Hallo Roland,
verzeih mir bitte, dass ich erst so spät antworte, aber das Wochenende (speziell der Sonntagnachmittag) gehört meinen Kindern – und hat sich ein wenig in die Länge gezogen.
> Du hast massenhaft schlechte Lehrer ertragen müssen (obwohl
> ich das nicht so ganz glauben kann)
Ja, das kenne ich natürlich, und ich verstehe deine Reaktion schon, aber ich kann wirklich sagen, dass ich Pech gehabt habe mit den Lehrern (ständiges Bremer Reformmodell, wenn dir das was sagt). Abgesehen von fachlichen Nieten (was ich aus heutiger Sicht sehr wohl meine beurteilen zu können) hatte ich solch schöne Exemplare, die alkoholisiert zum Dienst erschienen und den Bericht über ihre nächtlichen Versuche, weiße Mäuse zu vertreiben, für Unterricht hielten, ebenso wie solche, die die soziale Herkunft aus bestimmten Stadtvierteln für zensurentscheidend erklärten („du kommst aus …, dann kannst du bei mir höchstens mit einer 4 rechnen!“). Diese Lehrer schlugen z. T. 18jährige Schüler noch, aber das geschah an einer anderen Schule vor deren Versetzung an unsere, was ich nicht etwa aus Erzählungen Dritter weiß, sondern schon aus dem Erzählen von Angehörigen, die an dieser Schule Unterricht erwarteten. Man kann natürlich auch die Eltern (oder sogar die Schüler) für solche Missstände verantwortlich machen, aber in erste Linie ist in solchen Fällen wohl die Schulleitung gefragt – aber da geschah nichts (außer eben die Versetzung an unsere Schule). Ich könnte noch viele solche Geschichten erzählen, aber das lasse ich lieber, bevor man mich hier der Nacherzählung des „Fliegenden Klassenzimmers“ mit sadistischen Varianten zeiht.
> aber wenn ich mir deine Vika anschaue, scheint ja doch noch
> etwas ordentliches aus dir geworden zu sein
> Heißt das, daß du trotz dieser Lehrer den Abstieg ins soziale
> Abseits vermeiden konntest oder gar > wegen dieser Lehrer?
> Bedeutet das, daß der Einfluß und die Fähigkeiten der Lehrer
> überbewertet wird? Lohnt es sich dann noch über inkompetente
> Lehrer zu meckern? Oder hast du gerade durch die „harte
> Schule“ der unfähigen Lehrer gelernt mit der Realität unserer
> nicht perfekten Welt klarzukommen?
Da du mich persönlich fragst, antworte ich auch so. Das ist alles sehr zweischneidig, weil es natürlich aus der Sicht der verschiedenen Schüler schon jeweils anders aussieht, wiederum anders aus der Sicht der Lehrer usw. Aus meiner Sicht – und das ist die Einzige, für die ich wirklich sprechen möchte – sieht die Sache so aus, dass ich nicht aufgrund, sondern allenfalls trotz der schulischen Geschehnisse so geworden bin wie ich bin. Kurz: Ich verbuche die meiste Zeit bis zum Abitur als verlorene Zeit, denn erst im Studium habe ich Lehrende kennen gelernt, die sich gelegentlich auch für die Belange ihrer Anvertrauten interessieren (in der Schulzeit habe ich maximal 2 Ausnahmen in dieser Hinsicht gekannt). Bedeutend war natürlich auch, dass ich im Studium die Möglichkeit hatte, mich „ungeliebten“ Professoren zu entziehen, was in der Schulzeit unmöglich war.
Natürlich kann man solche Dinge von zwei Seiten (mindestens!) sehen, das sehe ich auch, aber das Problem fängt aus meiner Sicht schon da an, wo der Lehrer auf der einen Seite bestimmt, dass man nach dem Unterrichtsschluss mal eben noch zu ihm kommen soll, weil der Lehrer etwas mit einem besprechen will, auf der anderen Seite aber der Schüler aber keine Möglichkeit hat, Äußerungen wie „es hat geklingelt, ich brauche jetzt meine Pause, um mich von euch zu erholen; wenn du etwas von mir willst, frage mich in der nächsten Stunde (die oft sogar eine Woche später erst stattfand)“ zu rügen, geschweige denn zu unterbinden, weil ja der Lehrer mit der Zensurkeule unbehelligt drohen kann (selbst erlebt und nicht nur bei mir!).
Es geht ja auch nicht darum, den Lehrerstand per se zur Absurdität zu erklären, sondern nur darum Schüler vor derartigem Missbrauch zu schützen, der prinzipiell überall möglich ist.
> Lehrer sind Einzelkämpfer.
Ich denke, dass sich genau daran etwas ändern muss, und zwar nicht nur bei Referendaren, sondern umfassend, aber – das gebe ich zu – eine klare Konzeption kann ich nicht bieten.
> ein klein bißchen hat auch der Lehrer mein Mitgefühl. Wer
> weiß, was für ein armes Schwein das ist.
Einverstanden, aber immerhin ist der Lehrer – im Prinzip jedenfalls – der Stärkere. Es geht auch in meinen Überlegungen (ebenso wie beim Ausgangsposting) nicht um Klassen, die in Horden mit Messern auf den Lehrer losgehen oder dergleichen. Es geht um das ganz normale Verhältnis von Lehrenden zu Lernenden, wobei die Lernenden von Natur aus die Schwächeren sind.
Herzliche Grüße
Thomas Miller