Ich habe nicht behauptet, daß das gleiche ist und darum geht es auch nicht. Es geht um drei Dinge:
Erstens hat der Lehrer offensichtlich gemerkt, daß der Junge sich auffällig verhält und als eine mögliche Ursache vermutet, daß zu Hause etwas ungewöhnlich ist. Darum geht’s und die Frage solltet Ihr wahrheitsgemäß beantworten, damit der Lehrer sich entsprechend mit dem Jungen beschäftigen bzw. sein Verhalten richtig deuten kann. Wie sehr Ihr da ins Detail geht, ist Eure Sache.
Zweitens hat die Strategie, die Erkrankung des Vaters vor dem Kind zu verheimlichen, offensichtlich nicht funktioniert wie das auch vor kaum einem Kind funktionieren würde. Die Umsetzung der Erkenntnis, daß mit dem Vater etwas nicht stimmt, erfolgt über das Verhalte in der Schule. Warum das nicht zu Hause passiert, dazu nun drittens:
Drittens - und das ist im Gegensatz zum vorherigen Punkt meine Vermutung und keine Tatsache - scheint es so zu sein, daß Ihr das Kind so in Wolle verpackt und der bösen Außenwelt geschützt habt, daß Gewalt, Tod, Terror, Krankheit, Krieg usw. zu Hause ein Tabuthema ist. Eine nachvollziehbare, aber von vornherein aussichtslose Strategie, weil - wie ich schon schrieb - ein Kind spätestens im Kindergarten mit solchen Dingen konfrontiert wird. Entweder über Erzählungen von Kindern, die Nachrichten schauen und hören dürfen, oder von Kindern, denen ein Elternteil verstorben oder schwer erkrankt ist oder schlicht durch den Umstand, daß in jedem Kindergarten in Deutschland heute wenigstens ein Kind herumläuft, das Kriegserfahrungen gemacht hat und natürlich darüber spricht oder andere sprechen darüber, daß das Kind so etwas erlebt hat.
Meine Schlußfolgerung: Ihr habt die genannten Themen so sehr tabuisiert, daß das Kind, das inzwischen mitbekommen hat, daß irgendetwas mit seinem Vater passiert ist, das ihn belastet (und übrigens: auch wenn Kinder nicht hören, wenn sie sollen, hören sie sehr gut, wenn sie nicht hören sollen oder vermeintlich nicht zuhören. Wie dann mit dem Gehörten umgegangen wird, hängt vom Kind und vom Umfeld ab.), sich nicht traut, das Thema anzusprechen. Entweder, weil es weiß, daß dem Thema ausgewichen wird oder weil es Angst hat, daß es negative Emotionen zurückbekommt. Also werden die Gefühle, die aus der Situation zu Hause entstehen, woanders in Handlung und Wort umgesetzt - und das ist nun einmal in der Regel die Schule.
Mein Ratschlag: sprecht mal mit der Caritas. Die bietet Familienberatung auch mit dem Schwerpunkt Kind- und Jugend an (die Stellen nennen sich Erziehungs- und Familienberatungsstellen; einfach mal Googlen). Das ganze ist kostenlos und unterliegt der Schweigepflicht. Das Thema scheint mir weitaus größer zu sein als daß es nur aus der Frage besteht, ob bzw. inwieweit man den Lehrer über die Situation zu Hause aufklären sollte.
Gruß
C.