuld auf sich geladen hat, ist er nun mal noch lange kein Mörder. Der Mord ist nicht einfach nur ein schlimmerer Totschlag, sondern ein eigenes Delikt mit eigenen Anforderungen. Daran stellt das Gesetz und das BVerfG nun mal bestimmte Anforderungen, die ich hier zitiert und als nicht gegeben ansehe.

Das ist aber keine absolute Sicht der Dinge, sondern - wie immer im Recht - eine Frage der Auslegung. Und daher seien wir doch einfach mal gespannt, was der BGH und ggf. das BVerfG dazu dann sagen.

Und nein, Gerichte machen bei uns keine Gesetze (bitte mal in die guten alten Gemeinschaftskunde-Bücher schauen)! Aber sie legen das Gesetz eben aus, und das BVerfG urteilt im Rahmen einer Urteilsverfassungsbeschwerde insbesondere darüber, ob das Gericht in seinem Urteil die Gesetze im Rahmen dessen ausgelegt hat, was die Verfassung gebietet, oder ob das Gericht ggf. mit seinem Urteil die Grenzen der Verfassung überschritten hat. Und das wäre keine große Besonderheit in diesem einen Fall, sondern ist die tagtägliche Arbeit unseres Verfassungsgerichts, immer dann, wenn jemand mit dem letztinstanzlichen Urteil des gegebenen Instanzenzugs nicht zufrieden ist, und sich durch die Gesetzesauslegung der Gerichte in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt fühlt. Und immer dann, wenn ein Gericht Neuland betritt, in dem es erstmals eine bestimmte Auslegung anwendet, stehen die Chancen gut, dass sich das BVerfG dann auch gleich mal dazu äußern darf, ob diese Auslegung sich denn auch im Rahmen der Verfassung bewegt.

Die schnellen Autos sind geleast. Und erstaunlich günstig, ist in diesem Artikel beschrieben: http://www.zeit.de/2016/51/autorennen-berlin-mord-klage-urteil